Jahresbericht:Rechnungshof kritisiert Schlamperei bei Waffenkontrolle

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In Bayern waren Ende 2019 über 250 000 legale Waffen registriert. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Laut ORH überprüfen die Kommunen oft nicht, ob die Besitzer ihre Pistolen und Gewehre ordnungsgemäß unter Verschluss halten. In Bayern waren Ende 2019 mehr als 250 000 legale Waffen registriert.

Von Matthias Köpf

Die Corona-Krise beschäftigt längst auch Bayerns oberste Kassenprüfer, und sie werden viel zu prüfen haben: Der Landtag hat der Staatsregierung allein 2020 Kredite und Bürgschaften von insgesamt 78 Milliarden Euro zugestanden, um die Folgen der Pandemie zu lindern. Nach Angaben des Bayerischen Obersten Rechnungshofs (ORH) war bis Ende 2020 etwa ein Zehntel der Summe ausgeschöpft. Dass der Freistaat für all das eine Ausnahme von seiner eigenen Schuldenbremse macht, hält der ORH erklärtermaßen auch 2021 für vertretbar. "Diese Schulden belasten dann kommende Haushalte und Generationen noch auf Jahrzehnte", mahnte allerdings ORH-Präsident Christoph Hillenbrand, der am Dienstag den Jahresbericht für 2021 vorlegte. Deshalb nehme man bereits unter die Lupe, ob der Staat seine Mittel auch bei den Corona-Hilfen transparent, zielgerichtet und wirksam einsetze. Dass er das sonst nicht immer tut, zeigt der ORH in seinem Bericht anhand einiger Prüfergebnisse aus den Jahren bis 2019.

Dürrehilfen

Die mehr als 14 Millionen Euro an Hilfen, die der Staat nach den Dürreschäden 2018 an Landwirte ausgezahlt hat, nennt der ORH explizit als Beispiel für "Mitnahmeeffekte", wie sie nun auch bei den Coronahilfen drohten. Bei den Dürrehilfen sei es zu "erheblichen Ungereimtheiten und Umsetzungsmängeln" gekommen. So habe das Landwirtschaftsministerium weder darauf geachtet, ob sich Antragsteller finanziell selbst hätten helfen können, noch ob überhaupt Schäden in relevanter Höhe eingetreten seien. "Statt wirklich existenzgefährdeten Landwirten schnell zu helfen", seien in fast der Hälfte der Fälle Futterkäufe für weniger als 5000 Euro bezahlt worden - teils unabhängig davon, ob die Bauern auch ohne Dürre zugekauft hätten.

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Tourismusförderung

Mit 96 Millionen Euro hat der Freistaat zwischen 2012 und 2019 Kommunen beim Anschaffen touristischer Infrastruktur wie Loipenspurgeräten unterstützt. 15 Einzelprojekte hat der ORH untersucht - und bei keinem davon sei hinterher überprüft worden, ob sich für Touristen und Gastgeber tatsächlich etwas verbessert hat. Oft seien Aufträge nicht rechtskonform vergeben worden. Förderbescheide hätten in rund zwei Dritteln der Fälle den Höchstsatz von 50 Prozent der Kosten überschritten.

Kommunale Baumaßnahmen

Das Land steckt jedes Jahr rund eine halben Milliarde Euro in kommunale Bauprojekte wie Schulen und Kindergärten, und auch da hapert es nach Ansicht des ORH bei der Kontrolle, wie die Mittel eingesetzt werden. Viele Akten seien unauffindbar, oft hätten sich Kommunen die richtige Mittelverwendung selbst bestätigen dürfen. Zudem hält es der ORH "für längst an der Zeit, nach 50 Jahren und milliardenschweren Zuwendungen" das Förderprogramm für Umgehungsstraßen zu evaluieren.

Betriebsprüfungen

Zu wenig kontrolliert wird dem ORH auch bei Bayerns Betrieben. Kleinbetriebe müssten nur alle 44 Jahre mit einer Steuerprüfung rechnen, mittlere alle 23 Jahre. Und wenn geprüft werde, habe das nur kurzfristige Folgen. Ein Langzeiteffekt auf die Steuereinnahmen scheitere oft an fehlender Kommunikation der Behörden. So könnten dem Fiskus bis zu 39 Millionen Euro in neun Jahren durch die Lappen gehen.

Waffenrecht

Den 71 staatlichen Landratsämtern und den Verwaltungen der 25 kreisfreien Städte wirft der ORH Versäumnisse bei der Kontrolle und Dokumentation der Waffenbestände in Privatbesitz vor. Es fehle oft an Fachkenntnissen oder Personal, sodass es von 15 381 vorgesehenen Kontrollen nur rund 70 Prozent tatsächlich gegeben habe.

Veterinärkontrollen

Trotz früherer Kritik des ORH und eindeutiger Vorgaben von EU und Bund verfehle der Freistaat auch die Kontrollquoten in der Schweinehaltung. So seien vor drei Jahren 17 Prozent der Schweinehalter und sieben Prozent der Rinderhalter von den Kontrollsystemen nicht erfasst gewesen. 2019 seien rund ein Fünftel der Schweinemäster nicht regelkonform kontrolliert worden. "Bei derartigen Kontrolldefiziten hinsichtlich Tierschutz und Tiergesundheit" seien auch gravierende finanzielle Folgen nicht ausgeschlossen - etwa wenn die Schweinepest ausbreche und "wirtschaftliche Einbußen durch Hilfsprogramme ausgeglichen werden müssten".

Versteigerungen

Gepfändete Wertsachen könnte der Staat nach Ansicht des ORH effektiver zu Geld machen, wenn er sie elektronisch versteigern würde statt auf Präsenzversteigerungen zu setzen, die in etwa 30 Prozent der Fälle mehr kosteten, als sie einspielten.

Falsche Gehaltsabrechnungen

Selbst was die Abrechnungen für sein eigenes Personal betrifft, muss sich der Freistaat vom ORH Versäumnisse vorhalten lassen. Er zahle jährlich rund 15 Milliarden Euro Bezüge an seine gut 400 000 Bediensteten aus, ohne dass Prüfer vollen Zugang zu allen Daten hätten. Diese würden oft viel zu spät aktualisiert, Sachbearbeiter prüften ihre Entscheidungen teils selbst.

Die Kritikpunkte des ORH werden in der Folge den Landtag beschäftigen. Mehrere Oppositionspolitiker schlossen sich ihnen am Dienstag an. SPD und Grüne monierten zugleich, dass hohe Summen etwa für den öffentlichen Verkehr, die Wohnraumförderung oder die digitale Ausstattung der Schulen nicht ausgegeben wurden. Ministerien wiesen manche Punkte zurück. So beruht die ORH-Kritik an den Waffenbehörden für Innenminister Joachim Herrmann (CSU) "auf fragwürdiger Analyse".

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