Paläontologie:Die Reise in die Urzeit führt ins Altmühltal

Paläontologie: Einen Archaeopteryx würde jeder Sammler gern ausgraben. Aber solch ein Fund sei so selten wie ein Sechser im Lott.

Einen Archaeopteryx würde jeder Sammler gern ausgraben. Aber solch ein Fund sei so selten wie ein Sechser im Lott.

(Foto: Monika Maier-Albang)

Die Region ist eine der wichtigsten Fossilienlagerstätten der Welt. In Steinbrüchen kann man selbst auf die Suche nach Spuren urzeitlicher Pflanzen und Tiere gehen. Aber so manche Fundstücke verschwinden auf unbekannten Wegen.

Reportage von Monika Maier-Albang

Da wäre man also schon gleich mal in die falsche Richtung gegangen: zum Hang hin, nicht in die Ebene. Weil die Ebene so langweilig daliegt, wohingegen der in die Tiefe reichende Hang viel spektakulärer aussieht. Aber was, sagt Willi Bergér, der aus einer der alten Steinbruchbesitzer-Dynastien bei Eichstätt stammt, was würde wohl passieren, wenn man Fossilien, die in waagerecht aufeinander liegenden Platten Millionen Jahre überdauerten, aus einer senkrechten Wand schlägt? Genau: Man hätte Stückwerk in der Hand, bestenfalls. Wahrscheinlicher noch wäre der Fund komplett zerstört. Ganz abgesehen davon, dass ein Hang tabu ist, weil gefährlich!

Also hinein in die Mühen der Ebene: Schutzbrille auf, sich, wenn die Knie es noch mitmachen, im Stehen nach vorne beugen, den Meißel an eine Steinplatte legen und so viel wie möglich davon aus den umgebenden Schichten lösen. Dann die Platte mit Hammer und Meißel in einzelne Schichten zerlegen. Hat man Glück, findet sich ein Haarstern, ein Krebs, ein Ammonit im beigen Kalkgestein. Hat man sehr viel Glück, verbirgt sich ein Schmelzschupper zwischen den Platten. Oder eine Qualle.

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Er ist über 66 Millionen Jahre alt, sein Skelett ist eines der am besten erhaltenen und er ist der einzige bislang gefundene T. rex im Teenager-Alter. Das Dinosaurier Museum Altmühltal und die Süddeutsche Zeitung zeigen ihn jetzt erstmals in München. Weitere Informationen zur Dinosaurier-Ausstellung.

Was man immer findet hier im Solnhofener Plattenkalk, das sind Koprolithen, versteinerte Exkremente von Tintenfischen, geringelt wie ein Häuflein Regenwürmer. Und Dendriten. Sie sehen aus wie versteinerte Farne, sind aber nur sich farbig im Stein verästelnde Mineralsalze. Kleinen Kindern muss man das ja nicht unbedingt erzählen, es mindert die Freude. Ältere Sammler wissen es dann schon selbst.

Fisch frisst Saurier, der gerade einen Fisch verschlingt: Solche Dramen sind im Stein zu finden

Das Altmühltal, hier vor allem die Gegend zwischen Solnhofen und Eichstätt, gilt als eine der bedeutendsten Fossilienlagerstätten der Welt. In den Steinschichten liegen die Überreste von Tieren und Pflanzen. Vor ungefähr 150 Millionen Jahren lag das "Solnhofer-Archipel" - den Namen hat Martin Röper, Leiter des paläontologischen Museums in Solnhofen, der Region gegeben - inmitten einer subtropischen Lagunenlandschaft. Sie erstreckte sich vom Ries bis zum Bayerischen Wald, im Westen sogar bis ins heutige Frankreich, nach Lyon. Es gab dort seichte Gewässer, Korallenriffe, Inseln - und einen unglaublichen Artenreichtum im Jurameer.

Etwa 1000 Pflanzen- und Tierarten habe man bislang gefunden, sagt Röper. Er hat das Museum, das im Rathaus der Stadt Solnhofen untergebracht ist, vor ein paar Jahren modernisiert; es gibt jetzt Audioguides mit Touren, die mal Anfänger, mal Fachpublikum ansprechen wollen. Die Exponate wurden so umgehängt, dass nicht mehr alle Stücke einer Tiergruppe miteinander gezeigt werden. Vielmehr ist jetzt in einem Raum versammelt, was sich zur selben Zeit im selben Lebensraum auch wirklich hätte begegnen können.

