Seehofer vor CSU-Parteitag:Der Über-Bayer

Horst Seehofer CSU

Der Über-Bayer: CSU-Chef Seehofer beim Gespräch mit Journalisten in Berlin

(Foto: AFP)

Erst kommt Horst Seehofer, dann lange nichts. Der CSU-Chef gibt den großen Volksversteher, der das Programm seiner Partei entrümpelt und modernisiert. Mit dem Slogan "Bayern. Das Land" hat der gnadenlose Populist triumphale Wahlergebnisse im Freistaat und im Bund eingefahren. Seitdem arbeitet Seehofer nur noch an sich und seinem Machtfundament.

Ein Kommentar von Mike Szymanski

Was Regierungsbündnisse angeht, will der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer in neue Sphären vordringen. Er ist dabei, seine eigene CSU zu überwinden. Im Freistaat hat er nach der Rückeroberung der Alleinherrschaft die "Koalition mit den Bürgern" ausgerufen. Nur mit ihnen will er Bayern regieren, nicht gegen sie. Und wenn er sich nicht sicher ist, was das Volk will, dann will er es demnächst befragen. Seehofer sieht sich und seine Landsleute schon auf dem Weg zu einem Bürgerstaat neuen Typs des 21. Jahrhunderts.

Und an der Spitze steht natürlich er, Seehofer. Der große Volksversteher.

So gesehen ist also das Votum für den CSU-Politiker, wenn er beim Parteitag der Christsozialen an diesem Freitag und Samstag in München als Vorsitzender wiedergewählt wird, für ihn persönlich eigentlich nur noch von sehr nachrangiger Bedeutung. Er steht längst außerhalb der CSU. In seiner ersten Amtszeit hat er es sich zur Aufgabe gemacht, die beschädigte Partei nach der verheerenden Wahlniederlage von 2008 zu reparieren.

Nahezu im Alleingang hat er im Programmstüberl der CSU entrümpelt und nicht mehr in die Zeit passende Positionen wie etwa das glühende Bekenntnis zur Atomkraft entsorgt. Jetzt steht dort nur noch ein blinkendes Reklameschild, übrig geblieben aus den Wahlkämpfen der Partei: "Bayern. Das Land."

Auf die eigenen Leute hört Seehofer schon lange nicht mehr. Von der in der Parteisatzung unter ihm festgeschriebenen Mitgliederbefragung hat er noch nie Gebrauch gemacht, obwohl sich seine CSU radikal verändern musste. Was die Partei zu meinen hat, bestimmt Seehofer nach Tagesform. Das lässt sich im Moment bei den Koalitionsgesprächen in Berlin wieder ganz gut beobachten. Ein bisschen Mindestlohn, ein bisschen doppelte Staatsbürgerschaft.

Erst kommt er, dann lange nichts. Und dann erst seine Partei. Er war erfolgreich damit. Das zeigten die triumphalen Wahlsiege im Freistaat und im Bund. Jetzt arbeitet der Parteichef nur noch an sich und seinem Machtfundament.

Seehofer ist jetzt 64. Dies wird seine letzte Amtszeit sein. Es geht ihm um seinen Abgang. Der Ingolstädter will nicht so enden wie Edmund Stoiber, der das Volk gegen sich aufgebracht hatte und der von seiner CSU davongejagt wurde, als sie Angst bekam, mit ihm keine Spitzenergebnisse mehr zu erzielen. In der CSU wird man schnell zum Getriebenen seines eigenen Erfolgs. Seehofer weiß das.

Bekennender und gnadenloser Populist

Die Koalition mit den Bürgern soll seine Lebensversicherung sein. Er verlagert daher den Führungsanspruch der CSU, der die Partei in Bayern überhaupt erst so stark gemacht hat, aufs Volk. Wer könnte da nicht zustimmen: Das Volk redet auch zwischen den Wahlen mit. Aber macht Seehofer deshalb auch eine Politik, die hilft, das Vertrauen in sie wieder zu stärken, eine Politik für sein Land? Eher nicht. Seehofer ist ein bekennender und ein gnadenloser Populist.

Das zeigt sich besonders dann, wenn er die Stimmungslage im Volk falsch eingeschätzt hat und sich hinterher trotzdem unverfroren auf die Seite der Sieger schleicht. Bei den Bürgervoten gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen, beim Nichtraucherschutz und zuletzt bei der Olympia-Bewegung Münchens war dies zum Beispiel der Fall. Dann stellt sich der Verlierer hin und sagt: Der Bürger hat immer recht! Sollte er die Volksbefragungen in Bayern umsetzen, dann organisiert er auch noch die außerparlamentarische Opposition mit. Bei diesem Gedanken kann einem fast schwindelig werden.

Die CSU war vor Seehofer nie eine Partei, die besonders viel auf die Mitsprache der Bürger gegeben hat. Sie bildete sich ein, selbst zu wissen, was wichtig für Bayern ist. Auch dann, wenn es nicht unbedingt populär war. So deutlich hatte zuletzt Stoiber diesen Führungsanspruch für die CSU geltend gemacht, als er gegen größte Proteste seinen harten Sparkurs durchzog. Davon profitiert Seehofer heute noch, der seinen Bayern bislang wenig zumuten musste. Weil die gute wirtschaftliche Lage es erlaubt, kann bei Seehofer gerade jeder etwas vom Wohlstand des Landes abhaben. Im Moment läuft die Wirtschaft, die Bayern sind satt und bequem geworden. Aber das wird nicht so bleiben. Seehofer sichert zuvorderst seine Macht ab. Nicht das Land.

Der Parteichef bemüht gerne ein Zitat, um mit seinen strategischen Fähigkeiten zu prahlen. Man möge bitte schön die Dinge vom Ende her bedenken, sagt er dann. Wer Seehofer erlebt, bekommt den Eindruck, dass er oft lange selbst nicht weiß, hinter welcher Tür der Ausgang liegt. Wenn dieses Zitat überhaupt zu Seehofer passen soll, dann müsste es lauten: Bedenke dein Ende! Wenn Seehofer aufhört, dann will er das als Volkstribun tun.

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