Süddeutsche Zeitung

Verschwundenes Mädchen:Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Soko Peggy

  • Die Staatsanwaltschaft Würzburg leitet ein Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Sonderkommission Peggy und einen Bayreuther Staatsanwalt ein.
  • Anlass dafür sind Ermittlungen der Soko Peggy im oberfränkischen Lichtenberg.
  • Die Soko hat mehreren Lichtenbergern eine Tonaufnahme vorgespielt: ein offenbar heimlich mitgeschnittenes Gespräch zwischen Ulvi K. und dessen Vater.

Von Olaf Przybilla, Würzburg/Bayreuth

Nach Strafanzeigen hat die Staatsanwaltschaft Würzburg ein Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Soko Peggy und einen Bayreuther Staatsanwalt eingeleitet. Das bestätigte der Sprecher der Würzburger Staatsanwaltschaft, Boris Raufeisen, auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung. Ermittelt wird wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Amtsträger, die ein nicht öffentlich gesprochenes Wort eines anderen aufnehmen und Dritten zugänglich machen, können mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren bestraft werden.

Auch ein zusätzliches Vorermittlungsverfahren in der Causa bestätigte Raufeisen. Demnach prüfe die Staatsanwaltschaft die Einleitung von Ermittlungen wegen möglicher Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht. Wer einen Gegenstand oder Nachrichten, zu dessen Geheimhaltung er verpflichtet ist, an andere weitergibt, kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden. Man prüfe nun, ob das Ermittlungsverfahren und das Vorermittlungsverfahren zu einem Verfahren verbunden werden, sagte Raufeisen.

Anlass der Verfahren sind Ermittlungen der Soko Peggy in Lichtenberg. Wie Herbert Potzel, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Bayreuth, bestätigt, hat die Soko mehreren Lichtenbergern eine Aufnahme aus dem Jahr 2002 vorgespielt. Zu hören ist ein offenbar heimlich mitgeschnittenes Gespräch zwischen Ulvi K. und dessen Vater. Der geistig beeinträchtigte K. war 2004 wegen Mordes verurteilt, zehn Jahre später aber freigesprochen worden. Für diese Aufnahme habe eine richterliche Genehmigung vorgelegen, sagt Potzel. Auch habe es durch das Vorspielen des Bandes an Dritte seiner Überzeugung nach "keine Verstöße" gegeben. Beweismittel für Ermittlungen zu verwenden, sei zulässig.

Holger Knüppel, der Bürgermeister von Lichtenberg, gehört zu jenen, denen das Band vorgespielt wurde. Knüppel war mit dem Verfahren Peggy bislang nur ganz am Rande beschäftigt. Im SZ-Gespräch hatte er sich kürzlich irritiert gezeigt über das Vorgehen der Soko Peggy. Ein offenbar abgehörtes Gespräch zwischen einem Vater und dessen Sohn gehe niemanden etwas an, sagte der Bürgermeister, "nur die Staatsanwaltschaft und die Polizei".

Hanna Henning, die Rechtsanwältin von K., findet das Vorgehen mehr als irritierend. Nach Angaben von Lichtenbergern, denen das Band vorgespielt wurde, sind sie von Ermittlern befragt worden, ob sie dieses für glaubwürdig hielten. Die Anwältin hält das für eine "Manipulationsvernehmung" und "in eklatanter Weise verfassungswidrig". So sei das Band im Gerichtsverfahren gegen K. zwar in einem Gutachten erwähnt, aber weder eingeführt noch vorgespielt worden. Somit handele es sich nicht um eine Aufzeichnung, die bereits in öffentlicher Verhandlung allen zugänglich gemacht wurde. Da Ulvi K. freigesprochen wurde, hätte das Band keinesfalls Dritten vorgespielt werden dürfen. Darüber hinaus verstoße ein heimlich aufgezeichnetes Gespräch zwischen Vater und Sohn gegen das Grundgesetz. Henning hatte deshalb Strafantrag bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg gestellt. Diese hat die Anzeige zur Behandlung an die Staatsanwaltschaft Würzburg weitergeleitet.

Dort wird nun zum einen wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes ermittelt. Nachdem Medien aus dem aufgenommenen Gespräch zwischen Ulvi K. und dessen Vater zitiert hatten, prüft es zudem, ob wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen offiziell ermittelt wird. Bayreuths Leitender Oberstaatsanwalt Potzel hat auch, was das betrifft, keine Zweifel, dass alles richtig gelaufen ist bei den Ermittlungen. Immerhin sei es möglich, dass ein Zeuge, dem das Band vorgespielt wurde, dieses mitgeschnitten habe. Auch so sei es möglich, dass der Mitschnitt an Medien gelangt sei. Auf die Frage, warum überhaupt Lichtenbergern - etwa dem dortigen Bürgermeister - ein Gespräch zwischen einem Vater und dessen Sohn vorgespielt wird, hält sich Potzel bedeckt. Details zu den Ermittlungen würden grundsätzlich nicht preisgegeben.

Für Thomas Henning, den Büroleiter der Kanzlei, die Ulvi K. vertritt, liegt der Zweck auf der Hand: "Es geht um Stimmungsmache gegen unseren Mandanten." In Lichtenberg hatten sich in der Vergangenheit viele über die Ermittlungsmethoden im Fall Peggy beschwert. Immerhin sei K. rechtskräftig freigesprochen worden. Er gilt in dem Verfahren derzeit als Zeuge.

Ob es zulässig war, das Band vorzuspielen, wird demnächst das Amtsgericht Bayreuth zu entscheiden haben. Henning kündigt an, in der Angelegenheit notfalls bis vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4356671
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.03.2019/kaal
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.