Süddeutsche Zeitung

Peinlichkeiten der CSU:Augsburger Glatteis

Oberbürgermeister Kurt Gribl und seine Stadt-CSU schlittern von einer Blamage zur nächsten - und machen keine Anstalten, irgendwas zu ändern.

Stefan Mayr

Dönerverbot, Stadtbad, Staats- und Stadtbibliothek. Diese verheerenden Fehlentscheidungen der Augsburger Stadtregierung wurden durch Bürgerproteste oder Gerichtsurteile revidiert.

Doch die CSU will aus ihren Pannen nicht lernen. Stattdessen schlittert sie von einer Peinlichkeit zur nächsten, jüngstes Beispiel ist das Fiasko beim Umbau des Eishockey-Stadions.

Die Fans sehen nicht aufs Eis, und bei der Aufarbeitung der Ursachen tritt - wieder einmal - eine Intransparenz zu Tage, die zwangsläufig den Verdacht auf Mauschelei aufkommen lässt.

Die Stadtregierung steht in der Öffentlichkeit so schlecht da wie nie zuvor. Eine Bestandsaufnahme.

Die Diskussion im Stadtrat über die schlechten Sichtverhältnisse auf der Baustelle des Curt-Frenzel-Stadions glich einer Farce. Der Architekt wich den meisten Fragen aus, bis er irgendwann den Grund des Ärgers eingestand: Die Fans sehen deshalb nichts, weil die jetzigen Tribünen darauf ausgerichtet sind, dass im nächsten Jahr die Eisfläche um etwa einen Meter angehoben werden muss. Diese Anhebung sei von vornherein klar gewesen, beteuerte der Architekt.

Doch bis zuletzt wussten von ihr weder der Sportreferent noch der Stadtrat - und natürlich auch nicht die Fans. Warum? Auch das weiß keiner. Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) blockte alle Fragen ab - und öffnete damit Spekulationen Tür und Tor. Gribl vertröstete beharrlich auf ein Gutachten, das den Zustand im Stadion klären soll. Aber wer braucht ein teures Gutachten, wenn die Planer ohnehin einräumen, dass die Eisfläche schlichtweg einen Meter zu tief liegt, um eingesehen werden zu können?

Der Ärger über das Baureferat und die städtischen Wohnungsbaugesellschaft ist groß. Sogar aus CSU-Kreisen heißt es: "Die Verwaltung übergeht den Souverän Stadtrat." Dass OB Gribl die Beteiligten in Schutz nimmt, kann sich am 21.November als Eigentor erweisen.

Dann findet der Bürgerentscheid über sein Verkehrs-Großprojekt Mobilitätsdrehscheibe statt. Schon jetzt prophezeien viele Beobachter, dass diese Abstimmung eine Abrechnung mit dem Chaos in der Stadtregierung werden könnte.

Große Unruhe in der CSU herrscht, seit der Chef des JU-Bezirks Augsburg die Konzession für eine der größten Diskotheken der Stadt erhielt. Der künftige Betreiber ist hauptberuflich Rechtsanwalt. Seine bisherige Qualifikation als Wirt besteht darin, dass er in jenem Club zuvor als Betriebsleiter tätig war - und dieser dann pleite ging.

Später war der JU-Vorsitzende als Anwalt mit dem Insolvenzverfahren befasst. Nun bekam er - trotz anderer Bewerbungen von erfahrenen und bekannten Gastronomen - die Konzession. Und das, obwohl er bereits zweimal wegen Trunkenheit am Steuer auffällig war.

Am 13. Oktober wurde er wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Er hatte in einer Sommernacht mit 0,67 Promille im Blut einen Unfall verursacht.

Politische Konsequenzen hatte das bislang nicht. Im Gegenteil: Der JU-Chef wird von der CSU geschützt, weil er als Hoffnungsträger gilt.

Wirtschaftsreferent Andreas Bubmann übernahm vor zwei Jahren das teuer aufgemotzte "Super-Referat" und wurde als Heilsbringer für den Standort Augsburg präsentiert.

Doch dann geriet er unter Beschuss. Inzwischen ist er seit Monaten krank geschrieben. OB Gribl hat per Verfügung die Verwaltungsangestellte Eva Weber an die Spitze gehievt, eine Tochter des Ex-CSU-Staatssekretärs Alfons Zeller.

Auch hiervon erfuhr der Stadtrat erst nachträglich.

Ob und wann Bubmann in sein Büro zurückkehrt, ist nach wie vor offen. Die Stadt lässt ihn jetzt von einem Amtsarzt auf seine Dienstfähigkeit untersuchen.

Bernd Kränzle, der Chef der CSU-Stadtratsfraktion, ist umstrittener denn je. Kürzlich hat das Regierungsbündnis von CSU und Pro Augsburg seine Mehrheit im Stadtrat verloren. Entsprechend geschwächt ist Kränzles Position.

Viele CSU-Stadträte sagen: "Wir hätten gerne einen anderen Chef, aber es bietet sich keine Alternative an." Bei der nächsten Wahl 2014 ist Kränzle 70 Jahre alt. Er hält sich eine Kandidatur offen und denkt nicht einmal daran, einen Nachfolger aufzubauen.

Wie wenig er seine Fraktion im Griff hat, zeigt sich an den Informationsständen der CSU zum Bürgerentscheid, in dem es um Gribls politisches Schicksal geht: Meist steht der OB alleine da.

Die einzigen Unterstützer sind die Leute von Pro Augsburg. Wenigstens auf die kann sich Gribl verlassen.

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SZ vom 30.10.2010/olkl
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