OP-Methode:Der Mann mit der neuen Nase

OP-Methode: Gerhard Meier ist glücklich über seine neue Nase. Durch einen Tumor hatte er seine alte verloren.

Gerhard Meier ist glücklich über seine neue Nase. Durch einen Tumor hatte er seine alte verloren.

(Foto: oh)
  • Eine Tumor-Operation hat das Gesicht eines Mannes entstellt - er hatte keine Nase mehr.
  • Holger Gassner, plastischer Gesichtschirurg an der Uniklinik in Regensburg, konnte seinem Patienten in vier Operationen eine neue Nase rekonstruieren.
  • Der Professor hat eine eigene Operationsmethode entwickelt, die bereits Nachahmer in anderen Krankhäusern gefunden hat.

Von Dietrich Mittler

Gerhard Meier (Name geändert) steht auch an diesem Tag im Garten. Er nimmt einen tiefen Atemzug, saugt den Duft der Blüten in sich auf. Der frühere Berufssoldat ist keiner von denen, die oft das Wort "Wunder" in den Mund nehmen. Aber in seinem Fall wäre das fast angebracht. Vor gut drei Jahren klaffte in seinem Gesicht anstelle der Nase ein riesiges Loch - die Folge einer Tumoroperation, die sein Leben rettete, um den Preis, dass sein Gesicht völlig entstellt war. "Diese Totaloperation war unvermeidlich", sagt der 53-jährige Niederbayer schicksalsergeben. Innerhalb von einer Woche nur habe sich an seinem rechten Nasenflügel ein kirschgroßes, äußerst schmerzhaftes Geschwür entwickelt. "Man hat gleich erkannt, das war etwas Schlimmes", sagt er.

Die Ärzte in Straubing, die ihm zuvor stets hatten helfen können, machten ihm rasch klar: "Das ist zu heiß, eine Stufe zu hoch für uns." Sie rieten ihm, sich an Experten der Universitätsklinik Regensburg zu wenden. Und damit begann für Meier eine Erfolgsgeschichte - allerdings eine mit einem heftigen Start. "Bei der Operation des Tumors in Regensburg ist großzügig geschnitten worden, damit auch die Ränder frei von Krebszellen sind", sagt Meier. Manch andere Menschen wären an dieser Stelle verzweifelt. Er aber sagte sich: "Ich bin stark genug, ich überstehe das." Aber auch Gerhard Meier brachte es nur zweimal über sich, diesen Krater im Gesicht anzuschauen. "Das war schon ein Schlag, weil das einfach entstellend war", sagt er. Die Ärzte in Straubing versorgten die Wunde aber so geschickt, dass nicht einmal Meiers Frau eine Ahnung davon bekam, wie es unter dem Verband aussah.

Neuartige Methode der Nasenrekonstruktion

Aber mehr noch, sie gaben ihm eine Perspektive: "In der Uniklinik Regensburg, da gibt es einen Professor Gassner, der die Nase schon wieder aufbaut", erinnert sich Meier an den Rat der Ärzte. Holger Gassner - er ist plastischer Gesichtschirurg - würde bei solchen Worten wohl unmerklich zusammenzucken. So offen und dynamisch er in die Welt blickt, der 43-Jährige hat es nicht so mit der Publicity. Erst vor kurzem hat ihm sein Patient Gerhard Meier zu verstehen gegeben, er dürfe durchaus stolz sein auf die von ihm erstmals praktizierte Operationstechnik. Aber auch Gassner muss dann einräumen: "In Deutschland bin ich mit dieser Methode bislang noch der Einzige, der das so macht."

Was nicht heißt, dass die neue OP-Methode nicht mittlerweile Nachahmer gefunden hat - etwa im renommierten Johns Hopkins Hospital in Baltimore, das als eines der besten Krankenhäuser in den Vereinigten Staaten von Amerika gilt. "Ein Kollege von dort hat sich das bei uns angeschaut und dann selber angewandt. Der hat mich mittlerweile mit seinen Fallzahlen überholt", sagt Gassner. Er selbst hat seine neue Methode inzwischen bei 19 Patienten angewandt. Also bei Menschen, denen die Nase ganz oder fast ganz fehlt - sei es als Folge eines Tumors, sei es durch Unfälle oder auch Tierangriffe. "Den Menschen geben Sie damit ein Stück Leben zurück. Viele Patienten sagen mir, dass sie jetzt wieder ganz normal in die Stadt gehen können, ohne an ihre Nase zu denken." Und darauf komme es ja an, sagt der 43-Jährige, bevor er klarstellt: "Diese OP kann jeder Kassenpatient für sich in Anspruch nehmen."

OP-Methode: Ob klein und spitz, ob groß und breit: Die Nase ist prägend für das Gesicht. Ihr Verlust ist psychisch nur schwer zu verkraften.

Ob klein und spitz, ob groß und breit: Die Nase ist prägend für das Gesicht. Ihr Verlust ist psychisch nur schwer zu verkraften.

(Foto: dpa (6), AFP (3), Getty)

Wenn Gassner auf Fachkongressen die Methode vorstellt, die er und seine Arbeitsgruppe entwickelt haben, dann spricht er von "Prälaminierung" - etwas, womit also kaum einer etwas anfangen kann. Doch er weiß es in 30 Minuten so darzustellen, dass selbst der Laie meint: "Klingt ja gar nicht so schwer." Es fängt an bei den Grundsätzen: "Die Nase besteht aus drei Schichten", sagt Gassner, "der äußeren Haut, dann kommen skelettale Stützelemente, also Knochen und Knorpel. Und dann kommt die Innenauskleidung, die Schleimhaut."

Bei der bislang praktizierten Nasen-Rekonstruktion gab es große Probleme: Gewebe und Knorpel wurden viel zu oft nicht ausreichend durchblutet, sodass Knorpel und Knochen nicht anwuchsen. Und dann die Narbenbildung, durch die die Nase quasi schrumpft oder an Form verliert.

OP-Methode war kein Geistesblitz

Vor allem aber fehlte es in den Überresten der Nasen meist an Schleimhaut. Das Wenige, was noch da war, musste mühselig verteilt werden. "Und es war immer zu wenig", sagt Gassner. Seine neue Methode baut indes darauf, dass er - sehr vereinfacht - aus der Stirn einen Lappen herausschneidet. Das aber nicht vollständig, sodass dieses Gewebe weiter durchblutet bleibt. Darauf näht er ein rechteckiges Stück Haut, das er der Leistengegend entnommen hat. Diese Haut übernimmt später die Rolle der früheren Schleimhaut.

Sodann wird der Hautlappen mit dem Hautstück von der Leiste zurück auf die Stirn geklappt. Stirnhaut und Leistenhaut wachsen nun zusammen und bilden so das Gewebe, aus dem später eine neue Nase geformt wird - und das ohne die negativen Effekte der Narbenbildung. Dazu nötig sind vier Operationen - Gassner nennt sie "Rekonstruktionsschritte" -, die innerhalb von zwölf Wochen durchgezogen werden. Wie er auf diese Methode kam, beschreibt er so: "Es war eher eine Evolution von Gedanken als ein Geistesblitz."

"Meine neue Nase war mir nie fremd", sagt indes sein Patient, Gerhard Meier. Für einen 53-jährigen Mann passe das auch von der Optik her. "Selbst wenn ich erst Mitte 20 wäre und heiraten wollte, dann wär es auch kein großes Problem", sagt er.

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