Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Regierung verspricht noch mehr Testkapazitäten

Pro Tag sollen bis zu 200 000 Corona-Abstriche möglich sein. Das sei wegen des Schulbeginns und einer Grippewelle nötig

Von Lisa Schnell

Mit dem einen Versprechen hat es diese Woche nicht so gut geklappt. Statt 24 Stunden, wie von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt, warteten viele Reiserückkehrer tagelang auf ihr Testergebnis, auch wenn dieses positiv war. Damit aber hält sich Söder nicht lange auf. Alle Mängel würden diese Woche abgestellt, sagt er nach einer digitalen Kabinettssitzung am Montag und eilt gleich weiter zum nächsten Versprechen: Bis Ende August soll es in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Testzentren geben, rund hundert Stück.

"Wir fahren die Testkapazitäten weiter hoch", sagt Söder und nennt wieder eine Zahl, an der er irgendwann gemessen werden wird. Derzeit könnten etwa 55 000 Tests pro Tag gemacht werden, Ende August sollen es 200 000 sein. Weite Teile der Bevölkerung könnten damit innerhalb eines Monats komplett durchgetestet werden. Eine "große logistische Leistung", aber notwendig, weil gleich zwei Herausforderungen auf Bayern zukämen: der Schulbeginn und eine mögliche Grippewelle im Herbst. Die Gefahren, die von eng zusammenlebenden Saisonarbeitern ausgehen, sollen durch eine Verschärfung eingedämmt werden. In Zukunft dürfen Saisonarbeiter erst dann ihre Arbeit aufnehmen, wenn ein negativer Corona-Test vorliegt. Der Ausbruch unter Erntehelfern in einem Betrieb in Mamming ist laut Söder unter Kontrolle und die Lage stabil. Als eine der größten Gefahren nannte er erneut private Veranstaltungen und warnte, dass es dort auch Einschränkungen geben könne.

Ein besonderer Balanceakt werde der Schulbeginn. Auf der einen Seite müsse der Gesundheitsschutz gewahrt, auf der anderen der Bildungsauftrag erfüllt werden, sagt Söder. Ob es auch in Bayern eine Maskenpflicht während des Unterrichts geben soll, werde eine Woche vor Schulbeginn am 1. September entschieden, wenn Schüler, Eltern und Lehrer in der Staatskanzlei zu einem Schulgipfel empfangen werden. Bis auf Weiteres gilt für den Schulbeginn der von Kultusminister Michael Piazolo (FW) ausgearbeitet Stufenplan. Dieser sieht bei niedrigen Infektionszahlen einen regulären Schulbetrieb bei hohen Hygienebedingungen vor. Bei steigenden Infektionszahlen kann es zum Wechsel von Fern- und Präsenzunterricht kommen bis dahin, dass alle Kinder zu Hause unterrichtet werden. Auch regionale Unterschiede seien denkbar, sagt Piazolo. Da die digitalen Angebote aber ausgeweitet wurden, werde die Bildungsgerechtigkeit gewahrt. Schulschließungen seien die "ultima ratio", so Piazolo. Söder sagt: "Wenn es Fälle gibt, werden Schulen und Klassen auch sehr schnell und klar geschlossen." Für Lehrer und Schulpersonal soll es Tests geben. Eltern und Kinder könnten sich bei den Testzentren vor Ort testen lassen: "schnell und unbürokratisch."

Zu den Testergebnissen, die letzte Woche weniger schnell bis gar nicht ankamen, erfährt man dann aber doch noch Näheres. Die Panne erklärt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) damit, dass die Daten noch auf Papier aufgenommen und weitergegeben wurden. Das alles einzutippen, habe viel Zeit in Anspruch genommen. Besserung erhofft sie sich davon, dass nun auf eine App umgestellt werde, mit der die Ergebnisse abgerufen werden können. Leser berichteten der SZ allerdings, dass es auch bei der App Probleme gegeben hat. Dafür, dass es in Zukunft weniger Pannen-Schlagzeilen gibt, soll offenbar auch Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sorgen, den Söder am Montag zum "Corona-Koordinator" ernannte. Eine Aufgabe, die bis jetzt eigentlich Gesundheitsministerin Melanie Huml zukam.

Laut Zahlen des Landesamts für Gesundheit wurden bis jetzt 60 000 Tests an Bahnhöfen, Autobahnen und Flughäfen gemacht. Von den Proben an den Flughäfen waren knapp ein Prozent positiv, bei den Testungen an Bahnhöfen und Grenzstationen ist durchschnittlich bei 1,5 Prozent der Getesteten ein positiver Virusnachweis erfolgt. Auffällig sei, dass viele einen solchen Befund haben, obwohl sie nicht aus Risikogebieten kommen, so Söder. Eine Ausweitung der Risikogebiete sei deshalb sinnvoll. Zudem kämen etwa 60 Prozent der Getesteten gar nicht aus Bayern. Da der Freistaat als einziges Bundesland Tests an den Grenzen anbiete, leiste er damit "einen Service für ganz Deutschland". Auch wenn dieser, das muss Söder zugeben, noch "perfektioniert" werden muss.

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SZ vom 11.08.2020
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