Parteitag der Freien Wähler:Alles Aiwanger

Freie Wähler

Er mag sich: Hubert Aiwanger ist mit sich im Reinen. Gegner in der Partei muss er nicht fürchten: Es gibt kaum welche.

(Foto: Peter Kneffel, dpa)

Bundeschef, Landesvorsitzender, Fraktionsführer: Bei den Freien Wählern ist Hubert Aiwanger der Mann für alles. Nachdem er sich erfolglos als Populist versucht hat, konzentriert er sich nun wieder auf bayerische Themen.

Von Frank Müller

In anderen Parteien würde ein Landesparteitag so ablaufen: Der Bundeschef gibt sich die Ehre und gratuliert dem Landesvorsitzenden zur Wiederwahl, zu welcher ihn der Fraktionsführer vorgeschlagen hat. Bei den Freien Wählern dagegen wäre das schwer möglich. Denn alle Posten sind fest in der Hand von Hubert Aiwanger.

Ämterhäufung ist bei Politikern nichts Seltenes, aber in ganz Deutschland dürfte niemand den Spruch "Ich bin viele" so ausgeprägt verwirklicht haben wie der 43-jährige Landwirt aus Rahstorf bei Landshut. An diesem Samstag stellt er sich auf einem seiner vielen Posten zur Wiederwahl: dem des bayerischen Landesvorsitzenden. Die Prognose, dass er es schaffen wird, ist risikolos. Konkurrenz ist nicht in Sicht, und Aiwanger ist noch lange nicht amtsmüde.

So ist es wahrscheinlich keine Hybris, sondern schlicht Realismus, wenn Aiwanger sagt, "dass es momentan kein anderer besser machen würde". Seit acht Jahren führt er nun den Landesverband, es sind Jahre, die gleichbedeutend sind mit dem Aufstieg der Freien Wähler zur immerhin drittstärksten politischen Kraft im Freistaat. "Ich glaube, dass man insgesamt mit meiner Arbeit zufrieden ist", sagt er selbstbewusst. Für einen Generationswechsel gebe es gar keinen Bedarf. "Warum soll ich mit Anfang 40 in einem Alter abtreten, in dem andere noch längst nicht so weit gekommen sind?"

Die Bilanz ist zwiespältig

Dabei gäbe es durchaus Ansatzpunkte für interne Kritik, denn Aiwangers Bilanz des vergangenen Jahres fällt zwiespältig aus. Bei der Landtagswahl vor einem Jahr schaffte er es zwar, die Freien Wähler bei leichten Verlusten auf Platz drei im Landtag zu halten. Auch bei der Kommunalwahl schnitten sie auf ihrem ureigensten Terrain, dem der Gemeinde- und Kreistage, gut ab. Dazwischen aber lagen Bundestags- und Europawahl. Die zeigten Aiwangers Truppe klare Grenzen auf. In Berlin mussten sie draußen bleiben, in Straßburg gab es einen mageren Sitz. Eine "wertkonservative bürgerliche Alternative" für ganz Deutschland für ein Wählerpotenzial von bis zu 20 Prozent hatte Aiwanger angekündigt, doch daraus wurde nichts. Dafür redet nun alles über eine andere Alternative für Deutschland: eben die AfD.

Auf deren Themenfeldern hatten sich eigentlich auch die Freien Wähler bundesweit breitmachen wollen. Aiwanger war mit extrem scharfer Kritik an der Eurorettungspolitik auf der Bundesbühne gestartet und fing sich ähnliche Vorwürfe ein wie heute die AfD: Rechtspopulismus. Auch personell gab es Parallelen. Bevor es den früheren Industriemanager Hans-Olaf Henkel zur AfD zog, trat er mit Aiwanger auf. Der große Unterschied: Die AfD war außerhalb Bayerns erfolgreich, die FW nicht. Die drei Abgeordneten, die die FW jetzt in Brandenburg eher zufällig bekamen, verblassen dagegen.

