Süddeutsche Zeitung

Forschungszentrum in Penzberg:Im Nonnenwald wird bald gegen Pandemien gekämpft

Die Fraunhofer-Gesellschaft will in Penzberg ein Forschungszentrum errichten, um Strategien gegen künftige Pandemien zu entwickeln. Bund und Freistaat investieren kräftig.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Die Corona-Pandemie hat es noch einmal deutlich gemacht: Die Wissenschaft muss viel Zeit in die Erforschung solcher Infektionskrankheiten und deren Bekämpfung stecken. Um in Zukunft besser aufgestellt zu sein, plant die Fraunhofer-Gesellschaft nun ein neues Institut für Immun-, Infektions- und Pandemieforschung in Penzberg. Auf einer 10 000 Quadratmeter großen Industriefläche im Nonnenwald soll ein Neubau entstehen. Der Baubeginn ist noch offen. Aber in spätestens drei Jahren sollen die Wissenschaftler mit ihrer Arbeit beginnen.

Die Runde, die am Dienstag bei einer Pressekonferenz in der Penzberger Stadthalle Näheres zum neuen Pandemieforschungszentrum berichtete, war hochkarätig besetzt. Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, und Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) waren sich einig, dass mit dem geplanten Institut die Stadt Penzberg zu einem bundesweit wichtigen Standort für Immunologieforschung avanciere.

Geboren wurde die Idee für das Forschungszentrum im vergangenen Jahr, als das Penzberger Roche-Werk einen neuen Covid-19-Antikörpertest vorstellte. Bei diesem Launch anwesend war auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der die Pläne für die Infektions- und Pandemieforschungseinrichtung sogleich öffentlich machte. Kaum ein halbes Jahr später hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags 40 Millionen Euro Förderung für das Projekt bewilligt. Der Freistaat wird etwa die gleiche Summe beisteuern, zehn Millionen sind schon fest zugesagt.

Dass Forschung stets Geld koste, darauf wies Reimund Neugebauer hin, der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, die als Betreiber fungieren soll. Ohne finanzielle Unterstützung seien keine neuen Erkenntnisse möglich, so Neugebauer. Daher galt sein Dank insbesondere Dobrindt, der sich für das Projekt in Berlin eingesetzt hatte. Neugebauer nannte Penzberg ein "zukünftiges Gravitationszentrum". Die Stadt werde bald in einem Atemzug mit Hamburg, Potsdam und Berlin genannt. Dort betreibt Fraunhofer weitere Einrichtungen: In Hamburg liegt der Schwerpunkt auf der Erforschung immunologischer Biomarker; Allergologie ist Forschungsgegenstand in Berlin; und in Potsdam dreht sich alles um digitale Diagnostik, also um die telemedizinische Breitenversorgung der Zukunft.

In Penzberg soll die immunologische Infektions- und Pandemieforschung beheimatet werden. Die Experten hoffen, neue Produkte entwickeln zu können, die Pandemien beherrschbar machen. An der Seite der Fraunhofer-Gesellschaft steht die Medizinische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Ihr Prodekan Thomas Gudermann, zugleich Vorstand des Walter-Strauß-Instituts, betonte, dass das Vorhaben nicht am Enthusiasmus seiner Fakultät scheitern werde. Die geplante Einrichtung im Nonnenwald werde ein national und international sichtbarer Forschungsstandort. Die Corona-Pandemie habe die Gesellschaft "schmerzlich" erfahren lassen, wie dringend tiefer gehende Einblicke in Infektionskrankheiten seien. Das Klinikum der LMU, die zweitgrößte universitäre Einrichtung dieser Art in Deutschland, verfüge über die nötige Expertise, sich an den bevorstehenden Aufgaben zu beteiligen, so Gudermann.

Gleiches gilt für das Pharmaunternehmen Roche, mit dem die Fraunhofer-Gesellschaft und die LMU kooperieren möchten. Für das Penzberger Werk, neben dem das Forschungsinstitut gebaut wird, sei das neue Forschungscluster wichtig, weil es die Position des Standorts im konzerninternen Wettbewerb stärke. "Es geht auch um das Renommee in der internationalen Wissenschaftsszene", sagte Claus Haberda, Geschäftsführer von Roche-Diagnostics. Neugebauer rechnet damit, dass sich weitere Firmen, insbesondere Start-ups ansiedeln werden.

Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der drei Partner soll die Ausrichtung des Pandemieforschungszentrums festlegen. Im Anschluss werden die Pläne für den Neubau gemacht. Ob das Fraunhofer-Institut die gesamten 10 000 Quadratmeter brauchen wird, sei noch offen, sagte Bürgermeister Korpan. Die Stadt werde das Grundstück jedenfalls an die Gesellschaft verkaufen. 50 Wissenschaftler (Mediziner, Mikrobiologen und IT-Experten) sollen laut Neugebauer in Penzberg arbeiten. Damit die Wissenschaftler nicht erst in drei Jahren im Nonnenwald loslegen können, bietet Roche vorab Büroflächen und auch Laborkapazitäten an.

Korpan nannte das neue Forschungszentrum einen Gewinn für die gesamte Region, vor allem in Bezug auf Image und Arbeitsplätze. Penzberg biete in jeglicher Hinsicht optimale Bedingungen: "Da können auch Wissenschaftler mit ihren Familien gut leben."

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SZ vom 20.01.2021/vewo
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