Süddeutsche Zeitung

Petition:Depressionen in den Lehrplan

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Schüler erzwingen mehr Einsatz gegen psychische Erkrankungen

Von Jasmin Siebert, München

Die Aufklärung über Depressionen, Angststörungen und andere psychische Erkrankungen soll in den Lehrplan. Das haben sich Gymnasiasten aus Unterhaching vorgenommen und dafür in einer Onlinepetition mehr als 42 500 Unterschriften gesammelt. Ihre Petition hat der Bildungsausschuss des Landtags am Donnerstag einstimmig angenommen und "mit Würdigung" an die Staatsregierung überwiesen. Das ist selten und bedeutet, dass sich die Staatsregierung nun eingehend mit dem Thema beschäftigen muss. Nicht einmal ein Prozent aller Petitionen wurden in der vergangenen Wahlperiode mit diesem wohlwollenden Prädikat versehen. Damit stehen die Chancen gut, dass psychische Krankheiten künftig als verpflichtende Inhalte in die Lehrerausbildung und in den Lehrplan aufgenommen werden.

"Betrachten Sie sie als Schulklasse", sagte Luca Zug, ein 18-jähriger Abiturient aus Taufkirchen im Ausschuss, und deutete auf seine 17 Mitschüler und Mitpetenten auf den Gästeplätzen. Statistisch gesehen seien zwei von ihnen depressiv. Obwohl Suizid bei Jugendlichen zu den häufigsten Todesursachen zählt, sei das Thema noch immer ein Tabu. Deswegen forderte Zug: "Jeder Schüler sollte nach der Mittelstufe wissen, was eine Depression ist."

Max Deisenhofer von den Grünen, der als Berichterstatter die Forderungen der Schüler vortrug, zeigte sich beeindruckt vom Engagement der Schüler. Diese hätten mit ihrem Wunsch nach mehr Wissen und Sensibilisierung einen wunden Punkt getroffen. Gabi Schmidt (Freie Wähler) sagte, dass neben Lehrern und Schülern auch Eltern sensibilisiert werden müssten. Denn diese wollten es oft nicht wahrhaben, wenn ihr Kind psychisch erkrankt ist.

Die Gymnasiasten hatten in den vergangenen Wochen bereits mit ihrem Dokumentarfilm "Grau ist keine Farbe" über an Depressionen erkrankte Jugendliche Aufmerksamkeit erregt. Zudem hatten sie Gespräche mit Vertretern aller Parteien geführt. Diese äußerten sich dann auch allesamt positiv: Von einer "Bilderbuchpetition" sprach Matthias Fischbach (FDP) und machte auf Schwachstellen des am Dienstag eilig vorgelegten Zehn-Punkte-Plans von Kultusminister Michael Piazolo (FW) aufmerksam. So sei die Lektüre des "Werthers", 1774 erschienenen, als "Anknüpfungspunkt", um im Unterricht über Suizidalität zu sprechen, nicht ausreichend. Auch gebe es zu wenige Schulpsychologen. Die CSU entgegnete, dass bereits eine Aufstockung geplant sei, diese jedoch von der Genehmigung des Haushalts abhänge.

Die Schüler selbst beurteilen einige Punkte Piazolos als "ausbaufähig". Dass "Maßnahmen zur Stärkung der Persönlichkeit" vorgesehen seien, zeige, dass im Kultusministerium ein mangelndes Verständnis für Depressionen vorhanden sei. Denn die Krankheit könne auch bei einer starken Persönlichkeit ausbrechen. Im Umgang mit Depressionen müssten nicht nur Referendare geschult werden, sondern auch ältere Lehrer. Luca Zug sagte, er fände es am besten, wenn es künftig in der achten und neunten Klasse verpflichtende Informationsveranstaltungen ähnlich wie bei der sexuellen Aufklärung gäbe, zu denen Experten von außen eingeladen werden. Zug und seine Mitstreiter werden davon allerdings nicht mehr profitieren. Für sie stehen in den kommenden Tagen die mündlichen Abiturprüfungen an.

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Quelle:
SZ vom 10.05.2019
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