Theater und Religion:"Mei Bou is gstorbn, mei Kind is dout"

Lesezeit: 2 Min.

Der Tod Jesu beim Tirschenreuther Passionsspiel. Zum ersten Mal gibt es eine Bühne mit Felsen in 3-D-Optik. (Foto: Norbert Grüner)

Auch nach dem Ende der Passionsspiele in Oberammergau geht die Inszenierung der Jesus-Kreuzigung weiter. Tirschenreuth feiert am Freitag die Premiere einer Passion, die es so nur in der Oberpfalz geben kann.

Von Hans Kratzer, Tirschenreuth

Vor knapp zwei Wochen sind die Oberammergauer Passionsspiele zu Ende gegangen, sie gelten in diesem Genre als das Maß aller Dinge. Trotzdem: Das Passionsjahr 2022 ist damit noch lange nicht abgeschlossen, erst recht nicht in der Oberpfalz. An diesem Freitag findet in der Stadt Tirschenreuth die Premiere des dortigen Passionsspiels statt, das zwar keine fast 400-jährige Tradition wie in Oberammergau hat, aber im Kulturbetrieb auf ganz eigene Art hervorsticht. Das Spiel erlebte erst 1997 seine Uraufführung, seit dem Jahr 2000 wird es alle fünf Jahre wiederholt. Jetzt feiert die Tirschenreuther Passion ihr 25-jähriges Bestehen.

"Wir wollten das Stück bereits im Jahr 2020 spielen, doch Corona machte uns 14 Tage vor der Premiere einen Strich durch die Rechnung", sagt Bürgermeister Franz Stahl. Damals machte sich eine große Enttäuschung breit. Dass das Spiel nun wegen Corona auch noch auf den Herbst verschoben wurde, hat manche Akteure durchaus belastet. "Damit musste ich erst mal klar gekommen. Aber mit Allerheiligen kann ich es auch ganz gut verbinden", sagte die Akteurin Christiane Trenner in einem Interview.

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Das Thema Passion ist in der Oberpfalz breit gefächert. Nicht nur, dass die Barockzeit viele Passionsorte hervorgebracht hat, die später wieder untergingen. Auch der zum Landkreis Tirschenreuth gehörende Ort Konnersreuth spielt diesbezüglich eine eigenwillige Rolle. Er wurde berühmt durch die vor 60 Jahren gestorbene Mystikerin Therese Neumann, die bis heute von einem Mysterium umrankt ist. Jeden Freitag, heißt es, soll sie in Trance die Passion Jesu erlebt haben.

Die Passion in Tirschenreuth wird selbstbewusst in der Mundart der Oberpfalz dargebracht. Die Klage der Maria lautet in diesem Idiom: "Mei Bou is gstorbn, mei Kind is dout. Dei Mutter, Jesus, woiss nu gout, wejs di im Stoll af d'Welt broucht hout." Das Ensemble besteht aus gut hundert Mitwirkenden, die meisten von ihnen sind Laiendarsteller.

Die Stadt hat viel investiert in jenem Kettelerhaus, in dem das Stück aufgeführt wird. Die Bühnenkulisse wurde umgestaltet, neue Kostüme wurden geschneidert, und auch eine neue Licht- und Soundanlage kommt erstmals zum Einsatz. Durch eine besondere Raumplanung rückt das bisweilen wunderliche Geschehen noch näher an das Publikum heran als bisher. Der frühere Aposteldarsteller Anton Beer erinnerte zuletzt in der Zeitung Der Neue Tag lachend an das legendäre Ohr, das einem Söldner laut Bibeltext abgeschlagen werden sollte. "Einer von uns hatte ein Schweinsohr dabei. Das warfen wir während einer Probenszene auf den Boden. Fast die Hälfte von uns glaubte, das sei das echte Ohr des Darstellers."

Jesus vor Herodes. Regisseur Johannes Reitmeier achtete bei der Neuinszenierung sehr darauf, die Seele des Stückes zu erhalten. (Foto: Norbert Grüner)

Inszeniert wird die Passion von den Regisseuren Johannes Reitmeier, Intendant des Tiroler Landestheaters Innsbruck, und Stefan Tilch, Intendant des Landestheaters Niederbayern. Reitmeier hatte schon die erste Passion im März 1997 gestaltet. Er sagt, die Tirschenreuther Passion sei durch den Dialekt und eine einzigartige Erzählstruktur prägend - auch im europäischen Maßstab. "Deshalb war es mir wichtig, bei der Neuinszenierung die Seele des Stückes zu erhalten." "Die Neue Tirschenreuther Passion 2022" beleuchte das historische Geschehen aber mit einem zeitgenössischen Blick, insbesondere in Bezug auf die Figur des Judas und die überlieferte Rolle der Frauen um Jesus.

Jeweils 45 Minuten vor Beginn jeder Vorstellung wird eine 30-minütige Einführung angeboten. Die Besucher erfahren dabei einiges mehr über die Verbindung der Passion zur Jahrhunderte alten Tradition der Tirschenreuther Wallfahrt von 1692 - und welche neuen Akzente der Regisseur in der aktuellen Aufführung setzt.

Einige Premierentickets sind noch online über www.okticket.de oder direkt über die Tourist-Information Tirschenreuth (Tel. 09631/600248 oder 600249, 9-12 Uhr) erhältlich. Weitere Termine: 23., 28., 29. und 30. Oktober sowie 1., 4. und 5. November. E-Mail: theater@stadt-tirschenreuth.de.

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