Manfred Baumgartner hat einen kräftigen Händedruck und einen für einen Parkinson-Patienten erstaunlich flotten Gang. Dabei plagt ihn die Krankheit seit nunmehr fünfzehn Jahren und hat ihm dabei manche Fähigkeit geraubt. Er könne mit den steifen Fingern keine Schrauben mehr reindrehen, erzählt der gelernte Mechaniker. Seinen Job musste er vorzeitig aufgeben. Andere Sachen aber kann er neuerdings wieder: schnell gehen zum Beispiel. Zuletzt war er nur noch in dem für Parkinson-Patienten typischen Tippelschrittchen unterwegs, mehr ging nicht, erzählt er. Jetzt geht wieder vieles.
Der Grund für die plötzliche Besserung sind zwei Elektroden, die die Ärzte der Neurologischen Klinik der LMU München dem 66-Jährigen in sein Gehirn implantiert haben. Sie senden leichte Strom-Impulse und lindern dadurch parkinsontypische Symptome wie das Zittern, die überschießenden Bewegungen oder die Steifheit. Die Enden der Elektroden sind mit Kappen geschützt. Man sieht sie als kleine Erhebungen unter der Stirnhaut des Patienten. Mit den Hörnchen, wie Baumgartner sie nennt, gehe es ihm „Tausend Prozent besser“. Er fahre sogar wieder Auto, obwohl er das schon vor zwei Jahren aufgegeben hatte. Auch die Ärzte sind sehr zufrieden mit diesem Patienten und schieben ihn bei einer Pressekonferenz am Mittwoch stolz nach vorne, um zu zeigen, was in der Parkinson-Therapie inzwischen möglich ist.

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Parkinson ist nach Alzheimer die häufigste neurodegenerative Krankheit. In ganz Deutschland gibt es etwa 400 000 Patienten, in Bayern sind es rund 60 000. Mit der Alterung der Bevölkerung nimmt auch die Zahl der Patienten weiter zu. Die Krankheit ist bis heute nicht heilbar, aber sie lässt sich dank neuester Behandlungsmethoden über Jahre gut beherrschen. Das Problem ist aus Sicht der Ärzte ein anderes: Längst nicht alle Patienten haben Zugang zu diesen Therapien.
Die Frage, ob ein Patient einen Hirnschrittmacher erhält, wie Baumgärtner, hänge wesentlich davon ab, ob er Zugang zu einem der großen neurologischen Zentren habe, erklärt der Leiter der Neurologie am LMU Klinikum Günter Höglinger. Nur wenige Kliniken in Bayern bieten diesen hochkomplexen Eingriff an. In den anderen und auch bei den niedergelassenen Ärzten fehle teilweise das Wissen, welche Patienten für dieses Verfahren in Frage kommen und welche anderen guten Behandlungsmöglichkeiten es auch im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit noch gibt. „Die Therapien sind da, aber nur ein sehr kleiner Teil der Patienten erhält sie“, sagt Höglinger.
An der LMU wollen sie das ändern. Sie haben deshalb das Netzwerk Parklink gegründet, in dem bayernweit Kliniken bei der Behandlung von Parkinson-Patienten zusammenarbeiten sollen. Am Mittwoch nun stellten sie das neue Netzwerk vor, dem sich zum Start elf unterschiedliche Krankenhäuser angeschlossen haben - vom Kreisklinikum Ebersberg mit seiner Akutgeriatrie bis hin zum Zentrum für Bewegungsstörung Passauer Wolf, einer Fachklinik für Parkinson in Bad Gögging.

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Bei der Tiefenhirnstimulation setzen Neurochirurgen Elektroden ins Gehirn, um durch Stromimpulse Menschen zu helfen, die zum Beispiel an Parkinson leiden. Früher mussten Patienten während der Operation wach bleiben, was teils einer Tortur glich – heute funktioniert der Eingriff auch unter Narkose.
Wie die Zusammenarbeit künftig aussehen könnte, demonstrieren die Ärzte live in der Pressekonferenz. Per Videotelefonie halten sie eine interdisziplinäre Fachkonferenz ab. Eine Ärztin der Klinik für Neurologie in Ravensburg stellt den Fall eines 71-jährigen russischen Patienten vor, der über eine nachlassende Wirkung der Medikamente klagte. In Ravensburg hatten die Ärzte die Medikation erhöht, ohne Besserung, dann schickten sie den Patienten – ganz im Sinne des neuen Netzwerks – für weitere Untersuchungen nach München.
Am LMU Klinikum stattete man ihn mit einer Art Smartwatch aus, die die Bewegungsstörungen aufzeichnen kann. In der Videoschalte berichtet nun der behandelnde Oberarzt aus der Neurologie der LMU, Thomas Köglsperger davon. Der Patient litte wechselnd an Steifheit und überschießenden Bewegungen, erklärt er. Im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit ist das ein typisches Problem, weil die Medikamente dann jeweils nur noch für kurze Zeit Linderung bringen. Was also tun?

Die Parkinson-Therapie biete für dieses Stadium der Krankheit eine Vielzahl von Optionen. Neben der sogenannten Tiefen Hirnstimulation, bei der Elektroden als Impulsgeber im Gehirn implantiert werde, kommt auch eine Medikamentenpumpe in Frage, die den Patienten kontinuierlich mit der nötigen Arznei versorgt. Die Wahl der richtigen Therapie sei nicht immer einfach, sagt Köglsperger. Im Team werden sich die Ärzte allerdings schnell einig. Zwar gibt der zugeschaltete Radiologe auch grünes Licht für einen operativen Eingriff. Auch das Alter des Patienten spricht nicht mehr automatisch gegen den Eingriff, inzwischen wurden schon 80-Jährige operiert. Gegen einen solchen Eingriff spricht indes, dass der Patient auch schon an leichter Demenz leidet. Am Ende entscheiden sich die Ärzte deshalb für die Medikamentenpumpe.
Wenn es von medizinischer Seite her in Frage käme, sei der Hirnschrittmacher die beste Option, sind sich die Ärzte an der LMU einig. Auf längere Sicht ist er nicht nur kostengünstiger als die Dauermedikation der Pumpe, er biete den Patienten auch eine hohe Lebensqualität. Die Betreuung der Patienten ist zudem per Telemedizin möglich, wie die Ärzte vorführen. Oberarzt Köglsperger erreicht dafür einen seiner Patienten am Arbeitsplatz. Doch auch die Medikamentenpumpe kann die Situation der Patienten noch mal deutlich verbessern. Das Problem sei aber, dass sehr viele Patienten weder zu der einen noch zu der anderen Therapie Zugang hätten. Das Netzerk Parklink soll das ändern.