Dass Aiwanger das ärgert, versucht er erst gar nicht zu verschleiern. Er setzt nun darauf, "dass diese Emporkömmlinge wieder verschwinden, genau wie die Piraten". Dass die AfD anders als die Freien Wähler über viel Geld verfügt, nervt Aiwanger. Er wolle keine Verschwörungstheorien entwickeln, sagt er, und tut es dann doch: Auch unter Mithilfe von Kräften aus der Union sei die AfD "zu einem gewissen Teil in die Welt gesetzt worden, um uns zu schaden".

Die Angriffe werden schwächer

Inzwischen hört man von den Freien Wählern wieder weniger Eurokritik und mehr, was an ihre Ursprünge erinnert. "Noch mehr auf den Mittelstand konzentrieren", wolle man sich nun, sagt Aiwanger, und die Sorgen von Freiberuflern, Landwirten, den Normalbürgern in den Blick nehmen, all die Leute also, "die nicht gern Randparteien wählen", wie er spitz hinzufügt.

Doch die Frage ist, ob für die Freien Wähler noch mehr erreichbar ist als der Ist-Stand bei gut zehn Prozent Wählerzustimmung in Bayern. CSU-Chef Horst Seehofer hat Neugründungen, die sich aus dem eigenen Lager speisen, schon lange als viel größere Gefahr für die CSU ausgemacht als die linke Opposition. Entsprechend stark bekämpft er sie. Ohne die in der Fläche starken Freien Wähler hätte Seehofer vermutlich kein Heimatministerium mit zweitem Dienstsitz in Franken aufgemacht.

Die Modernisierung braucht Zeit

Im Gegenzug fällt auf, dass Aiwanger die CSU inzwischen weniger scharf angreift als früher. Vielleicht um deren Anhänger weniger abzuschrecken. Aiwanger sagt es so: "Wir werden zunehmend souveräner und müssen nicht mehr jeden Tag die CSU schimpfen, sondern nur noch bei Bedarf." Zur restlichen Landtagsopposition geht er dagegen immer stärker auf Distanz.

Für SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher und seine Versuche, ein Oppositionsbündnis mit Grünen und Freien Wählern zu schmieden, hat er nur Aiwangersche Grobheit übrig: "Die SPD will krampfhaft als Oppositionsführerin tituliert werden, und wir und die Grünen sollen hinterherdackeln." Im Sommer vor einem Jahr klang das noch viel verbindlicher. Aber da gab es auch noch eine - theoretische - Perspektive, mit den Grünen und der SPD an die Macht zu kommen.

Vor dem nächsten Anlauf im Jahr 2018 dürften auf Aiwanger nun eher Schwarzbrot-Jahre zukommen. Die Partei braucht professionellere Strukturen und einen moderneren Anstrich - das sieht jeder, der nur die Internetseite der Freien Wähler aufruft. Generalsekretär Michael Piazolo beschäftigen solche Fragen sehr. "Aber das braucht Zeit." Andere Sorgen formuliert der unterfränkische Bezirkschef Günther Felbinger: Die Partei müsse sich um den Generationswechsel kümmern. "Man kann nicht sagen, wir machen so weiter wie bisher." Zumindest in der zweiten Reihe könnte es bei den Wahlen am Samstag zu Verschiebungen kommen. Zwei von Aiwangers Vizes wollen nicht mehr antreten, dafür könnte nun die neue Europaabgeordnete Ulrike Müller nachrücken.

Erreicht hätten die Freien Wähler auch so schon viel und dabei auch für Bewegung in der CSU gesorgt, sagt Aiwanger und nennt die Volksbegehren zu Studiengebühren und Gymnasialreform. Dann wird er doch wieder aufmüpfig gegen die ungeliebte dauerregierende Konkurrenz. "Inhalte sind der CSU mittlerweile völlig egal", sagt er. Der Regierungspartei gehe es nur um die absolute Mehrheit und die Besetzung von Posten. "Wenn die CSU so oft recht bekommen hätte wie wir, hätte sich der Seehofer alle halbe Jahre heilig gesprochen."

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