Patentmetropole Erlangen:Wenn kluge Menschen kluge Menschen anlocken

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Digitale Trainingsmethoden für Fußballprofis, Endoskope mit 3-D-Kameras und der schnellste Magnetresonanztomograf der Welt: Erlangen hat sich dank Wissenschaft zum einem internationalen Hochtechnologie-Standort entwickelt. Nirgendwo in Europa werden so viele Patente erfunden wie hier. Ein Besuch in der Stadt der Erfinder.

Von Beate Wild

Bundesliga, Spieltag vorbei, der Lieblingsverein hat schon wieder verloren. Wer hat Schuld? Die Spieler? Der Trainer? Matthias Lochmann würde antworten: Das Trainingskonzept. "So manches Team könnte besser spielen, wenn es sich nur moderner, digital gesteuerter Trainingsmethoden bedienen würde", sagt der 42-Jährige. Er ist Professor am Institut für Sportwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen und erforscht hier mit seinem Team sportwissenschaftliche und sportmedizinische Technologien.

"Wie gut ein Spieler mit dem Ball umgehen kann, wie eng er den Ball am Fuß führt und welche Bewegungsabläufe er macht, kann man in der Computeranalyse sehen", sagt Lochmann und zeigt eine digitale Animation am Rechner. Diese bildet wirklichkeitsgetreu ab, was zwei Spieler in einem Match mit dem Ball ausführen. Gemessen werden die Bewegungsabläufe und das Zuspiel zwischen den beiden durch einen Chip im Ball sowie durch Chips, die die Spieler jeweils in ihren linken und rechten Schuhen tragen. Der Chip wurde vom Fraunhofer Institut, das ebenfalls in Erlangen sitzt, entwickelt. Den Ball hat der Sportartikelhersteller Adidas in Herzogenaurach, das ganz in der Nähe von Erlangen liegt, produziert. Am Lehrstuhl von Lochmann wird die digitale Messung für den Betrieb in der Fußballpraxis entwickelt.

Nur eines von vielen Beispielen, was in Erlangen im Zusammenspiel zwischen Uni und Industrie erforscht wird. Vor drei Jahren gründete Lochmann die Start-Up-Firma IQ Move, um die Erfindungen der Uni privatwirtschaftlich nutzbar zu machen, also Patente anzumelden und zu verwerten. Ein Teil der mittlerweile 28 Mitarbeiter wird von der Uni bezahlt, der andere Teil von der Firma. Das ist keine Seltenheit in Erlangen.

Die fränkische Stadt hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zur bedeutendsten Erfindermetropole in Deutschland, vielleicht sogar in Europa entwickelt. Im "Jahrbuch der Regionen" der EU-Statistikbehörde Eurostat heißt es jedenfalls, dass in Erlangen die meisten Patentanmeldungen je Einwohner in ganz Europa verzeichnet.

Dieser starke Forschungsschwerpunkt sichert Erlangen wirtschaftliche Stabilität und eine extrem niedrige Arbeitslosenquote. 2011 waren nur 3439 Erlanger arbeitslos, das entspricht 2,9 Prozent.

Wie wichtig der 110.000-Einwohner-Stadt die Wissenschaft ist, sieht man auch daran, dass in dem mitten im Zentrum gelegenen Schloss nicht der Bürgermeister residiert, sondern der Vizepräsident der Uni. "Hier an der Uni herrscht ein hohes Patentbewusstsein", sagt Joachim Hornegger und lehnt sich entspannt in seinen Stuhl zurück. Von seinem Büro aus kann er auf den Schlossplatz und die Fußgängerzone blicken. "Viele Patente entstehen im Rahmen von Promotionsprojekten", sagt der Professor. Er betreut derzeit etwa 60 Doktoranden, eine schwindelerregend hohe Zahl, von der andere Unis nur träumen können. Möglich ist das, weil viele Doktoranden in Industrieunternehmen promovieren.

"Wir als Uni wollen die Gründungskultur weiterentwickeln", sagt Hornegger. Er animiert seine Studenten explizit dazu, sich nach dem Abschluss mit einer kleinen Firma selbständig zu machen. Spin-Offs nennt man die Unternehmen, die aus der FAU heraus entstanden sind. Wer den Schritt in die Selbständigkeit wagt, kann Fördergelder des Programms Exist beantragen. 100.000 Euro bekommt man als Starthilfe für eine Firmenausgründung. Wenn es gut läuft, schreiben die Spin-Offs bereits im zweiten Jahr schwarze Zahlen. So auch die Metrilus GmbH, die 3-D-Kameras für Endoskope entwickelt. Geschäftsführer Christian Schaller sitzt mit seiner Firma im Medical Valley Center, einem Innovationszentrum für Medizintechnik, in dem sich seit nunmehr zehn Jahren Gründerfirmen niederlassen können.

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