Obersalzberg:Staatsregierung will keine Kunst an Hitlers Propaganda-Idyll

Obersalzberg: Noch dominiert die Baustelle am Obersalzberg, 2020 soll dann das neue Gebäude samt neuer Dokumentation fertig sein.

Noch dominiert die Baustelle am Obersalzberg, 2020 soll dann das neue Gebäude samt neuer Dokumentation fertig sein.

(Foto: Matthias Köpf)
  • Grundsätzlich sollen bei staatlichen Vorhaben bis zu zwei Prozent der Gebäudekosten für Kunstwerke ausgegeben werden.
  • Beim Neubau der Dokumentation am Obersalzberg will die Staatsregierung allerdings keine Kunstwerke, sie will die Dokumentation für sich sprechen lassen.
  • Sepp Dürr, kulturpolitischer Sprecher der Grünen, sieht das anders.

Von Matthias Köpf, Berchtesgaden

Der Ort war Hitlers durchinszeniertes Propaganda-Idyll, zweiter Regierungssitz neben der Berliner Reichskanzlei. Hier wurden Verbrechen geplant und beschlossen, die Tod und Vernichtung über die halbe Welt brachten und Millionen Menschen das Leben kosteten. 1999 hat der Freistaat Bayern die Dokumentation Obersalzberg eingerichtet, um diesen Ort nicht denen zu überlassen, die sich von ihm dunkel faszinieren lassen oder die mit dieser Faszination ihre Geschäfte machen.

Derzeit wird an einem größeren Neubau für die von Besuchern überlaufene Dokumentation gearbeitet, von 2020 an soll darin eine ganz neue Ausstellung zu sehen sein. Die Frage, welche Rolle die Kunst dabei spielen kann und soll, beschäftigt inzwischen die Politik. Angestoßen hat diese Debatte der Landtagsabgeordnete Sepp Dürr (Grüne). Als kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion verlangt Dürr, dass der Freistaat sich auch am Obersalzberg an seine eigenen Richtlinien hält und im Rahmen des Projekts einen Wettbewerb für "Kunst am Bau" ausschreibt. Dagegen hält die Staatsregierung Kunst am Bau speziell am Obersalzberg für unangebracht. Sie will die Dokumentation für sich selbst sprechen lassen.

Grundsätzlich sollen bei staatlichen Vorhaben bis zu zwei Prozent der Gebäudekosten für Kunstwerke ausgegeben werden. Die Entscheidung treffe die Bauverwaltung in Abstimmung mit dem Bauherren, heißt es aus dem Münchner Bauministerium. Die staatliche Bauverwaltung, in dem Fall das Bauamt in Traunstein, habe durchaus vorgehabt, einen Wettbewerb auszuschreiben. Allerdings hat dann das Finanzministerium als Bauherr nach eigenen Angaben darum "gebeten, von der Umsetzung von Kunst am Bau abzusehen".

Als Grund dafür nennen beide Ministerien eine fast einstimmige Entscheidung des Kuratoriums der Dokumentation Obersalzberg. Dieses 22-köpfige Kuratorium soll das Institut für Zeitgeschichte bei der Neukonzeption beraten, es besteht unter anderem aus Historikern, Landtagsabgeordneten aller Fraktionen, Lokalpolitikern, Ministerialen, der evangelischen Regionalbischöfin, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde und dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Das Kuratorium ist laut Finanzministerium im Februar zu dem Entschluss gekommen, dass der Neubau am Obersalzberg "kein klassisches Bauwerk sei, sondern diesem eine rein dienende Funktion zukomme. Im Mittelpunkt stehe vielmehr der Inhalt. Zudem wurde am Täterort Obersalzberg die Umsetzung von Kunst als nicht passend erachtet."

Sepp Dürr ist selbst Mitglied des Kuratoriums, musste sich nach eigenen Angaben bei der Sitzung aber vertreten lassen. So habe sich nur noch Isabel Zacharias von der SPD für Kunst am Bau stark gemacht. Dürr hat das Thema für seine Fraktion inzwischen im Landtagsausschuss für Wissenschaft und Kunst aufs Tapet gebracht, doch auch dort scheiterten Grüne und SPD an der CSU-Mehrheit sowie den Freien Wählern. Doch Dürr gibt nicht auf und will das Thema ins Landtagsplenum tragen. CSU und Staatsregierung zeigten "ein generelles Misstrauen gegen die Möglichkeiten und die Funktion von Kunst". Den Verzicht auf Kunst am Bau nennt er einen Verstoß gegen die Kunstfreiheit und einen "undemokratischen Versuch, ein staatliches Deutungsmonopol durchzusetzen".

Kunst stört nicht - sie muss nur passen

Beim Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler findet er Unterstützung für seine Haltung. Dessen Vorsitzender für München und Oberbayern, Constantin Böhm, schafft als Teil eines Duos mit dem programmatischen Namen "Empfangshalle" selbst Kunst im öffentlichen Raum. Für ihn ist sie "eine wunderbare Möglichkeit, genau mit solchen Orten umzugehen". Den Verzicht auf Kunst am Bau sieht Böhm vor allem als vertane Chance. Störend sei Kunst jedenfalls nirgendwo, wenn die Idee hinter dem Werk stimme. Wie Dürr verweist Böhm auf das Werk "Brienner 45" vor dem 2015 eröffneten NS-Dokumentationszentrum in München.

Karl Freller sitzt für die CSU im Landtag, dem Obersalzberg-Kuratorium gehört er als Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten an, die für die KZ-Gedenkstätten in Dachau und Flossenbürg verantwortlich ist. Beim Bau des Besucherzentrums in Dachau hat es keine Kunst am Bau gegeben, am 2015 eröffneten Bildungszentrum in Flossenbürg ebenfalls nicht. Allerdings setzt die Stiftung durchaus auf Kunst, stellt Werke aus und kooperiert mit bildenden Künstlern und Musikern. Das 1968 fertiggestellte Mahnmal von Nandor Glid ist zentral für die Dachauer Gedenkstätte.

Bei der Sitzung des Kuratoriums war Freller ebenfalls nicht selbst dabei. Im Landtag war er einer der schärfsten Kritiker des geplanten Neubaus und der Kostensteigerungen auf 21 Millionen Euro. Schon deswegen will er sich lieber zurückhaltend äußern. Für einen Täterort wie den Obersalzberg werde ihm das alles zu aufwendig und "fast zu schön", sagt Freller, der lange um Geld für einen neuen Parkplatz in Dachau kämpfen musste. Kunst könne einen anderen, eigenen Zugang zu solche Orten bieten, sagt er. Dann müsse sie aber "eine tiefere Bedeutung haben, als dass sie nur Beiwerk zum Bauwerk ist".

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