Erinnerungskultur:"Idyll und Verbrechen"

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Der massive Neubau schmiegt sich direkt neben dem alten Dokuzentrum in den Hang des Obersalzbergs. (Foto: Tobias Achatz/StMB)

Nach vielen Verzögerungen und erheblichen Kostensteigerungen ist der Erweiterungsbau für die Dokumentation am Obersalzberg bei Berchtesgaden fertig. Die neue Dauerausstellung soll vom kommenden Jahr an zu sehen sein.

Von Matthias Köpf, Berchtesgaden

Dieser Ort steht für beides, und wie kaum irgendwo sonst in Deutschland kommen beide Begriffe am Obersalzberg zusammen: "Idyll und Verbrechen" wollen die Historiker vom Institut für Zeitgeschichte ihre neue Dauerausstellung deswegen nennen. Das Konzept dafür existiert seit mehr als dreieinhalb Jahren, die Ausstellungsmacher haben es damals drunten im Tal im Berchtesgadener Kongresshaus vorgestellt. Droben hatten die Arbeiter da gerade die Baugrube für das neue Gebäude in den Hang gesprengt, schon zu der Zeit etwas hinter dem Plan. Doch die Bauarbeiten auf dem in jeder Hinsicht schwierigen Terrain zogen sich danach noch weiter in die Länge. Wieder ging das Geld zur Neige, so dass der Landtag 2019 zähneknirschend weitere achteinhalb Millionen Euro genehmigen musste. Nun aber, so hat es Bayerns Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) gerade mitgeteilt, ist der Erweiterungsbau für die Dokumentation Obersalzberg fertig. Die neue Dauerausstellung soll im kommenden Jahr öffnen.

Sie soll vor allem in ihrer Präsentation zeitgemäßer werden als die bisherige, 1999 eröffnete Dokumentation. Die hatte Hitlers Rückzugsort und zweiten Regierungssitz dem allzu oft recht wohligen Nazi-Grusel mancher Besucher entziehen sollen und war trotz anfänglicher lokaler Widerstände bald so erfolgreich, dass sich statt der erwarteten 40 000 Besucher pro Jahr zuletzt etwa 170 000 Menschen durch das lichte Gebäude aus Holz und Glas schoben. Dafür war der Bau, der auf den Grundmauern von Hitlers "Gästehaus Hoher Göll" errichtet worden war und nun zum Seminarzentrum werden soll, allerdings längst zu klein, so dass sich der Freistaat 2014 zu einem Neubau entschlossen hat. Der ist mit Baukosten von 30,1 Millionen Euro am Ende mehr als doppelt so teuer geworden wie geplant, zum wiederholten Ärger der Haushälter im Landtag. Auch in anderen Gedenkstätten, in denen weniger die Nazis selbst im Zentrum stehen, sondern ihrer vielen Millionen Opfer gedacht wird, runzelte mancher die Stirn angesichts der Summen, die da in den "Täterort" Obersalzberg flossen.

Rundgang durch Bunker

"Es war eine herausfordernde Baustelle. Umso mehr freue ich mich, dass wir einen so gelungenen Neubau übergeben können", bilanziert nun Bauministerin Schreyer, die zwischenzeitlich die Reißleine gezogen hatte und etlichen beteiligten Planern die Verträge kündigen ließ. Der siegreiche Wettbewerbsentwurf einer Arbeitsgemeinschaft um den Vorarlberger Architekten Gerhard Aicher wurde von anderen Büros zu Ende gebaut. Die rund 1000 Quadratmeter Fläche für Dauer- und Sonderausstellungen, ein Filmsaal und die neuen Funktionsräume liegen weitgehend im Berghang, nach außen hin zeigt sich viel Sichtbeton mit schmalen Glasfronten. Während aus dem Altbau Teile der Bunker im Berg, die für viele Besucher ein besonderes Faszinosum darstellen, nur als Sackgasse zugänglich waren, werden sie vom Neubau aus Teil des Rundgangs werden.

Teile der Bunkeranlagen im Berg werden in Zukunft Teil des Rundgangs sein. (Foto: Tobias Achatz/StMB)

Ein reiner Täterort soll in Zukunft auch der Obersalzberg nicht mehr sein. Die neue Dauerausstellung wird exemplarisch auch Auschwitz, Leningrad, Kaunas, Treblinka und Warschau sowie die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz in den Blick nehmen und auch von Menschen aus Berchtesgaden und der Umgebung erzählen, die den Nazis und ihre Plänen zum Opfer fielen.

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