Süddeutsche Zeitung

Petting:Flüchtlinge müssen in marodes und abgeschiedenes Haus umziehen

  • Das Landratsamt Traunstein bringt Flüchtlinge in einem maroden Haus im abgeschiedenen Kühnhausen unter.
  • Die Asylbewerber wehren sich. Das Landratsamt argumentiert mit der Kostenersparnis.

Die Lage könnte besser kaum sein, für ein Ferienhaus zum Beispiel oder für ein Schullandheim. Ein großes Grundstück direkt am Waginger See, alte Bäume, Alpenkulisse, direkt nebenan das Strandbad Kühnhausen. Doch die Männer, die vor der Einfahrt Fußball spielen, sind nicht freiwillig hier. Die Asylbewerber haben sogar viele Tage und Nächte auf dem Dorfplatz im 30 Kilometer entfernten Bergen verbracht, um nicht von dort hierher ins abgeschiedene Kühnhausen verlegt zu werden. Seit zwei Wochen sind 17 Männer doch da, aber aufgegeben haben sie nicht.

Der Anwalt, den ihnen ihre Freunde und Flüchtlingshelfer aus Bergen besorgt haben, fährt gerade vom Gelände, er winkt ihnen aus dem Auto zu. Zur Gegenseite, dem Landratsamt Traunstein, ist er weniger freundlich, er hat 17 Dienstaufsichtsbeschwerden formuliert und überlegt nun, ob sich über das Mietrecht noch etwas machen lässt. Denn so idyllisch das Haus liegt, so marode ist es. Die Gemeinde Petting hat es vor einigen Jahren geerbt und es zuletzt für fast 100 000 Euro so weit instand setzen lassen, dass sie es dem Landkreis Traunstein auf fünf Jahre als Flüchtlingsunterkunft vermieten kann.

Die Heizanlage schimmert zwar nagelneu, auch Leitungen wurden verlegt. Doch um den Riss zu beseitigen, der sich seitlich durch das Gebäude aus den Dreißigerjahren zieht, hat das Geld zum Beispiel nicht mehr gereicht. Unter der frischen Farbe bei den neu ins Gebäude gezimmerten Toilettenkabinen kommt sichtlich der Schimmel durch. Da soll es jetzt Gutachten geben, also weitere Argumente gegen das Landratsamt.

Der Landkreis spart 18 000 Euro im Monat

Dessen Hauptargument sind dagegen die Unterbringungskosten. 18 000 Euro spare sich der Kreis hier in Kühnhausen jeden Monat im Vergleich zu dem früheren Gasthof in Bergen, in dem die Männer zuvor gewohnt haben, sagt Landrat Siegfried Walch (CSU).

Die Proteste der Männer, überwiegend Senegalesen, die kaum Chancen auf einen Asylstatus in Deutschland haben, verschlechtern Walch zufolge das gesellschaftliche Klima für wirklich an Leib und Leben bedrohte Flüchtlinge, zu denen der Landrat die Senegalesen nicht zählt.

Die Bergener Helfer werfen Walch dagegen vor, dass er im Dorf und an verschiedenen Arbeitsplätzen vorbildlich integrierte Menschen aus ihrem Umfeld reiße, soziale Folgekosten ignoriere und gar nicht über einen Mietnachlass für den Gasthof habe verhandeln wollen. Lieber würden die Männer an einen Ort geschickt, von dem sie drei Kilometer ins nächste Dorf mit dem nächsten Geschäft zurücklegen müssten. Dort in Petting gehören sie mit ihren Fahrrädern aber inzwischen schon fast zum Ortsbild, heißt es aus dem Rathaus.

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SZ vom 23.06.2016 / kpf/mkro
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