Parteitag in Nürnberg:CSU übt sich in Harmonie

Kontrahenten mit Beißhemmung: Auf dem CSU-Parteitag umgarnen sich Eurobefürworter und Eurokritiker, auch Kanzlerin Merkel vermeidet jedes Wort, das Widerspruch erregen könnte. Nur einer will bei diesem Spiel nicht mitmachen - und bekommt donnernden Applaus.

Tobias Dorfer, Nürnberg

Angela Merkel ist physisch noch gar nicht anwesend. Trotzdem fühlt es sich so an, als sei die Kanzlerin längst angekommen beim Parteitag der CSU in der Nürnberger Messehalle. Die CSU spricht über Europa, über die Schuldenkrise und darüber, wie man nun umgehen soll mit Griechenland - und versucht mit aller Kraft, Eindrücken zu widersprechen, sie sei eine europaskeptische, ja sogar eine europafeindliche, Partei.

Das klingt dann so: "Wir sind und bleiben die Partei Europas", ruft Gerda Hasselfeldt, die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag. "Die CSU ist und war immer eine Europapartei", sagt Markus Ferber, der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Theo Waigel, der ehemalige Finanzminister, rechnet den Delegierten vor, wie wichtig der Euro für die deutsche und die bayerische Wirtschaft ist.

Und Parteichef Horst Seehofer, der erst vor kurzem im SZ-Interview mit den Worten "bis hierhin und nicht weiter" die Grenzen der Solidarität mit Griechenland klar abgesteckt hat, weist darauf hin, dass mittlerweile mehr als die Hälfte aller in Bayern produzierten Waren in die Europäische Union gehe. Besonders deutlich wird Manfred Weber, der Vorsitzende der CSU-Zukunftskommission. Es gebe Parteifreunde, die das Gefühl vermitteln, "eigentlich stört dieses Europa. Wir müssen gegen dieses Gefühl arbeiten", fordert der Niederbayer.

Diese Worte gehen vor allem an die Adresse von Peter Gauweiler, den Parteirebell, der gegen den ersten Rettungsschirm Verfassungsbeschwerde eingelegt hat und der am Samstag für einen der vier Stellvertreterposten der Partei kandidiert.

In den vergangenen Wochen hatten die Christsozialen ihre Distanz zum Merkelschen Europakurs deutlicher formuliert, aber beim Zusammentreffen in Nürnberg will man Einheit demonstrieren und Angela Merkel einen triumphalen Empfang bereiten - als wolle man sagen: Liebe Kanzlerin, schau her, du kannst dich auf die CSU verlassen. Wir wollen nicht weiter Öl ins Feuer gießen.

Und so rollt die CSU der Kanzlerin den Teppich aus. Der Einzug der CDU-Vorsitzenden wird von Lichtspielen und dröhnenden Beats untermalt, die so laut sind, dass man das Klatschen der Delegierten fast gar nicht mehr hört. Wie ein Popstar wird Angela Merkel empfangen - und die bedankt sich, indem sie ihrerseits Streicheleinheiten verteilt.

"Wenn alle Länder in Europa so gut regiert würden wie Bayern, dann hätten wir diese Probleme nicht", schmeichelt sie. Sie weist auf den CSU-Politiker Oliver Junk hin, der in Goslar, der Heimatstadt von SPD-Chef Sigmar Gabriel Oberbürgermeister wurde. Sie lobt die Initiative des ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg, die Wehrpflicht auszusetzen und zollt ihrer Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner Respekt für ihren Einsatz in der Datenschutzdebatte.

Kein Kotau von Gauweiler

Und Griechenland? Die Schuldenkrise? Der Zwist zwischen CDU und CSU? Auch Merkel verzichtet darauf, die Euroskeptiker in der CSU direkt anzugreifen. Ihre Botschaft: Europa werde stärker aus der Krise herausgehen als es hineingegangen ist.

Und doch weist sie auf den Niedergang der US-Bank Lehman Brothers hin. Damals habe man gesagt, denen helfe man nicht, da würde schon nichts passieren. "Gekommen ist der Kollaps", sagt die Kanzlerin, die Banken mussten gerettet, die Realwirtschaft mit Konjunkturpaketen gestützt werden. Mehr muss sie nicht sagen, um ihre Position zu verdeutlichen. Aber Merkel weiß auch, was man in Nürnberg von ihr hören möchte.

Deshalb verlangt sie auch, "dass jedes Land seine Hausaufgaben macht". Der Stabilitäts- und Wachstumspakt dürfe nicht ausgehöhlt werden. Und sehr zur Freude der CSU-Delegierten erwähnt die Kanzlerin auch noch einmal, dass sie gegen Eurobonds ist.

Es ist ja ohnehin einfacher, die Gemeinsamkeiten zu betonen und auf den gemeinsamen Gegner einzudreschen. Die Grünen seien dafür, dass die Menschen mehr Bahn fahren, aber sie seien gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Sie drängen auf den Atomausstieg, demonstrierten aber gegen Stromtrassen. Lautstark weist auch Monika Hohlmeier darauf hin, dass die rot-grüne Bundesregierung seinerzeit die Maastricht-Kriterien gebrochen habe. "Warum legen wir Herrn Schröder nicht die Rechnung vor", ruft Hohlmeier. Da sind sie ganz beieinander, die Kanzlerin und die Christsozialen.

Nur einer verzichtet auf den Kotau: Peter Gauweiler. Er weist auf den Punkt im zu verabschiedenden Leitantrag hin, der vorsieht, dass "Euro-Staaten, die sich nicht an die gemeinsamen Regeln der Haushaltsdisziplin halten", damit rechnen müssen, die Währungsunion verlassen zu müssen. Da ist Gauweiler wieder bei seiner alten Forderung. Friedrich Schiller, sagt der CSU-Rebell, habe "Freude schöner Götterfunken" schließlich nicht "für Duckmäuser" geschrieben. Die Delegierten honorieren seinen Auftritt mit lautem Applaus.

Der Applaus für die Kanzlerin ist höflich, aber nicht euphorisch. Magere zwei Minuten darf sich Angela Merkel von den Delegierten beklatschen lassen. Die Partei steht auf für die Vorsitzende der Schwesterpartei, selbst Gauweiler - doch seine Hände bewegen sich nicht. Dafür ist CSU-Chef Seehofer schon wieder zu Scherzen aufgelegt: "Ich stelle fest: Stichtag 7. Oktober, 18:33 Uhr, CDU und CSU stimmen vollständig überein."

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