Wahlrecht in Bayern:ÖDP will Reform des bayerischen Wahlrechts erzwingen – mit geringer Aussicht auf Erfolg

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Den Einzug in den Landtag hat die ÖDP 2023 verpasst, jetzt strebt sie eine Reform des bayerischen Wahlrechts an. (Foto: Uwe Lein/dpa)

Holt eine Partei genug Direktmandate, darf sie in den Bundestag einziehen, selbst wenn sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Die ÖPD findet, das müsste auch für den Landtag gelten – und plant eine Klage gegen das bayerische Wahlrecht. Die Erfolgschancen sind überschaubar.

Von Andreas Glas

Wenn die ÖDP mit einer Forderung ums Eck kommt, ist das ein Grund, hellhörig zu werden. Die Partei war noch nie im Landtag – und hat trotzdem einiges erreicht. Da war der Volksentscheid zur Abschaffung des bayerischen Senats, 1998. Dann, 2010: Die CSU wollte kein radikales Nichtraucherschutzgesetz, die ÖDP setzte es per Volksentscheid durch. 2019: das Bienen-Volksbegehren für mehr Artenschutz, auch eine ÖDP-Initiative. Und jetzt? Will die Partei das bayerische Wahlrecht reformieren. Eine Idee mit Erfolgschancen?

„Die ÖDP will eine Klage gegen die jetzige Form des bayerischen Landeswahlgesetzes einreichen“, teilten Ende Juli die beiden Landeschefs Agnes Becker und Tobias Ruff mit. Die Ankündigung kam am selben Tag, an dem in Karlsruhe das Bundesverfassungsgericht die Wahlrechtsreform im Bund teilweise gekippt hatte.

Die ÖDP-Vorsitzenden Agnes Becker und Tobias Ruff wollen das Wahlrecht in Bayern reformieren. Hier freuen sie sich 2022 über ihre Wiederwahl als Landesvorsitzende. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Konkret ging es um die beschlossene Abschaffung der sogenannten Grundmandatsklausel, die Parteien auch dann den Einzug in den Bundestag garantiert, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde landen, aber mindestens drei Direktmandate gewinnen. Das Verfassungsgericht hat die Klausel wieder in Kraft gesetzt. Weshalb die ÖDP findet, dass sie jetzt auch in Bayern kommen muss. Mit ihrer Klage wollen Becker und Ruff erzwingen, dass eine Partei, die in mindestens einem der sieben Regierungsbezirke die Prozenthürde überspringt, in den Landtag einzieht – und zwar unabhängig davon, ob sie bayernweit fünf Prozent holt oder nicht.

„Die Sache ist nicht übertragbar auf die bayerischen Verhältnisse“, sagt Frank Decker – und dämpft die Hoffnungen der ÖDP, die sich von einer Wahlrechtsreform in Bayern bessere Chancen erhofft, endlich mal in den Landtag zu kommen. Decker ist Politikwissenschaftler an der Universität Bonn und war bei der Wahlrechtsverhandlung in Karlsruhe als Sachverständiger geladen. Er glaubt nicht, dass die ÖDP mit ihrer Argumentation durchkommt.

Aus ÖDP-Sicht sagt das Karlsruher Urteil, dass „regionale Besonderheiten im eigenen Wahlgebiet nicht ignoriert werden dürfen“. Ganz wesentlich ging es in Karlsruhe ja um die CSU, die als Regionalpartei nur bayernweit antritt – und fürchten musste, ohne Grundmandatsklausel selbst dann nicht in den Bundestag einzuziehen, wenn sie alle bayerischen Direktmandate holt. Politikwissenschaftler Decker interpretiert das Urteil anders. Ihm zufolge haben die Richter ihre Entscheidung weniger regional begründet, sondern „explizit mit der Sondersituation der CSU“, die im Bund eine Fraktionsgemeinschaft mit der CDU pflegt, die „eine der tragenden Säulen des Parteiensystems“ sei – und mit dem Wegfall der Grundmandatsklausel gefährdet wäre. In Bayern dagegen gibt es keine solchen Fraktionsgemeinschaften. Und damit womöglich keine Grundlage für eine Klage der ÖDP.

Alles etwas kompliziert, aber ein bisschen Hoffnung macht Frank Decker der ÖDP dann doch. Die Partei möchte ja auch die Fünf-Prozent-Hürde senken – und zumindest das hält der Politikwissenschaftler für denkbar. Bislang, sagt Decker, habe das Bundesverfassungsgericht immer betont, dass die Hürde eine Zersplitterung des Parteiensystems verhindert – und stabile Regierungsbildungen erleichtert. Doch insbesondere mit Blick auf den Osten der Republik könnten Regierungsbildungen sogar schwieriger werden, wenn außer CDU, AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) keine oder nur noch wenige, marginalisierte Parteien den Einzug in die Landtage schaffen. Das Zersplitterungsargument „greift dann eigentlich nicht mehr“, sagt Decker. Darin könnten Ansätze liegen, „mit dem man die Fünf-Prozent-Hürde generell angreifen kann“.

Allerdings, und das ist der nächste Haken für die ÖDP: Um die Prozenthürde in Bayern zu kippen, müsste eine Zweidrittelmehrheit im Landtag dafür stimmen, die Verfassung entsprechend zu ändern. „Die Frage ist: Gibt es dafür politische Unterstützung? Die Mehrheitspartei, die CSU, hat wahrscheinlich kein Interesse daran“, sagt Frank Decker. „Die haben ja schon genug mit der Konkurrenz der Freien Wähler zu tun. Warum sollte sie dem zustimmen und sich noch mehr Konkurrenz aus dem bürgerlichen Lager ins Parlament holen?“

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