Duisburg, Chemnitz, Pfeffenhausen: "Auf den ersten Blick", sagt Bürgermeister Florian Hölzl am Telefon, sei diese Reihung schon "sehr überraschend". Aber sie könnte künftig häufiger erklingen. Der Markt Pfeffenhausen hat am Donnerstag den Zuschlag für ein nationales Wasserstoffforschungszentrum erhalten, neben den zwei anderen Städten - und damit 60 andere Bewerber aus ganz Deutschland ausgestochen. "Unglaublich", sagt Hölzl.
Für den 5000-Einwohner-Markt bei Landshut ist das neue "Wasserstoff-Technologie-Anwenderzentrum" (WTAZ) in der Tat eine große Nummer, eine, die bestenfalls weit ins Land strahlt. Denn Wasserstoff spielt eine wichtige Rolle bei den Plänen von Bundes- und Staatsregierung, Industrie und Verkehr grüner zu machen. Neue Kompetenzzentren sollen den Einsatz des Elements vorantreiben. Für den Standort Pfeffenhausen plant das Bundesverkehrsministerium Mittel von 100 Millionen Euro ein. Der Freistaat werde mindestens 30 Millionen Euro beisteuern, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Donnerstag im Rahmen der Bekanntgabe.

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Pfeffenhausen selbst war überregional bislang eher nicht als Wasserstoff-Hotspot bekannt. Das räumt auch Bürgermeister Hölzl ein. Trotzdem findet er die Entscheidung auf den zweiten Blick "nachvollziehbar", man habe eine "exzellente Bewerbung" abgegeben. Die wurde von einem Konsortium unterstützt, dem bayerische Firmen und Forschungseinrichtungen wie die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg angehören. Positiv wirkte sich auch die Nähe zu einem Elektrolyseur aus, der kommendes Jahr in Landshut in Betrieb gehen und grünen Wasserstoff produzieren soll. Der dazu benötigte Strom wird unter anderem aus einer in Pfeffenhausen geplanten, zwölf Megawatt starken Photovoltaik-Anlage kommen.
Von dem neuen Zentrum erhoffen sich nun viele in der Region einen Schub. Niederbayern hängt am Tropf des Autobaus. Gefühlt das halbe Land steht bei BMW in Dingolfing am Band oder verdient bei einem der zahlreichen Zulieferer sein Geld. Doch die Branche kämpft mit mehreren Herausforderungen, allen voran mit der Umstellung auf alternative Antriebe. Was daraus folgen kann, haben sie in Pfeffenhausen bereits erlebt: Im örtlichen Werk eines Zulieferers schafften in der Spitze 300 Menschen. Vergangenes Jahr machte es für immer zu.
Im WTAZ in Pfeffenhausen könnten einmal 100 Menschen arbeiten. Es soll sich, passend zum Autoschwerpunkt der Region, vorrangig mit Wasserstofflösungen im Mobilitätsbereich beschäftigen: zum Beispiel, wie sich Flüssigwasserstoff für Tankstellen am besten nutzen lässt. Das Zentrum in Chemnitz soll sich auf Straßen- und Schienenlösungen konzentrieren, das in Duisburg auf Transport und Logistik. Zusätzlich soll ein Verbund in Norddeutschland zu Anwendungen in Luft- und Schifffahrt forschen. Dass Niederbayern zufällig Heimat des für die Vergabe zuständigen Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer (CSU) ist, spielte bei dem Zuschlag "sicher keine Rolle", sagte Söder. Bis Ende des Jahres soll das Konzept näher erarbeitet werden. In "vier, fünf Jahren", so Scheuer, könnte das WTAZ einsatzfähig sein.
Man müsse "über Wasserstoffpipelines reden", sagt Söder
Bleibt die Frage, woher abseits davon die Wasserstoff-Massen kommen sollen, die für den klimafreundlichen Umbau des Landes benötigt werden. Die Landtags-Grünen loben zwar das neue Forschungszentrum und die Bemühungen der Staatsregierung. Die forschungspolitische Sprecherin Anne Frank sieht jedoch Wasserstoff nur dann als "zukunftsfähige Energiequelle, wenn für seine Erzeugung flächendeckend nachhaltige Energie aus Wind, Wasser und Sonne zur Verfügung steht". Hürden wie die 10-H-Regelung bei der Windkraft müssten daher beseitigt werden. Söder verwies am Donnerstag darauf, dass man "über Wasserstoffpipelines reden" müsse. Diese könnten Wasserstoff aus Nord- und Südeuropa nach Bayern transportieren, "Ähnliches planen wir".
Auch auf Bürgermeister Hölzl wartet nun Arbeit; das WTAZ muss in die örtliche Infrastruktur integriert werden. Allein zwölf Hektar Land hat der Markt für das künftige Wasserstoffzentrum reserviert. Viel Fläche für einen kleinen Ort. Noch im September ist deshalb eine Infoveranstaltung geplant, um etwaige Vorbehalte gegen das WTAZ und die Bebauungspläne auszuräumen. "Das ist sicher kein Raumschiff, das da entsteht", sagt Hölzl. Erst einmal aber wird im Rathaus gefeiert. Die zweite Bürgermeisterin, sagt Hölzl, habe ihm gerade ein Glas Sekt auf den Schreibtisch gestellt.