Peggy und NSU:Anwältin von Peggys Mutter: "15 Jahre zurückversetzt"

Anwältin äußert sich im Fall Peggy

Die Anwältin von Peggys Mutter spricht auf einer Pressekonferenz im Rathaus von Wettin in Sachsen-Anhalt.

(Foto: dpa)
  • Im Fall der vor 15 Jahren verschwundenen Peggy erhärtet eine frühere Spur den Verdacht rechtsextremer Verstrickungen: Nach Bild-Informationen erhielt Peggys Mutter damals einen rechten Hass-Brief.
  • Ein Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Bayreuth bestätigt die Existenz eines solchen Briefes unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen allerdings nicht.
  • Peggys Mutter nimmt erstmals über ihre Anwältin öffentlich Stellung zu den neuen Geschehnissen.

Die neuesten Entwicklungen im Fall der getöteten Peggy und mögliche Verbindungen zum terroristischen NSU haben deren Familie in die Zeit vor 15 Jahren zurückversetzt. "Darüber war Peggys Mutter sehr ergriffen und bestürzt", sagte deren Rechtsanwältin Ramona Hoyer am Montag in Wettin in Sachsen-Anhalt. "Gefühlsmäßig ist es, als seien die 15 Jahre nicht geschehen, als sei es tagaktuell."

Alle hätten die Hoffnung gehabt, dass der Fund von Peggys Leiche Fragen beantworten kann. "Jetzt sind einige Antworten da, von denen wir nicht wissen, ob sie aufzeigen, was tatsächlich passiert ist." Aber es seien Ansätze, sagte Hoyer.

In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass am Fundort der Leiche des kleinen Mädchens in Thüringen auch Genmaterial des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt gefunden wurde. Es stelle sich nun die Frage, wann Peggy "nach Hause" kommen könne und ihr Leichnam für eine Beerdigung freigegeben werde, so Hoyer. Die Neunjährige aus dem oberfränkischen Lichtenberg war 2001 verschwunden. Fast genau 15 Jahre später, im Juli dieses Jahres, fand ein Pilzsammler ihre sterblichen Überreste im Wald.

Ob es tatsächlich einen an Peggys Mutter adressierten "Hassbrief" aus der Neonaziszene gibt und das die Verbindung zum NSU ist, wollte Hoyer weder dementieren noch bestätigen. Das hatte die Bild-Zeitung zuvor berichtet. Der Zeitung zufolge habe die Mutter wenige Tage nach dem Verschwinden des Mädchens im Mai 2001 ein anonymes Schreiben erhalten, das laut einem Aktenvermerk der damaligen Soko Peggy beleidigend und "offensichtlich von einem äußerst rechts orientierten Menschen" verfasst wurde. Ein Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Bayreuth bestätigte die Existenz eines solchen Briefes unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht. Es werde nach wie vor in alle Richtungen ermittelt.

Anwältin Hoyer bestätigte hingegen, dass der damalige Lebensgefährte der Mutter Türke war und ihre Mandantin sich dem Islam zugewandt habe. Sie habe auch ein Kopftuch getragen. Offen ließ die 43-Jährige, ob sie tatsächlich auch konvertiert sei. "Dazu kann ich keine Angaben machen", sagte sie.

Aktuell gebe es enge Kontakte zu den Ermittlungsbehörden und erste Verständigungen zu einer weiteren Vernehmung der Mutter. Es gebe eine Menge zu klären, sagte Hoyer, die sich bei den Medien für Diskretion bedankte. So habe es Raum für ihre Mandantin gegeben, das Neue zu verarbeiten.

Sonderkommission untersucht ungeklärte Todesfalle

Der aus Thüringen stammende Rechtsextremist Böhnhardt soll mit seinem mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos jahrelang unerkannt gemordet haben - hauptsächlich aus fremdenfeindlichen Motiven. Mundlos und Böhnhardt töteten sich laut Ermittlern im Herbst 2011 nach einem Banküberfall, um einer Festnahme zu entgehen. Ihre Begleiterin Beate Zschäpe stellte sich der Polizei. Sie steht seit fast dreieinhalb Jahren in München vor Gericht.

Vor dem Hintergrund der Ermittlungen um den Fall Peggy rollt eine neue Sonderkommission der Thüringer Polizei von diesem Montag an ungeklärte Todesfälle von Kindern neu auf. Die Gruppe habe sich konstituiert, teilte der Sprecher der Landespolizeidirektion, Jörg Schwarz, mit. Nun soll geprüft werden, ob es Parallelen zu Kindstötungen auch in Thüringen gibt. Die Rede ist von drei ungeklärten Fällen in und um Jena. In der Stadt ist das NSU-Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe aufgewachsen. Sie waren Ende der 1990er Jahre abgetaucht.

Was die DNA-Spur des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt betrifft, schließt die Staatsanwaltschaft Bayreuth eine Verunreinigung der Probe weiterhin nicht aus. Die Ermittler wollen daher den Weg der Spur genau nachvollziehen. "Wie ist sie an den Fundort gekommen und wie zur Untersuchung?", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Herbert Potzel. Es müsse zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass die DNA-Spur durch einen Zufall oder aus Versehen mit dem Fall Peggy in Verbindung gebracht wurde.

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