ConSozial in Nürnberg:Roboter in der Pflege: Horrorvision oder Innovation?

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Pflegeroboter wie der kleine "Pepper" können mit Bilderrätseln und Spielen auch demenzkranke Seniorenheimbewohner sinnvoll beschäftigen. (Foto: Marien Gesellschaft)

Die Digitalisierung macht vor sozialen Einrichtungen nicht Halt. Auf der Sozialmesse ConSozial in Nürnberg geht es darum, wie man die Zukunft würdevoll gestalten kann.

Von Dietrich Mittler, München

Justin wird sich kaum den Kopf darüber zerbrechen, ob sein Einsatz im Altenheim ethisch vertretbar ist. Justin ist ein Roboter, entwickelt vom Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Und wie andere Robotermodelle soll er in Zukunft dabei mithelfen, Pflegekräfte zu entlasten. Auch alten Menschen könnte er beistehen, die trotz körperlicher Einschränkungen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben möchten. Für die einen ist das eine segensreiche Innovation, andere sehen darin eher eine Horrorvision. Die Digitalisierung macht vor sozialen Einrichtungen nicht Halt - und genau das ist das Thema der diesjährigen ConSozial, der größten Sozialmesse im deutschsprachigen Raum.

Am Mittwoch und Donnerstag kommen in Nürnberg Sozialexperten, Vordenker und Führungskräfte sowie auch viele junge Menschen zusammen, die sich für eine berufliche Zukunft in der Sozialbranche interessieren. Mit mehr als 6000 Fachbesuchern wird gerechnet. Wie die Jahre zuvor werden wieder zahlreiche Software-Entwickler versuchen, die Entscheider der Sozial-Einrichtungen davon zu überzeugen, dass ihr Produkt die Arbeit am hilfsbedürftigen Menschen viel effektiver gestaltet.

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"Digitalisierung lässt sich nicht weghoffen. Sie dringt auch in die letzten Winkel sozialer Dienstleistungen vor", sagt etwa Helmut Kreidenweis von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, einer der Fachreferenten auf der ConSozial. Dem ließe sich die in eine Frage gepackte These eines anderen Referenten entgegenstellen: "Digitalisierung und Ethik: genial - digital - katastrophal?" Die Organisatoren der Messe sind offenbar optimistisch. Sie stellen die zwei Messetage unter das Motto "Digitalisierung menschlich gestalten". Auch Sozialministerin Kerstin Schreyer, die die ConSozial am Mittwoch eröffnen wird, sieht in der Digitalisierung positives Potenzial. Grundvoraussetzung: "Die Würde des Einzelnen muss unantastbar bleiben."

Gerade ältere Menschen auf dem Land könnten von den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung profitieren, sind sich einige der auf der ConSozial vertretenen Fachleute einig. Gleiches gelte aber auch für Menschen mit Behinderung, die trotz schwerster Einschränkungen willens sind, sich im Berufsleben zu behaupten. Der österreichische Unternehmer Gregor Demblin ist da aus Sicht der Messeveranstalter "ein leuchtendes Beispiel". Demblin, seit einem Badeunfall im Jahr 1995 vom fünften Halswirbel an querschnittsgelähmt, führt mit seiner "myAbility Social Enterprise GmbH" eines der erfolgreichsten Sozialunternehmen Europas. "Wir können es uns auf Dauer nicht leisten, 15 Prozent der Menschen in unserer Gesellschaft außen vor zu lassen", ist eine seiner Botschaften, die er mit zur ConSozial bringt. Spezielle Soft- und Hardware-Komponenten könnten dabei mithelfen, sowohl aus Mitarbeitern mit Behinderung als auch aus den Unternehmen, die sie beschäftigen, eine Gemeinschaft von Gewinnern zu machen.

Besucher, die bereits oft auf der ConSozial waren, suchen sie schon gar nicht mehr, diese bärtigen Sozialarbeiter und Sozialpädagogen, die in den Anfangsjahren noch häufig auf der Messe auftauchten. Aber ja, es gibt sie noch - wenn auch inzwischen Hipster-Accessoires an ihnen zu entdecken sind. Benedikt Geyer wäre da so ein Beispiel dafür. Er produziert Podcasts über Themen, die ihm in seinem Berufsleben als Sozialarbeiter begegnen.

"Irgendwas mit Menschen" hat er sein Podcast-Programm betitelt. Er sei halt ein "medienaffiner Digital Native", beschreibt er sich selbst. Und Podcasts - dabei handelt es sich um eine Serie abonnierbarer Audio- und Videodateien - böten sich für die soziale Arbeit an. "Nicht nur um Menschen entgegenzukommen, die aufgrund visueller Einschränkungen keine Texte lesen können", betont er. Sie ermöglichten es auch, sich ohne Anstrengung "über die ganze Bandbreite der Sozialen Arbeit" zu informieren. Die Digitalisierung macht indes auch vor den Besuchern der ConSozial nicht halt. Zu deren Unterstützung gibt es zum ersten Mal die ConSozial-App, die unter anderem Orientierung in den Messehallen verschafft.

© SZ vom 05.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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