Oktoberfest-Wirt Sepp Krätz:Der Häuptling mit dem Gamsbart

Als er das Zelt übernahm, verkehrten dort "kleine Straßenzuhälter", heute lassen sich im Hippodrom gerne die Stars und Sternchen blicken. Darauf ist Wirt Sepp Krätz stolz - ein bisschen auch auf sich selbst.

P. Fahrenholz und B. Kruse

Dass Sepp Krätz ein straffes Regiment führt, lässt sich schon am Mittag beobachten, wenn der Andrang noch nicht so groß ist. Ein Wink des Wirtes an einen Kellner, und kurz darauf spielt die Kapelle im Hippodrom ein wenig leiser. Und als sich am Nebentisch ein pittoresker Gast im Astronautenkostüm niederlässt und von einem Begleiter pausenlos fotografiert wird, greift Krätz sofort ein. "Ich will nicht so einen Aufzug im Zelt, das kann er draußen machen", weist er die Bedienungen an.

177. Oktoberfest - Eröffnung

Sepp Krätz betritt sein Reich: Der Festwirt aus Leidenschaft führt das Hippodrom seit 15 Jahren - hier läuft er mit Tina Fichtel zum Anstich am ersten Wiesn-Samstag ein.

(Foto: dpa)

Seit 1995 führt Krätz das Hippdrom, das kleinste der großen Zelte. Zehn Jahre hatte er sich zuvor schon für die Wiesn beworben, und als er endlich zum Zuge kam, musste er ein ziemlich heruntergewirtschaftetes Zelt wieder hochbringen. Das Hippodrom sei "richtig asozial" gewesen, sagte Krätz. "Da sind so kleine Straßenzuhälter reingegangen". Das Essen war schlecht und von den rot, gelb und Grüntönen, in denen das Zelt heute gehalten ist, war auch noch nichts zu sehen.

Krätz hat alles umgemodelt, sein Stammpublikum aus der Waldwirtschaft und dem Andechser angelockt. Drei Jahre habe der Imagewechsel gedauert, sagt er. Inzwischen hat eine Mitarbeiterin ihm auf Geheiß seinen neuen Trachtenhut aus dem Büro gebracht. Gleich setzt er ihn auf - und wird von den Touristen am Nebentisch sogleich auf den unglaublich großen Gamsbart angesprochen, der die Kopfbedeckung schmückt.

Seine stahlblauen Augen strahlen noch ein bisschen mehr, als er erzählt, dass es acht Gemsen für die Pracht gebraucht habe. Und dass er das Stück "von lieben Freunden" erst in diesem Jahr geschenkt bekommen habe. Als er zum Gastronom des Jahres 2011 ausgezeichnet wurde. Darauf ist er auch ein bisschen stolz. Und wer von dieser Auszeichnung noch nicht aus der Presse erfahren hat, wird im Zelt darauf aufmerksam gemacht. Ein großes Transparent hängt über dem Haupteingang. "Da hat's den richtigen erwischt", findet Krätz.

Heute ist das Hippodrom ein Zelt mit beachtlicher Promidichte, was Krätz ein wenig herunterzuspielen versucht. "Der Käfer ist prominent, wir sind bürgerlich", sagt er. Dass auf seiner Getränkekarte ein Wein des französischen Schauspielers Gérard Depardieu steht und dieser auch die nächsten Tage bei ihm vorbeikommen möchte, tut er mit einem verschmitzten Lächeln ab. Und auch in den Wänden der Boxen hängen unzählige gerahmte Bilder von bekannten und weniger bekannten Menschen. Aber dass der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber auch heute noch gerne mit Gattin Karin zu ihm ins Zelt kommt, betont er gerne.

Wenig später taucht dann eine Freundin von Paris Hilton auf, die sofort von Fotografen umlagert wird. Keine halbe Stunde bleibt sie, nippt an einem Bier, knabbert an einer Breze. Kaum ist der Lippenstift nachgezogen, verschwindet die Entourage wieder aus dem Zelt - unbeachtet von den meisten Gästen.

Auf sein Zelt ist Krätz sichtlich stolz, auf sich selbst durchaus auch: Krätz ist einer jener Wirte, die den Kontakt mit den Gästen genießen, Händeschütteln sei für ihn "keine Arbeit". Im Gegenteil: Er genießt es, durch die Reihen zu gehen, mit den Gästen zu reden. Sein Zelt soll die nächsten zehn Jahre so bleiben, wünscht sich Krätz. Träumt er davon, irgendwann mal ein größeres Zelt zu übernehmen? "Ganz bestimmt nicht", beteuert er, "ich bin mit dem Hippodrom verheiratet".

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