Obersalzberg:17 Millionen für Ausbau des NS-Dokuzentrums

Obersalzberg: NS-Dokuzentrum am Obersalzberg im Berchtesgadener Land.

NS-Dokuzentrum am Obersalzberg im Berchtesgadener Land.

30.000 Besucher pro Jahr wurden erwartet, gekommen sind 160.000: Der Freistaat hat sich bei der Nachfrage für das NS-Dokumentationszentrum auf dem Obersalzberg gehörig verschätzt. Nun soll die Fläche verdoppelt werden.

Von Heiner Effern und Mike Szymanski

Der Freistaat baut einen seiner wichtigsten Lernorte über die Verbrechen der Nationalsozialisten aus. Mit insgesamt etwa 17 Millionen Euro soll das Dokumentationszentrum auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden bis zum Jahr 2018 modernisiert werden. Die Fläche für die Ausstellung würde auf mehr als das Doppelte wachsen. Einen entsprechenden Beschluss will das Kabinett nach Informationen der Süddeutschen Zeitung an diesem Dienstag fassen. Finanzminister Markus Söder (CSU) bestätigte die Pläne. "Der Freistaat wird damit seiner historischen Verantwortung gerecht", sagte er.

Der Obersalzberg mit Hitlers Berghof war der zweite Regierungssitz der Nazis. Er diente aber auch als Sommerfrische: Neben Hitler bauten hier Hermann Göring, Albert Speer und Martin Bormann ein Haus. Aufgabe der Dokumentationsstelle ist die Aufarbeitung der Gräuel des NS-Regimes. Bereits im aktuellen Doppelhaushalt sind die ersten 1,8 Millionen Euro für den Ausbau veranschlagt. Der Bund beteiligt sich nicht. Im Februar lehnte er ein Engagement ab, weil ihm die finanziellen Möglichkeiten fehlten. Nun will Bayern das Projekt komplett in Eigenleistung stemmen. Der Umbau könnte frühestens 2015 erfolgen. Als nächster Schritt müsste ein Realisierungswettbewerb gestartet werden.

Die nun geplante Erweiterung des Dokumentationszentrums bietet die Chance, die Anfangsfehler des ursprünglichen Konzepts zu beheben. Die bayerische Staatsregierung als Bauherr, aber auch das Institut für Zeitgeschichte als fachlicher Begleiter hatten das Interesse an der Aufarbeitung der Nazi-Diktatur auf dem Obersalzberg weit unterschätzt. Statt der vermuteten 30.000 Gäste pro Jahr kommen mittlerweile im Schnitt etwa 160.000.

Das gesamte Gebäude, erbaut auf dem Grundstück eines Gästehauses der Nazis, erwies sich bereits kurz nach der Eröffnung im Jahr 1999 als zu klein. Die für ihren Inhalt viel zu knappen Ausstellungsflächen und auch die Funktionsräume konnten den Ansturm der Besucher nicht auffangen. Auch eine erste Erweiterung im Jahr 2005 genügte nicht, die Probleme zu beheben.

Statt heute etwa 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche soll das Dokumentationszentrum künftig 2500 Quadratmeter Platz bekommen. Knapp 15 Millionen Euro sind allein dafür vorgesehen. Die Dauerausstellung über die Geschichte des Obersalzberges und der Nazi-Diktatur soll für mehr als zwei Millionen Euro komplett überarbeitet und mit moderner Technik neu präsentiert werden.

Konzept mit Hitlers Berghof

Das Institut für Zeitgeschichte hat SZ-Informationen zufolge bereits ein erstes Konzept entworfen. Dabei soll offenbar ein weiterer Mangel behoben werden: Künftig soll die einzigartige Landschaft des Obersalzbergs, die Hitler für sich und seine Propaganda rigoros vereinnahmte und damit auch kontaminierte, stärker in den Fokus der Aufarbeitung rücken. Unter anderem soll Hitlers Berghof, von dem nur eine Hangstützmauer erhalten ist, in das Konzept eingebunden werden. Wo der Diktator mit dem Blick durch das Panoramafenster Staatsgästen aus aller Welt seine mächtigen Berge und damit auch seine eigene Macht zeigte, wachsen Bäume.

Luxushotel auf Hitlers Obersalzberg macht Verluste

Ein Luxushotel sollte zur Entmystifizierung des "Hitler-Berges" führen. Es macht aber vor allem Miese in Millionenhöhe.

(Foto: dpa)

Die Landtags-Grünen, aber auch Kenner des Obersalzbergs wie der Journalist und Wissenschaftler Florian Beierl rügten in den vergangenen Jahren immer wieder, dass sich die Aufarbeitung ausschließlich auf das Dokumentationszentrum beschränkt. Der Platterhof, ein Gästehaus Hitlers, das die Amerikaner während der Zeit ihrer Besetzung des Obersalzbergs bis 1996 als Hotel nutzten, wurde im Jahr 2001 vom Freistaat komplett abgerissen. "Das Dokumentationszentrum wurde als Freibrief genommen, um andere Nazi-Bauten wegzureißen. Diese Ausradierung halten wir für die falsche Politik", sagte damals der Grünen-Landtagsabgeordnete Sepp Dürr.

Markus Söder ist als Finanzminister wie seine Vorgänger für die Immobilien des Freistaats auf dem Obersalzberg zuständig. Er verfolgt das sogenannte "Zwei-Säulen"-Modell weiter, das den Obersalzberg entmystifizieren soll und bisher weitgehend erfolgreich braunen Tourismus verhindert. Die eine Säule ist die Aufarbeitung der Nazi-Zeit im Dokuzentrum, für die der Freistaat bis zur Eröffnung im Jahr 1999 zwei Millionen Euro bereitstellte. Die andere Säule ist der Tourismus. Der Freistaat Bayern erbaute hierfür eigens auf dem sogenannten Göring-Hügel ein Fünf-Sterne-Hotel für etwa 50 Millionen Euro. Seit März 2005 läuft der Betrieb.

Kurioserweise entwickeln sich beide Säulen konträr zu den Erwartungen der Staatsregierung. Die Ausstellung im Dokuzentrum kann den Andrang der vielen Besucher kaum bewältigen, während das Hotel mit einer Auslastung von durchschnittlich knapp mehr als 50 Prozent einen kleinen operativen Gewinn erzielt, wenn das Jahr ein gutes ist.

Rechnet man auch die Verluste aus Abschreibungen hinzu, zahlt der Freistaat über die Betreiberfirma, eine Tochter der Landesbank, regelmäßig etwa drei Millionen Euro drauf. Die nun geplanten Investitionen in das Dokuzentrum tragen auch diesem Missverhältnis Rechnung.

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