Andrea Madl blickt auf ihr Handy und muss dabei kurz ungläubig lachen. Erstaunliche 8,5 Millionen Mal wurde ihr Video bisher angeschaut – bei 210 000 Likes. Eine Reichweite, bei der viele Profi-Influencer feuchte Augen bekommen. „Damit haben wir nie gerechnet“, sagt die 30-jährige Leiterin des Seniorenzentrums der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Passau. Noch dazu, weil die Leute es auf so positive Art und Weise weiter teilten. Madl, die das Instagram-Video auf eine Idee von Pflegeschülern hin selber gemacht hat, sagt, sie und ihr Team hatten sich schon gefreut, als es erst 1000 Views hatte. Was ist darauf zu sehen?
Mitarbeiter des Früh- und Spätdienstes des Altenheims gehen auf die Kamera zu – und dann entweder links oder rechts an ihr vorbei. Darüber steht die Frage, wo sie geboren wurden. Alle, die in Deutschland geboren wurden, biegen im Video links ab. Das sind acht Leute. Alle, die nicht in Deutschland geboren wurden, biegen rechts ab. Und das sind deutlich mehr, nämlich 25 Leute. „Wir wollten damit den Ist-Stand der Pflege zeigen“, sagt Madl. Mehr als 20 Nationen sind der Leiterin zufolge im Seniorenzentrum Betty Pfleger vertreten, mehr als 50 Prozent der 140 Mitarbeiter sind Einwanderer. Und das ist nicht nur in Passau so.
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Möglicherweise ist das Video deswegen ein solcher Erfolg geworden, weil es etwas veranschaulicht, das bei dem oft ausländerfeindlichen und gefährlich einseitigem Politik-Getöse der vergangenen Wochen untergegangen ist: Ohne Menschen, die nicht aus Deutschland stammen, geht in vielen systemrelevanten Berufen gar nichts. Und in der Pflege schon gleich dreimal nicht.
Ganz Deutschland hat aufgrund seiner immer älter werdenden Bevölkerung einen großen Bedarf an Pflegekräften. Dabei leidet die Branche schon sei Jahren unter Personalmangel – und ist sehr stark angewiesen auf Fachkräfte, die aus dem Ausland kommen. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von 2024 zeigt, dass das Pflegesystem in Deutschland ohne ausländische Beschäftigte am Ende wäre. Jede sechste Pflegekraft stammt aus dem Ausland. Zudem wird der Studie zufolge das Beschäftigungswachstum in dem Bereich seit 2022 nur noch von ausländischen Beschäftigten getragen. Die Zahl deutscher Pflegekräfte sinke hingegen. Und: Es sind vor allem Frauen, egal welcher Herkunft, die dieses System am Leben halten. Sie stellen 82 Prozent der Beschäftigten in der Pflege.

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Schwer zu sagen, von wem AfD-Wähler ihre Angehörigen in der von ihnen imaginierten Zukunft pflegen lassen wollen, nachdem sie Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln außer Landes geschafft haben. Vielleicht baut Elon Musk Pflege-Roboter, wenn das mit den Elektroautos so schlecht weiterläuft? Der Großteil der deutschen Bevölkerung jedoch ist darauf angewiesen, dass ihre Eltern oder Großeltern in gut organisierten, professionellen, empathischen und bezahlbaren Pflegeheimen untergebracht werden können. Und im besten Fall noch in einem, das nicht nur über gute Social-Media-Kenntnisse verfügt, sondern auch über einen so geraden Rücken wie jenes in Passau.