Pflege in Bayern:Haderthauer brüskiert Landkreise und Städte

Ministerin Christine Haderthauer will die Hilfe zur Pflege komplett den Bezirken übertragen - entgegen einem Kabinettsbeschluss aus dem Jahr 2007.

Andreas Roß

Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) hat wieder einmal alle überrascht. Zu Beginn der Woche und einen Tag vor einem Treffen mit den Vertretern der vier kommunalen Spitzenverbände ließ sie verlauten, dass sie die Hilfe zur Pflege, für die bislang sowohl die sieben Bezirke als auch die 71 Landkreise und 25 kreisfreien Städte zuständig sind, künftig in einer Hand bündeln möchte. Gewiss ein etwas sperriges, aber dennoch wichtiges Thema in einem Land, in dem die Bevölkerung immer älter wird und viele Menschen im Alter zu Pflegefällen werden.

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Für die stationäre Pflegehilfe waren schon bislang die Bezirke zuständig. Jetzt sollen sie auch den Zuschlag für die ambulanten Hilfen bekommen.

(Foto: dapd)

Die Hilfe zur Pflege sieht nämlich vor, all jenen unter die Arme zu greifen, die den für sie notwendigen Pflegeaufwand nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können, weil ihre Rente zu gering ist, weil sie kein Vermögen oder keine Versicherung besitzen. Im Freistaat sind dies derzeit mehr als 30.000 Menschen, für die Bezirke, Landkreise und kreisfreie Städte zusammen etwa 360 Millionen Euro jährlich aufbringen müssen. Weil 2011 zum "Jahr der Pflege" ausgerufen wurde, will Ministerin Haderthauer

die schon seit Jahren offene Frage, wer von den Kommunen künftig allein für die Pflegehilfe zuständig sein soll, bis Jahresende abschließend beantwortet haben.

Der überraschende Vorstoß von Haderthauer hätte wohl weniger Wellen geschlagen, wenn es da nicht eine Vorgeschichte gegeben hätte. Schon seit 2005 ging die Diskussion darum, wie die Zuständigkeiten in der ambulanten und stationären Sozialhilfe neu geordnet werden sollen. Es ging darum, möglichst effiziente und bürgernahe Lösungen zu finden. Im Juni 2007 schien der von der Staatsregierung in Abstimmung mit den vier kommunalen Spitzenverbänden angestrebte Konsens dann endlich gefunden zu sein. Das Kabinett, damals noch mit Sozialministerin Christa Stewens (CSU), beschloss, die stationäre und ambulante Eingliederungshilfe für Behinderte bei den Bezirken zu bündeln. Im Gegenzug sollte den kreisfreien Städten und Landkreisen die volle Zuständigkeit bei der Hilfe zur Pflege gegeben werden.

Das hat auch Jakob Kreidl so miterlebt. Er war damals noch Abgeordneter der CSU-Landtagsfraktion. Heute ist der Landrat von Miesbach und Vorsitzender des bayerischen Landkreistages und als solcher von Haderthauers Vorstoß kalt erwischt worden. Er widersprach seiner Parteifreundin sofort: "Den Menschen in Not soll schnell Hilfe zukommen. Das soll möglichst vor Ort erfolgen", weshalb Kreidl sich vehement für die Bündelung der Pflegehilfe bei den Landkreisen und kreisfreien Städten aussprach.

"Eine komplette Kehrtwende gegenüber früheren Absichtserklärungen"

Hans Schaidinger (CSU), Oberbürgermeister in Regensburg und Vorsitzender des bayerischen Städtetags, ging die Ministerin sehr viel heftiger an. "Dies ist eine komplette Kehrtwende gegenüber früheren Absichtserklärungen und somit ein Wortbruch gegenüber unserer Vereinbarung von 2007", giftete Schaidinger. Er fühlte sich von Haderthauer auch deshalb düpiert, weil Städte und Landkreise ihren Teil der Vereinbarung bereits erfüllt haben: Die Zuständigkeit für die ambulante Eingliederungshilfe für Behinderte ist bereits zum 1. Januar 2008 von der Kreis- auf die Bezirksebene übertragen worden - also vom örtlichen auf den überörtlichen Träger der Sozialhilfe.

Ganz anderes im Hinterkopf?

Manfred Hölzlein, der Chef des Verbandes der Bezirke, ist natürlich froh, dass die Ministerin mit der Bündelung der Hilfe zur Pflege zur Stärkung seiner kommunalen Ebene beitragen will, wenngleich er nach eigenem Bekunden "auch mit dem Status quo" hätte leben können. Hölzlein hält Haderthauers Vorhaben auch aus grundsätzlichen Erwägungen für richtig: "Es wäre dann künftig alles in einer Hand, Verschiebebahnhöfe zwischen den verschiedenen Sozialhilfeträgern würde es nicht mehr geben." Im Hintergrund hält sich jedoch hartnäckig die Spekulation, Haderthauer habe bei ihrem überraschenden Vorstoß ganz anderes im Hinterkopf gehabt.

Denn Haderthauer braucht die Bezirke, weil sie psychisch kranke Straftäter, die nach Ablauf ihrer Strafe und Sicherungsverwahrung weiter in staatlichem Gewahrsam bleiben sollen, in der Forensik der Bezirksklinik Straubing unterbringen möchte. Gegen diese Vorgabe nach dem geplanten Therapie und Unterbringungsgesetz (ThUG) wehren sich Bayerns Bezirke vehement. Haderthauer könnte nun versucht sein, den Widerstand der Bezirke mit einem Zugeständnis bei der Hilfe zu Pflege zu brechen, hört man.

Bezirke-Chef Hölzlein will davon nichts wissen und Ministerin Haderthauer hüllt sich auf Anfrage der SZ dazu in Schweigen. Statt dessen erklärt die Ministerin, dass Landkreise und Städte über viele Jahre die Möglichkeit gehabt hätten, die Betreuungsmöglichkeiten in der Eingliederungshilfe und die ambulante Hilfe zur Pflege auszubauen. Diese Chance sei aber "nur unzureichend genutzt worden", sagt Haderthauer.

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