Peter Gauweiler scheitert beim CSU-Parteitag:Abrechnung mit dem Unberechenbaren

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Pleite für den Provokateur: Peter Gauweiler wollte die CSU als Vizechef in die glorreiche Vergangenheit und zu alter Stärke zurückführen. Doch auf dem Nürnberger Parteitag setzt sich Bundesverkehrsminister Ramsauer im direkten Duell durch - weil er verspricht, im Kabinett für Bayerns Belange zu kämpfen und im Hintergrund Strippen gezogen wurden. Der Euro-Skeptiker Gauweiler ist "natürlich enttäuscht" und erweist sich doch als Verlierer mit Manieren.

Birgit Kruse, Nürnberg

Eine Bitte zum Schluss hat Peter Gauweiler dann noch. Man möge Parteitage doch künftig nicht fünf Tage nach dem Oktoberfest abhalten. Gauweiler ist erkältet und wirkt ein bisschen erschöpft, als er dieses Anliegen vorbringt. Die Lacher sind ihm sicher. Die Mehrheit der Delegiertenstimmen jedoch nicht.

Am Ende hat sich die Stimmung gegen ihn gedreht: Der bekennende Euro-Skeptiker Peter Gauweiler bei seiner Bewerbungsrede auf dem Nürnberger Parteitag. (Foto: AFP)

Einzelabstimmungen über die vier Posten der stellvertretenden Parteichefs sollten ein klares Ergebnis bringen. Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Justizministerin Beate Merk und Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt haben keine Gegenkandidaten; nur Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer wird von Gauweiler herausgefordert. Am Ende ist das Ergebnis denkbar knapp. 419 Delegierte stimmen für den bekennenden Euro-Skeptiker Gauweiler, 440 für Peter Ramsauer. Vor ein paar Wochen hätte noch kaum ein Christsozialer dieses Ergebnis erwartet.

Als Gauweiler am 12. September 2011 seine Kandidatur bekannt gab, ging eine Welle der Euphorie durch die Partei. Mit Gauweiler wollte einer mitspielen, der für die wertkonservative CSU steht und damit für viele, die sich in den letzten Jahren vernachlässigt fühlen. Er propagiert ein Europa der Regionen und fordert ein Ende der Milliardenhilfen für Griechenland. Den Delegierten hat dies nicht gereicht.

Dabei gilt sein Konkurrent Peter Ramsauer vielen in der Partei als spröde, als einer, der die Leute nicht einfangen kann. Er sei einfach kein Bierzelt-Typ, sagt ein CSU-Mitglied. Gauweiler ist das Gegenteil. Problemlos füllt der 62-Jährige Bierzelte auch ohne Spitzenamt. Er ist bekannt und nicht wenige wählen die CSU wegen ihm. Das Duell gipfelt in den Reden der beiden. Als erstes tritt Gauweiler ans Rednerpult. Seine Strategie: das Zwiegespräch mit dem Parteivorsitzenden. Anzubieten habe er nichts, "keinen einzigen Kilometer", sagt Gauweiler bescheiden und spielt damit auf Ramsauer an, der als Bundesverkehrsminister ein Milliardenbudget verwaltet.

Gauweiler will CSU zurück zu alter Stärke führen

Dafür könne er einen Beitrag leisten, dass die CSU wieder an die Vergangenheit anknüpfen kann, argumentiert Gauweiler. An Zeiten also, in denen der Partei Wahlergebnisse von mehr als 50 Prozent der Stimmen ebenso sicher waren wie die Alleinherrschaft im Freistaat.

Seehofer sitzt ihm genau gegenüber. Immer wieder nickt er, wenn Gauweiler ihn direkt anspricht, ab und an huscht ein Lächeln über Seehofers Gesicht. Doch was er wirklich über all das denkt, was er hört, verraten seine Gesichtszüge nicht. Während der Parteirebell spricht, wartet Seehofer auf sein eigenes Wahlergebnis. Die 89,9 Prozent, die es am Ende sein werden, sind respektabel, aber deutlich entfernt von den Resultaten eines Edmund Stoibers oder Franz Josef Strauß. Nur bei einem Satz scheint der Funke überzuspringen. Gauweiler möchte Seehofer unterstützen - "von Außenseiter zu Einzelkämpfer", wie er betont.

