Um zwei Jahre, nicht um eins. Um so viel Zeit wurden die Passionsspiele im März 2020 verschoben, als klar war, dass wegen des damals neuen Virus auf keinen Fall eine halbe Million internationaler Besucher nach Oberammergau kommen können würden. Um zwei Jahre schieben, das schien damals unnötig weit zu sein. Es sei aber zwingend gewesen, wegen des bürokratischen Aufwands, die Tickets zurück zu buchen, hieß es damals. Zwei Jahre aber auch, um auf Nummer sicher zu gehen, dass bis Sommer 2022 das vermaledeite Virus überwunden sein würde.
Im Herbst 2021 ist die Welt zwar eine andere, aber überwunden ist gar nichts. Die Inzidenz liegt am 2. November 2022 im Landkreis Garmisch-Partenkirchen bei 231,1, gefühlt bewegt sich alles wieder auf mehr Einschränkung zu denn auf mehr Freiheiten. Mitte November aber treffen sich der Chor und das Orchester wieder, um zu proben, Anfang Dezember kommen die Spieler zu einer zweiten ersten Leseprobe zusammen, im Januar 2022 beginnen die szenischen Proben. Irgendwann sollen dann auch große Gruppen zusammenkommen, bei einer der größten Massenszenen der Passion waren rund 900 Menschen auf der Bühne, Alte, Junge, Kinder.

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Passionsspielleiter Christian Stückl und das buchstäblich halbe an den Passionsspielen beteiligte Dorf Oberammergau stehen also - immer noch? Wieder? - vor immensen Herausforderungen. Denn auch für Oberammergau gilt: Ein paar Hundert Ungeimpfte wird es unter den knapp 5500 Einwohnern schon geben. Zwar ist davon auszugehen, dass sich bis Frühsommer 2022 das Infektionsgeschehen wieder beruhigt haben dürfte, die Proben aber müssen ja nun mal bald stattfinden, im tiefsten Winter. Wie geht das?
Frederik Mayet, Jesus-Darsteller und praktischerweise auch Pressesprecher, sieht die Situation den Umständen entsprechend gelassen. Seine Antwort lautet: "Testen". Er sagt: "Wir sind die ganze Zeit schon davon ausgegangen, dass wir das genau so machen müssen, mit einem guten Hygienekonzept." Momentan sieht die Spielleitung vor, jeden und jede vor jeder Probe zu testen, egal, ob geimpft oder nicht, egal, ob Cellospielerin oder Jünger. Dafür muss geschultes Personal eingestellt werden oder gleich ein kleines Testzentrum errichtet werden. Man überlege gerade noch, wie man das löse, sagt Mayet.
Möglichst sichere Proben für alle Beteiligten
Andere Möglichkeiten gibt es nicht. Den Impfstatus aller abzufragen etwa oder eine 2-G-Regel für die Passionsproben einzuführen, ist arbeitsrechtlich nicht möglich. Für die Zeit der Passionsspiele schließen alle Beteiligten einen Vertrag mit der Gemeinde, sind also dort angestellt. Abstände einhalten oder Maske tragen wiederum verträgt sich nicht mit dem künstlerischen Arbeiten. Impfaufrufe hat es vonseiten des Passions-Teams indirekt gegeben, bei einer Impfaktion im Passionstheater im Juli 2021 hätten sich rund 50 Oberammergauer impfen lassen, immerhin. Die Haltung der Spielleitung zum Impfen lässt sich daraus recht eindeutig ablesen. Dennoch: Zwingen kann man ja niemanden. Und auch Impfdurchbrüche sind ja leider real.
Bleibt das Testen. Frederik Mayet sagt: "Wenn wir Proben veranstalten, auf denen es Geimpfte und Ungeimpfte oder auch Kinder zusammenkommen, müssen wir die Schwächsten schützen. Für uns ist wichtig, dass wir proben können und das möglichst sicher für alle Beteiligten." Spielleiter Stückl, der ja nebenbei auch noch ein gerade neu eröffnetes Volkstheater in München leitet, kennt sich mit weitgreifenden Testkonzepten immerhin aus. Am Volkstheater werden alle an den Proben Beteiligten seit Monaten täglich getestet, um sich dann einigermaßen frei auf der und um die Bühne bewegen zu können. Das ist übrigens Alltag an den meisten Theatern. Testen ist mühsam und teuer, aber praktikabel. Alles nicht so schlimm, wie neuerliche größere Einschränkungen, vor denen es Mayet graust.
Bezahlen muss das Testen in Oberammergau dann der "Eigenbetrieb Oberammergau Kultur". Welche Kosten genau auf die Gemeinde zusätzlich zukommen, vermag Mayet noch nicht abzusehen. Nur an einer Tatsache wird nicht mehr gerüttelt: Die Premiere der Passionsspiele ist am 14. Mai 2022.