Große Unterwasserräuber gab es im Bereich des Solnhoferarchipels zwar kaum - sie schwammen südlich oder nördlich davon im offenen Urmeer Tethys. Aber das kleine Leben in und über dem Wasser, von der Schildkröte bis zur Libelle, all das hat im versteinerten Schlamm überdauert. Die Fossilien lagerten sich bevorzugt in Insel- und Riffnähe ab, wo sie im flachen Wasser durch die Strömung zusammengespült wurden. Erhalten sind die Tiere oft so detailgetreu, dass die Besucher staunend vor Raubsauriern stehen, bei denen die Flughäute erkennbar sind, vor Fischen, an denen jede kleinste Gräte aufscheint.

Dramatische Szenen sieht man auf den Platten, festgehalten für die Ewigkeit, als wären sie Fotografien: ein Fisch im Maul eines größeren, dem der Happen offenbar nicht bekommen ist. Die Trippelspur, mal eines sich häutenden, mal eines sterbenden Pfeilschwanzkrebses. Oder, das berühmteste "Urzeitdrama", derzeit zu sehen im Dino-Park in Denkendorf: Fisch frisst Flugsaurier, der seinerseits gerade einen Fisch erbeutet hat.

Der Star der Urzeit kommt aus dem Altmühltal

Die meisten Besucher allerdings kommen ins Altmühltal, um den Star an seinem Herkunftsort zu sehen: Archaeopteryx, den gefiederten Raubsaurier. Alle zwölf bislang bekannten Exemplare wurden in der Gegend um Solnhofen und Eichstätt gefunden. Theoretisch sei solch ein Fund auch heute "jederzeit möglich", sagt Willi Bergér. Allerdings ist es hier wie mit einem Sechser im Lotto: Man kann einmal suchen und Glück haben. Oder immer wieder spielen und nie zu den Gewinnern gehören. Museumsdirektor Röper berichtet von Fossiliensuchern, die ihre Arbeit aufgaben, um in den Wäldern, immer etwas abseits der Hobbysteinbrüche, dem großen Fund hinterherzujagen. Er kenne aber kaum jemanden, der auf diese Art zu Geld oder Ruhm kam, sagt Röper.

Auf die Suche machen sich ab April, nach der Winterpause, Familien, Rentner, Schulklassen. Es gibt fünf Hobbysteinbrüche im Naturpark Altmühltal, dazu drei auf Fossilien des Oberen Jura spezialisierte Museen - und seit Kurzem auch den Dino-Park, der die Urzeit auch, aber nicht nur wissenschaftlich angeht. Im Wald bei Denkendorf sind an die 70 Kunststoffdinosaurier aufgestellt. Dass entlang der Route gern mal das Wasser zwischen den Bäumen stehen bleibt, lässt die Urzeitlandschaft nur umso realistischer aussehen.

Info

Das Altmühltal ist eine der weltweit ergiebigsten Fundstätten für Fossilien aus dem Jura, also aus einer Zeit, die mehr als 150 Millionen Jahre zurückliegt. Man kann hier an verschiedenen Orten mit Hammer und Meißel nach Fossilien graben, in den verschiedenen Steinbrüchen finden sich bestimmte Fossilien in unterschiedlicher Intensität - mal enthalten die Schichten mehr Haarsterne, mal Schwimmkrebse, Quallen oder Ammoniten:

- Hobbysteinbruch Solnhofen, Frauenberger Weg, Solnhofen, Tel.: 09145 / 832020, Erwachsene zahlen fünf, Kinder 3,5 Euro, www.solnhofen.de

- Fossiliensteinbruch Blumenberg, Kinderdorfstraße, Eichstätt, Tel.: 0157 / 73059806, Erwachsene zahlen drei, Kinder 1,5 Euro Eintritt, www.museum-berger.de/steinbruch Fossiliensteinbruch Mühlheim, Mörnsheim, Tel.: 0172 / 8566745, Erwachsene sieben, Kinder vier Euro, www.besuchersteinbruch.de

- Fossiliensteinbruch Schamhaupten, Bergstraße, Schamhaupten, Tel.: 09446 / 1330, Eintritt frei, kein Werkzeugverleih, www.altmannstein.de/fossilien

- Fossiliensammelstelle Titting, Tel.: 08423 / 985589, www.titting.de

Begleitung zur Suche bieten drei Museen und der Dino-Park in Denkendorf:

- Museum Solnhofen, Bahnhofstraße 8, Solnhofen, Tel.: 09145 / 832030, www.museum-solnhofen.de

- Museum Bergér, Harthof 1, Eichstätt, Tel.: 08421 / 4663, www.museum-berger.de. Das Museum feiert am 16. und 17. Juni den 50. Jahrestag seiner Gründung.

