Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest:Bakteriencocktail mit einem Hauch Zitrone

Es sollte sein größter Coup werden: Hubert Hackl wollte den Gestank in Wiesnzelten mit Bakterien unterbinden. Seine Kulturen bleiben aber vorerst unter Verschluss - Hackl soll die Wirksamkeit beweisen.

W. Luef

Wenn das Telefon läutet, bleiben 15 Minuten. Am Freitag der ersten Wiesn-Woche kommt der Anruf am Mittag: Eine Maßkrug-Spülmaschine in einer der Schenken ist defekt. Es ist ein älteres Modell, Baujahr 1989, über ihr Förderband laufen 2000 Maßkrüge pro Stunde. Wenn sie funktioniert. Wenn nicht, muss Hubert Hackl binnen 15 Minuten für Ersatz sorgen.

"Die Rechnung ist einfach", sagt er. "In den meisten Schenken stehen 500 Krüge in den Regalen." Eingeschenkt werden pro Stunde 2000 Maß Bier. Das heißt: In einer Viertelstunde gehen die Gläservorräte zu Ende, und die Gäste bleiben trocken sitzen - der Albtraum jedes Wiesn-Wirts.

Wenige Minuten später rollen die Mitarbeiter von Hubert Hackl die defekte Maschine an den Bauzäunen vorbei in Richtung Hauptquartier. Das Ersatzgerät ist bereits installiert. Direkt hinter dem Augustiner-Festzelt, zwischen Brezn-Bäckerei und zentralem Mistplatz, baut Hubert Hackl jedes Jahr seine zwei Container auf, "in der Mitte des Festgeländes", wie er selbst sagt.

Begonnen hat Hackl vor 28 Jahren als erster Lieferant von Geschirrspülmitteln, weil er es nicht mehr mit ansehen konnte, wie die Maßkrüge in das immer gleiche Spülwasser in den hölzernen Waschzuber getaucht wurden. Mittlerweile ist er nach eigenen Angaben der größte Geräteverleiher der Wiesn, alleine 80 seiner Gläser-Spülmaschinen stehen in den verschiedenen Zelten, dazu Geschirrspüler und allerlei Kochgerät.

Neu im Angebot: Bakterien

In diesem Jahr wollte Hackl noch eins drauf setzen. Neben Leih-Geräten und Sofort-Service hat er den Festwirten noch etwas anderes angeboten: Bakterien. Hackl selbst nennt seine kleinen Lebewesen lieber "Mikro-Organismen", weil er findet, dass das freundlicher klingt. Die Organismen hätten dafür sorgen sollen, dass unter den Planken der Festzelte keine schlechten Gerüche entstehen. "Wenn man da drunter schaut, wo es unweigerlich immer nass ist, kommt einem das Grausen", sagt Hackl.

Der Dreck an den Schuhen der Besucher, das ganze ausgekippte Bier, winzige Stückchen Schweinsbraten und Leberkäse, all das würde durch die Ritzen zwischen den Brettern fallen und dort unten zu faulen beginnen. "Ich weiß ja, wie es aussieht, wenn die Zelte abgebaut werden." Und das, ist Hackl überzeugt, hätten seine Organismen deutlich verlangsamt. Die trübe Flüssigkeit, die er zwischen die Planken spritzen wollte, erinnert ein wenig an Märzen-Bier und riecht laut Hackl "angenehm erdig und malzig, mit einem Hauch von Zitrone".

Sein Produkt namens "Elbomex" wird für gewöhnlich als Pflanzenstärkungsmittel eingesetzt - es unterstützt Tomaten in Bio-Gärtnereien und sorgt für ein sattes Grün auf Golfplätzen. Chemie-Unternehmer Hackl extrahiert es aus Gartenabfällen. "Das ist im Grunde flüssiger Humus", sagt er. "Und ein Nebeneffekt ist, dass keine Fäulnis entsteht, kein Schimmel und keine Gerüche." Bei der ersten rauchfreien Wiesn sei das besonders wichtig - der Zigarettenrauch habe nicht nur Gerüche übertüncht, die Asche und Tabakreste hätten auch unter den Zeltplanken eine konservierende Wirkung entfaltet und den Fäulnisprozess verlangsamt.

Mit drei Festzelten hatte er bereits Vereinbarungen getroffen, erzählt Hackl: Etwa 200 Milliliter Elbomex pro Quadratmeter, alle 48 Stunden aufgetragen, macht etwa 160 Euro pro Zelt und Tag. Zum Selbstkostenpreis, wie Hackl betont. "Interessiert waren die Wirte durch die Bank, aber meine Kapazitäten haben nur für drei Zelte gereicht."

Der Wirt kommt mit einer kaputten Fritöse, der Koch mit einem Topf

Allein: Das Gesundheitsamt der Stadt hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. "Sie haben mir am Freitag vor der Wiesn in einem Brief mitgeteilt, dass ich mir das sehr gut überlegen soll", erzählt er. Katrin Zettler vom zuständigen Referat für Gesundheit und Umwelt bemängelt, dass ein Gutachten über die Wirkung zur Geruchsvermeidung fehlt und auch die genaue Wirkungsweise der Bakterien nicht dargelegt wurde. Man könne nicht ausschließen, dass jemand gegen die Bakterien allergisch sei.

"Jetzt soll der Einsatz der Mikro-Organismen auf Volksfesten untersucht werden. Ich frage mich, wie das ohne Volksfest gehen soll", sagt Hackl etwas missmutig. Dennoch will er über die Behörde kein schlechtes Wort verlieren: "Es war ein sehr kollegiales Gespräch."

Eingesetzt werden Hackls Mikro-Organismen nun auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart, wo es zwar statt Holzplanken einen Betonboden gibt, aber die Abflüsse in den Küchen schlecht riechen - was die Bakterien ändern sollen.

Auf der Wiesn bleibt für Hubert Hackl vorerst alles beim Alten. Das heißt zum Beispiel, dass sein Handy im Minutentakt läutet - und das bei weitem nicht nur wegen kaputter Geschirrspülmaschinen. Da ruft ein Unternehmer aus Frankfurt an, der Hackls Beziehungen nutzen möchte, um doch noch einen Tisch zu bekommen.

Manchmal komme auch ein Wirt mit einer defekten Fritteuse vorbei, ein Koch mit einem gerissenen Topf-Henkel oder auch nur eine Besucherin einem kaputten Schuh. "Wir haben hier die einzige Werkstatt auf dem Festgelände", sagt Hackl lächelnd. "Und bei der Wiesn ist es ja so: Wir sind alle eine Familie."

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SZ vom 29.09.2010/mob
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