Wer in eine Seilbahn steigt, hat meist ein eindeutiges Ziel: den Berg. Er will nicht eine Stunde in einer Menschenmasse anstehen und in einer Großkabine ebenfalls stehend den Berg hochfahren, mit Aussicht auf den Hinterkopf des Nebenmanns statt auf die Berge. Doch an Spitzentagen kann das bei der Nebelhornbahn in Oberstdorf passieren. "Wir werden ein bisschen von unserem Erfolg gedrängt", sagt Peter Schöttl, Vorstand der Nebelhornbahn AG. Die vielen Gäste seien ja "eine schöne Sache", wirtschaftlich steht das Unternehmen gut da, aber warten lassen will man seine Gäste auch nicht. "Unserer Meinung nach ist die Beförderung in Pendelbahnen nicht mehr ganz zeitgemäß."
Es sind sogar drei aufeinander folgende Pendelbahnen, die die Passagiere die 1400 Höhenmeter zum Nebelhorn hinaufbringen. In jeder Kabine finden 60 Personen Platz, zwischendrin muss man umsteigen. Das soll sich jetzt ändern. Die Nebelhornbahn AG will die unteren beiden Bahnen, die inzwischen mehr als 40 Jahre alt sind, durch eine Umlaufbahn mit Zehner-Kabinen ersetzen. Statt zwei Großkabinen würden dann 35 kleine pro Sektion fahren. Umsteigen müsste man nicht mehr, zu- oder aussteigen könnte man aber weiterhin an der Zwischenstation, der Seealpe. "Vor allem können alle Leute sitzen und haben eine gleich gute Aussicht", sagt Schöttl.
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Nach 120 Jahren wird die Arbeit der Mitarbeiter der Wetterstation auf Deutschlands höchstem Berg weitgehend ersetzt. Aber ganz ohne den Menschen geht es dann doch nicht.
Die neue Bahn könnte doppelt so viele Menschen auf den Gipfel bringen wie die jetzige - 1200 in einer Stunde statt 600. Oder anders ausgedrückt: im Durchschnitt alle drei Sekunden einen. Doch Schöttl betont auch: "Unser Fokus ist nicht in erster Linie, die Fahrgastzahlen gewaltig zu steigern." Er wäre schon froh, wenn man die halbe Million vom vergangenen Jahr auf Dauer halten könnte.
Das im Oktober 2017 beendete Geschäftsjahr war ein Rekordjahr: 320 0000 Fahrgäste im Sommer und 180 000 im Winter. Schöttl führt das auf das gute Wetter und das neue Gipfelrestaurant zurück - ein schicker Holz-Glas-Bau mit Panoramablick. 5,8 Millionen Euro hat das Prestigeobjekt gekostet. Die hohen Besucherzahlen konnte die Nebelhornbahn im vergangenen Winter nicht halten. "Das Wetter war wechselhafter, und der Neuigkeiteneffekt hat wahrscheinlich abgenommen", sagt Schöttl.
Die neue Seilbahn wird noch mal um einiges teurer werden: 40 Millionen Euro sind veranschlagt. Noch ist der Baubeschluss nicht gefasst, doch Schöttl geht davon aus, dass die Planungsphase bis spätestens Ende dieses Jahres abgeschlossen sein wird. Im Herbst soll der Bauantrag gestellt werden. "Wenn alles so läuft, wie wir uns das vorstellen, werden Mitte des Jahres 2019 erste Bauarbeiten begonnen werden können", sagt Schöttl.
Wanderer und Skifahrer sollen weiterhin auf den Berg fahren können, zumindest am Anfang. Erst wenn die Talstation abgerissen und neu gebaut werde, müsse die Bahn mal für ein halbes Jahr pausieren. Von Winter 2020 oder Sommer 2021 an sollen die Gäste dann in der neuen Bahn auf den Berg gondeln können. "Momentan sieht es so aus, als wenn es diesmal gelingen würde", sagt Schöttl.
Denn 2008 wollte das Unternehmen schon einmal seine Seilbahn erneuern. Damals waren die Pläne an der Finanzierung gescheitert; ein großer Aktionär konnte die nötige Summe nicht auftreiben. Diesmal soll es anders werden. Schöttl gibt sich vor allem aus drei Gründen optimistisch: "Zum einen haben wir momentan sehr niedrige Darlehenszinsen, das war 2008 nicht der Fall", sagt er. Es sei eine gute Zeit für Investitionen, das zeige auch der Ausbau der Jennerbahn und der Zugspitzbahn, zwei weitere Millionenprojekte. "Zweitens sind die Großaktionäre mittlerweile bereit, diese Investition mitzutragen, und drittens gibt es jetzt das Seilbahnförderprogramm." Auch in der Oberstdorfer Bevölkerung und Politik sei das Projekt gut angenommen worden. "2008 gab es deutlich mehr Diskussionen."
Doch nicht alle klatschen Beifall. "Wenn mehr Leute auf den Berg hoch gehen, ist das immer suboptimal", sagt Michael Finger vom Bund Naturschutz in Oberstdorf. Der Berg sei ohnehin schon überlaufen. Wenn die Besucherzahl steige, erhöhe sich auch der Druck auf das Naturschutzgebiet, und die Tier- und Pflanzenwelt werde sich noch mehr zurückziehen. "Wenn einer über eine Blumenwiese läuft, dann ist das nicht so schlimm, aber wenn es hundert tun, dann ist es eine mittlere Katastrophe."
Peter Schöttl geht nicht davon aus, dass die Natur leiden wird. "Wir sind ursprünglich von einer höheren Förderkapazität ausgegangen und sind jetzt mit 1200 Personen pro Stunde noch mal deutlich zurückgegangen", sagt er. In dieser Größenordnung hätten sich auch die Gästezahlen im vergangenen Jahr zu Spitzenzeiten bewegt. "Die konnten am Gipfel gut bewältigt werden." Schöttl spricht deshalb vom "Generalprobenjahr". Auch Parkplätze im Tal seien ausreichend vorhanden - wenn tatsächlich nur Seilbahngäste auf den Parkplätzen der Nebelhornbahn parken würden. Da wolle man den "Druck auf die Gäste anderer Infrastrukturen" erhöhen.
Die Nebelhornbahn ist mit bis zu 2224 Metern das höchste Skigebiet im Allgäu. Vom Tal bis zum Gipfel werden die Pisten künstlich beschneit, was Umweltschützer kritisieren. Angesichts der Erderwärmung stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, 40 Millionen - teils mit staatlicher Hilfe - in ein Skigebiet zu stecken. Schöttl gibt sich gelassen. "Für uns haben irgendwelche Klimaentwicklungen, die vielleicht in 100 Jahren mal kommen, keine große Bedeutung", sagt er. "Der wesentliche Anteil unserer Fahrgäste sind ohnehin Fußgänger." Und die bräuchten keine Pisten.