- Jura-Museum Eichstätt auf der Willibaldsburg, Burgstraße 19, Eichstätt, Tel.: 08421 / 60298-00, www.jura-museum.de

- Dinosaurier-Museum Altmühltal, Dinopark1, Denkendorf, Tel.: 08466 / 9046813, Erwachsene 19,5 Euro, Kinder 9,5 Euro, www.dinopark-bayern.de

Der Macher des Denkendorfer Parks, Michael Völker, sieht sein Werk als Ergänzung zum bestehenden Angebot in der Region. Seine Zielgruppe ist, bislang zumindest, eine andere: In Solnhofen liegt die Ladestation fürs E-Bike direkt vor dem Museum, und Röper sagt ganz klar: "Senioren sind unsere Zukunft." Der Dino-Park indes hat veganes Bio-Essen, Kinderspielplätze und die Lage direkt an der A9 sehr bewusst gewählt - weil so Familien von München oder Nürnberg aus relativ einfach auch für einen halben Tag herfahren können. Nur gräbt man in Denkendorf eben nicht in einem echten Steinbruch. Die Steine dort werden angeliefert; sie sind voller Ammoniten, ein "Fund" ist also garantiert. Alles andere würde wohl auch die Eltern verärgern - das Steineklopfen ist im Eintritt nicht enthalten.

In einer neuen Ausstellungshalle hat Völker zudem gemeinsam mit dem Paläontologen Raimund Albersdörfer eine Flugsaurier-Ausstellung mit eindrucksvollen Exponaten organisiert. Überhaupt scheinen sich hier zwei gefunden zu haben, die sich gut ergänzen. Der ehemalige Manager Völker bringt Geld, Begeisterung für die Urzeit und Verständnis für Marketing mit, Albersdörfer gilt in der Szene als der T. rex unter den Fossilienjägern.

Die wertvollen Platten wechselten schon früher meist unter der Hand den Besitzer

Wobei die Szene eine verschwiegene ist. Bei vielen der berühmten Fossilien - bei einigen Archaeopteryx-Exemplaren beispielsweise - ist die exakte Fundstelle nicht bekannt. Oft sei schon "an der Quelle", im Steinbruch also, "bewusst Unordnung" gemacht worden, sagt Röper. Und das ist höflich ausgedrückt. Gefunden wurden und werden die besonderen Stücke oft von Steinbrucharbeitern. Und es hängt von der Ehrlichkeit der Finder ab, ob der Steinbruchbesitzer das Stück überhaupt zu Gesicht bekommt.

Das Phänomen ist nicht neu. Schon 1904 fiel dem in Jena tätigen Geologen und Paläontologen Johannes Walther bei einem Besuch in Solnhofen auf, dass Fossilien verschleppt und dadurch die genaue Herkunft verschleiert wurde. Die Platten wechselten den Besitzer unter der Hand mal für eine Kuh, mal für so viel Geld, dass es für ein hübsches Kleid für die Frau reichte. Walther zeigt sich verständnisvoll, die Männer, so seine Vermutung, erhielten wohl eine "ungerechte Entlohnung" für die harte körperliche Arbeit. Willi Bergér will das für die Jetztzeit nicht gelten lassen. Von Hehlerstrukturen berichtet er aber gleichwohl. Es gab und gibt sie ihm zufolge unter einheimischen wie unter den aus der Türkei zugezogenen Arbeitern.

Das Museum Bergér ist im Gewölbe eines ehemaligen Kuhstalls untergebracht. Ein Familienbetrieb, in dem viel Herzblut steckt. Hier ist man schon froh, wenn genug Geld reinkommt, um die Neonröhren erneuern zu können. Der Vater von Georg Bergér, der sich maßgeblich um das Museum kümmert, hat die Vitrinen selbst gebaut. Alle Fundstücke, die gezeigt werden, stammen aus Eichstätter Steinbrüchen. "Hier ist nichts gekauft, getauscht, geklaut", sagt Georg Bergér. Sein Vater hatte schon früh begonnen, den Arbeitern Finderlohn zu zahlen.

Generell handhaben es die Hobbysteinbrüche unterschiedlich, was der Finder behalten darf - und was nicht. Wer in Solnhofen gräbt, kann in jedem Fall mitnehmen, was er findet. Der Landkreis Eichstätt, der den Hobbysteinbruch am Blumberg betreibt, erhebt keine Ansprüche auf Funde unter einem Wert von 5000 Euro. Und der Fossiliensteinbruch Mühlheim mit seinen besonders fossilienreichen "Mörnsheimer Schichten" übergibt alle wissenschaftlich relevanten Funde - "alles, was fliegt und läuft", wie man dort sagt - als Kulturgut an die Bayerische Staatssammlung.

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