Süddeutsche Zeitung

Landgericht Traunstein:Papst Benedikt will sich gegen Vorwürfe verteidigen

Ein Mann hat den früheren Erzbischof von München-Freising und weitere Kirchenverantwortliche wegen Missbrauchs durch einen Priester verklagt.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. will sich nach einer Klage gegen ihn am Landgericht Traunstein verteidigen. Er habe seine Verteidigungsbereitschaft mitgeteilt, bestätigte eine Gerichtssprecherin am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Damit ist eine Hürde auf dem Weg zu einem möglichen Prozess genommen.

Hätte der frühere Kardinal Joseph Ratzinger diese Verteidigungsbereitschaft nicht angezeigt, wäre ein sogenanntes Versäumnisurteil ergangen - allerdings ohne dass das Gericht sich mit den Vorwürfen gegen ihn auseinandergesetzt hätte.

Im Sommer hatte ein Mann, der nach eigenen Angaben von dem verurteilten Wiederholungstäter Priester H. missbraucht wurde, am Landgericht Traunstein eine Zivilklage, eine sogenannte Feststellungsklage, erhoben. Sie richtet sich nicht nur gegen Ratzinger, der Erzbischof von München und Freising war, als der Missbrauchstäter in seine Diözese versetzt wurde, sondern auch gegen den verurteilten Mann selbst, das Erzbistum München und Freising und Ratzingers Nachfolger im Amt des Erzbischofs, Kardinal Friedrich Wetter.

Strafrechtlich hat das Ganze zwar keine Bedeutung mehr, aber es geht um die große Frage der Schuld, die Bistumsverantwortliche in dem Fall möglicherweise auf sich geladen haben. "Wenn die katholische Kirche und die Beklagten - bis auf den notorischen Wiederholungstäter H. - zu dem stehen, was ständig von allen kirchlichen Akteuren öffentlich erklärt wird, nämlich zu ihrer christlichen Verpflichtung zu stehen und begangenes Unrecht anzuerkennen, wird die Klage erfolgreich sein", sagte der Kläger-Anwalt Andreas Schulz. "Tun sie dies nicht, wird sich der Reputationsschaden noch vergrößern, und die katholische Kirche wird die Erosion des Glaubens beschleunigen", sagte Schulz. Für seinen Mandanten bedeute die Klage viel: "Die heilende Wirkung einer erfolgreichen Klage verschafft ihm die Genugtuung, die die Kirche nicht zu leisten imstande war."

Ratzinger lässt sich in der Sache nun nach dpa-Informationen von der Kanzlei Hogan Lovells vertreten, die nach eigenen Angaben eine der "zehn führenden wirtschaftsberatenden Rechtsanwaltssozietäten" weltweit ist. Die Kanzlei reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage. Nach Gerichtsangaben haben alle vier Beklagten um eine Fristverlängerung gebeten und darum nun bis zum 24. Januar Zeit, inhaltlich auf die Klage zu antworten.

Die Garchinger Initiative Sauerteig begrüßte den Verfahrensschritt. Sie finanziert die Klage und hatte zuvor in einem offenen Brief an Ratzinger appelliert, seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen. "Uns von der Initiative Sauerteig ist es wichtig, dass vor einem weltlichen Gericht geklärt wird, wie sowohl zwischen den Diözesen als auch ordinariatsintern Vorgänge abliefen, dass Wiederholungstäter hin und her verschoben werden und an jeder neuen Stelle sozusagen als unbeschriebenes Blatt neu anfangen konnten, obwohl schon in mehreren Pfarreien Vorwürfe bekannt geworden waren", sagte Sprecherin Rosi Mittermeier.

Der Priester H. ist einer der zentralen Fälle im Anfang des Jahres vorgestellten Missbrauchsgutachten der Erzdiözese München und Freising. Er wurde in den 80er-Jahren in Garching eingesetzt, obwohl es zuvor schon im Bistum Essen Vorwürfe gegen ihn gab - und obwohl das Amtsgericht Ebersberg ihn wegen sexuellen Missbrauch in seiner Zeit als Geistlicher in Grafing bei München verurteilt hatte. Inzwischen wurde bekannt, dass auch gegen einen Vorgänger von H., der einige Jahre vor ihm in Garching an der Alz eingesetzt war, Vorwürfe erhoben werden. Ob auch er in Garching übergriffig wurde, ist aber noch unklar. Dem Erzbistum, das mögliche Betroffene aufgerufen hat, sich zu melden, liegen einem Sprecher zufolge noch keine Meldungen mutmaßlicher Opfer vor.

Die Klage am Traunsteiner Landgericht ist möglicherweise nicht die einzige, die dem Altpapst eine Mitschuld am Vertuschungsskandal in der Kirche geben will. Anwalt Schulz teilte mit, er erwäge eine Zivilklage gegen Ratzinger für ein Opfer in den USA. Sie beziehe sich auf die Zeit, in der er Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan war und als solcher über viele Missbrauchsfälle informiert hätte sein müssen: "Eine Zivilklage wie es viele dort gab und für die die katholische Kirche dreistellige Millionenbeträge zu zahlen hatte", beschrieb Schulz das mögliche Vorhaben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5689118
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/thba
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.