Parteitag der Bayern SPD:Kohnen startet den Angriff auf die CSU

Lesezeit: 3 min

  • Für die Bayern-SPD geht es bei der Landtagswahl fast schon um die Existenz.
  • Grüne und AfD machen ihr Rang zwei hinter der CSU streitig, in Umfragen liegen alle drei Parteien nahezu gleichauf.
  • Nun zeigt Landeschefin Kohnen, dass zu Wahlkampf eben auch Kampf gehört.

Von Lisa Schnell, Weiden

Es ist kurz nach 11 Uhr, Natascha Kohnen küsst und umarmt sich auf dem Parteitag der SPD durch die Reihen der Delegierten. Gleich wird sie ans Rednerpult treten. Noch aber blicken viele auf ihre Handys. "Die entzweite Union", "Söder droht mit Ausweisung von Flüchtlingen an der Grenze" lesen sie da. Ein Genosse formuliert, was die Partei jetzt von Kohnen erwarte: "Sie muss austeilen."

Austeilen, das klingt nach Attacke, nach Angriff. Wer austeilt, der wählt selten leise Töne, der muss seinen Gegner klar benennen. Kohnen will sich nicht an der CSU abarbeiten, nicht poltern, sondern sachlich bleiben, so hatte sie immer ihren politischen Stil beschrieben. Die eigenen Themen in den Mittelpunkt stellen, nicht über jedes populistische Stöckchen springen, das die CSU der Öffentlichkeit in ihrem Wettlauf mit der AfD hinhält, das ist ihre Linie. Wie macht sie das jetzt, ihrem Stil treu bleiben und trotzdem "austeilen"?

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Kommentar von Lisa Schnell

11.45 Uhr, Kohnen beginnt ihre Rede. Gleich zu Anfang spricht sie eine Mahnung aus, allerdings nicht an die CSU, sondern an Seppl Parzinger. Dem wurde zu seinem 25. Geburtstag gerade ein Tragerl oberpfälzisches Zoigl-Bier geschenkt. "Das Bier erst später aufmachen", sagt Kohnen. Dann arbeitet sie das Wahlprogramm ab, das die Genossen später ohne große Debatte einstimmig beschließen werden: mehr Polizei auf der Straße, kostenlose Kitas, eine Schulstandortgarantie und langfristig einen kostenlosen Nahverkehr. Hier kommt bis jetzt der lauteste Applaus auf. Weil das Programm neben pragmatischen Zielen damit auch Visionen aufweise, sagt später der Landtagsabgeordnete und Umweltpolitiker Florian von Brunn, der ein wenig stolz ist, dass die SPD hier "die Grünen überholt".

Und natürlich redet Kohnen über ihr Herzensthema: Wohnen. Ministerpräsident Markus Söder habe gelogen, als er 2013 behauptete, der Freistaat dürfe die GBW-Wohnungen der Landesbank nicht kaufen und damit "80 000 Mieter dem freien Markt zum Fraß vorgeworfen", sagt Kohnen. Das sind schon recht deutliche Worte, aber auch bekannte. "Haben Sie keine anderen Themen?", werde sie schon von Journalisten gefragt, wenn sie mal wieder eine Wohnungsbaugesellschaft fordert, erzählt sie. Und ja, sie werde weiterreden, solange "bis keine Rentnerin mehr Angst hat vor dem nächsten Brief des Vermieters". Aber, zum zweiten Mal ja, die SPD habe auch andere Themen.

Und dann, es ist jetzt 12.31 Uhr, Kohnen hat jetzt 46 Minuten gesprochen, kommt sie zu dem Teil ihrer Rede, der die rund 300 Delegierten gleich von ihren Stühlen aufspringen lässt. In der Pressemitteilung, die später verschickt wird, steht dazu: "Sie attackierte die CSU-geführte Staatsregierung scharf". Kurz: Kohnen teilt aus.

Mit ihrer Forderung nach Zurückweisungen an der Grenze betreibe die CSU ein "schmutziges populistisches Spiel für die vermeintlich schnelle Wählerstimme", sagt sie. Ein halbes Jahr hätten die Menschen in Deutschland auf eine stabile Regierung gewartet. Durch ihren Machtkampf mit der Kanzlerin setzten Seehofer und der "Kettenhund Dobrindt" alles aufs Spiel, ruft Kohnen in den Saal, der so über den "Kettenhund" juchzt, dass sie ihn gleich noch einmal aus dem Zwinger lässt. Seehofer und sein besagter Hund setzten alles daran, die historische Errungenschaft der Europäischen Union zu sprengen. Die Landtagswahl sei deshalb auch eine Entscheidung über die Zukunft Europas. Auf die eine Seite stellt Kohnen die CSU und ihre Schlagbäume, die der Wirtschaft Bayerns und damit den Menschen schadeten. Auf die andere Seite die SPD, "weltoffen und tolerant". "Zusammenhalt statt Spaltung", fasst sie zusammen und fügt noch an: "Ich hätte die letzten Tage nicht gebraucht."

Ihre deutlichen Worte waren offenbar genau das, was dieser Parteitag gebraucht hat. Der ganze Saal steht, fast vier Minuten dauert der Applaus. Kohnen reckt sogar ein paar Mal die Faust in die Luft. So richtig aber scheinen ihr solche Siegerposen nicht zu behagen. Ein fast ironisches Lächeln umspielt dabei ihren Mund, ihren Arm - kaum in der Luft - klappt sie schnell wieder ein. Am Ende versucht sie den Applaus mit den Handflächen herunterzuwedeln.

"Hervorragend", sagt Rainer Fischer, Kreisvorstand aus Tirschenreuth. Was ihm so gut gefallen hat, beschreibt er mit dem Wort, das in Sprechblasen von Comics steht, wenn der Superheld richtig zulangt: "Baam!" Drei Mal hat Fischer Kohnen schon reden hören, zum ersten Mal ist er "wirklich begeistert". Er hat die Genossen genau beobachtet, wie sie von ihren Stühlen schnellten: "spontan, nicht angestrengt wie beim letzten Parteitag in München". "Zu ruhig, zu anständig" sei Kohnen da noch gewesen, sagt Brigitte Scharf, Kreisrätin, ebenfalls aus Tirschenreuth. Auch die Art, wie Kohnen über die Asyldebatte sprach, findet sie gut. Kohnen kritisiert auf der einen Seite, dass sie von manchen Medien hochgespielt und von der CSU zur Panikmache missbraucht werde, macht aber auch klar, wo die SPD steht. Politisch Verfolgte brauchten Schutz, Bürgerkriegsflüchtlinge, die irgendwann wieder gehen müssten, eine zweite Heimat. Jeder habe das Recht auf eine sorgfältige Fallprüfung. Wer allerdings keinen Anspruch habe, müsse wieder gehen. Die AfD, Grüne oder Freie Wähler erwähnte Kohnen dafür mit keinem Wort.

Am Ende sitzen die Genossen bei Schnitzel und Leberkäse vor der Halle und ziehen Bilanz. Kohnen habe es geschafft, ihrem sachlichen Stil treu zu bleiben, sagt René van Eckert, Landtagskandidat aus dem unterfränkischen Mellrichstadt. Er möchte sich gar nicht ausdenken, wie so ein Angriff auf den politischen Gegner bei Söder ausgesehen hätte. "Draufhauen mit Anstand", nennt er das.

© SZ vom 18.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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