Sein Image als Außenseiter pflegt Gauweiler in der Tat. Zwar sitzt der Jurist seit 2002 für die CSU im Bundestag. Doch mit seinen Positionen, die nicht immer der Linie der Partei entsprechen, eckt er bei der christsozialen Führung immer wieder an: 2003 stimmte er als erstes Mitglied der Unionsfraktion gegen den Irak-Krieg. Dann sorgte er vor allem durch zahlreiche Verfassungsklagen - etwa gegen den Lissabon-Vertrag, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr oder zuletzt gegen den Euro-Rettungsschirm - für Schlagzeilen.

Und auch mit seiner Kandidatur für den Stellvertreterposten im Parteivorstand, die das nach Geschlechtern und Regionalproporz sorgsam ausgeklügelte Personaltableau durcheinander brachte, polarisierte er - am Ende zu sehr. Denn die Stimmung hat sich gedreht. Einige sagen, dies sei in den letzten Wochen geschehen, andere sehen die Europa-Abstimmung am Vortag als Wendepunkt. Zuletzt wurde viel telefoniert, um Stimmen für Ramsauer zu sammeln. Es sei schlecht für die Partei, einen Bundesminister zu beschädigen, wurde argumentiert - offenbar mit Erfolg. Gauweiler konnte auch nicht mit seinem Ziel überzeugen, die Kluft zwischen den "Bürgern und der politischen Klasse" zu schließen.

Gratulation nach der Kampfabstimmung: Peter Gauweiler gratuliert Peter Ramsauer. Der Bundesverkehrminister bleibt stellvertretender CSU-Vorsitzender. (Foto: dpa)

Wenige Minuten dauert die Bewerbungsrede von Gauweiler. In dieser Zeit sitzt Ramsauer konzentriert in der ersten Reihe und hört zu, den Kopf in Denkerpose auf die linke Hand gestützt. Im Vorfeld hatte er immer wieder beteuert, nicht nervös zu sein. Selbst als Zehnjähriger vor seinem ersten Klaviervorspiel sei er kaum aufgeregt gewesen. Nervös wirkt er trotzdem, an diesem Samstag in Nürnberg.

In den wenigen Minuten seiner Rede zielt er immer wieder auf seinen Posten im Kabinett Merkel ab. "Mit Leib und Seele" sei er Verkehrs- und Bundesminister, beteuert Ramsauer. Er wisse, dass das stärkste Bundesland auch die stärkste Verkehrsinfrastruktur brauche. Deswegen mache er sich "Projekte auch zur persönlichen Verpflichtung". Außerdem wisse er um die Bedürfnisse der Städte und Kommunen.

Die Botschaft liegt auf der Hand: Ramsauer ist der Mann, der sich im Bund für die Belange des Freistaates einsetze. Eine Stimme für ihn diene also den bayerischen Interessen. Für diesen Unterstützer haben sich die Delegierten entschieden. Verpassten sie ihm vor zwei Jahren mit 78,9 Prozent ein schlechtes Ergebnis, setzen sie nun auf ihn.

Verlierer mit Manieren

Doch Gauweiler ist ein Verlierer mit Manieren. Als das Ergebnis verkündet wird, steht er wortlos auf, lässt die Reporterarmada, die sich vor ihm aufgebaut hat, stehen, und strebt Richtung Ramsauer, um ihm zu gratulieren. Am Vorstandstisch schiebt er sich an Parteichef Horst Seehofer vorbei. Der lässt seinen Blick Gauweiler folgen, wenig später schiebt sich Gauweiler zurück, es fällt kein Wort zwischen den beiden.

Natürlich sei er "ein bisschen enttäuscht, das ist doch klar", gibt Gauweiler zu und verweist gleich darauf, wie knapp es war. "Der hat gewonnen, ich hab verloren, man nennt das Demokratie." Weitere Konsequenzen will Gauweiler nicht ziehen und die Frage, ob aus der Parteiführung verdeckt gegen ihn gearbeitet worden ist, lässt er ein kleines bisschen offen: "Das will ich nicht unterstellen."

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