Leben und Gesellschaft in Bayern:Die Oberpfalz von A bis Z

Leben und Gesellschaft in Bayern: Das Cover des September-Hefts der Zeitschrift "Die Oberpfalz" zeigt den einst von Michael Mathias Prechtl gezeichneten Löwen.

Das Cover des September-Hefts der Zeitschrift "Die Oberpfalz" zeigt den einst von Michael Mathias Prechtl gezeichneten Löwen.

(Foto: Hans Kratzer)

Seit 115 Jahren dokumentiert die alle zwei Monate erscheinende Zeitschrift "Die Oberpfalz" die historische Entwicklung dieser Region und ihre Phänomene. Doch die Zahl der Abonnenten schmilzt, dem verdienstvollen Blatt droht ein jähes Ende.

Von Hans Kratzer, Kallmünz

"Wir sind recht betrübt", haben zwei Leserinnen kürzlich der SZ mitgeteilt. Ihr Verdruss gründet im Jahresendbrief, den der in Kallmünz ansässige Verleger Erich Laßleben traditionell der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift Die Oberpfalz beilegt. Was Laßleben diesmal mitteilt, ist in der Tat nicht dazu angetan, in lauten Jubel auszubrechen. Denn schon wieder droht ein Stück altes Kulturgut zu verschwinden.

Wie Laßleben schreibt, muss die Zeitschrift einen gravierenden Rückgang an Abonnenten verkraften. Dieses Problem trifft zwar viele Blätter, aber Die Oberpfalz ist kein beliebiges Periodikum. Sie erscheint bereits seit 1907, ist also schon 115 Jahre alt. Natürlich kann man in einem solchen Alter durchaus an Auszehrung leiden. In diesem Fall ist es so, dass der Kundenstamm durch Todesfälle und altersbedingte Kündigungen immer weniger wird, wie Laßleben schreibt, "und Neuabonnenten fangen dies nicht im Entferntesten auf". Erschwerend kommt hinzu, dass die Papierpreise gerade explodieren und der Abopreis deutlich erhöht werden muss, und zwar von 26 auf 32 Euro.

Das lohnt einen Anruf bei Erich Laßleben, einem Verleger, der es sich leistet, nicht auf jeden Modernisierungszug zu springen. Kontinuität hat den Verlag über lange Zeit am Leben gehalten. Noch immer steht jene Presse in der Druckerei, mit der die erste Ausgabe der Zeitschrift gedruckt wurde. Deren Gründer hieß Johann Baptist Laßleben (1864-1928), er war der Urgroßvater von Erich Laßleben. 1889 kam er als Lehrer nach Kallmünz, wo er in seiner Freizeit gerne Heimatforschung betrieb und alsbald selber eine Zeitschrift herausgab.

Das Blatt, das die Oberpfalz alle zwei Monate durchleuchtet, stieß auf Resonanz. Nach einigen Jahren zählte Die Oberpfalz bereits knapp 5000 Abonnenten. "Johann Baptist Laßleben begründete die literarische Entdeckung der Oberpfalz", würdigte ihn der Historiker Alois Schmid anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Zeitschrift. Der kleine Verlag pflegte eine enge Verbindung zur Wissenschaft, was ihm das Überleben sicherte. "Das ist bis heute unsere Nische", sagt Laßleben.

Unter anderem vertreibt der Verlag den Historischen Atlas und das Historische Ortsnamenbuch von Bayern, dazu viele weitere Veröffentlichungen wissenschaftlicher Institute und Universitäten. Jenseits der Wissenschaft aber reißt der Faden zur Leserschaft bedenklich ab. Sogar die in Kallmünz beheimatete und nach dem Verleger benannte Johann-Baptist-Laßleben-Schule hat das Abo der Oberpfalz-Zeitschrift abbestellt. "Die Schulen interessiert das nicht mehr", sagt Laßleben. Was wohl auch damit zu tun hat, dass jene Lehrkräfte längst ausgestorben sind, die sich früher um die Belange der Heimatgeschichte gekümmert und junge Menschen dafür begeistert haben. Das Regierungspräsidium der Oberpfalz hat vor Jahren sogar das Freiexemplar abbestellt.

Dabei zeigt die aktuelle Ausgabe mit der Aufarbeitung von Feldpostbriefen aus dem Ersten Weltkrieg ein Thema von eindringlicher Aktualität. "Wir spüren halt, dass - bei aller Bedeutung der Technik - die humanistische Bildung langsam wegschmilzt", sagt Laßleben. Und das Wissen um das Schöne und Gute, das unvergänglich ist. Wie der Löwe, der stets die Titelseite der Zeitschrift schmückt. Gezeichnet hat ihn der renommierte Zeichner Michael Mathias Prechtl (1926-2003), der in jungen Jahren für den Verlag arbeitete.

Die alten Jahresbände sind eine Fundgrube für jeden Geschichtsinteressierten. Man kann sie immer noch beim Verlag erwerben und beim Blättern erkennen, dass die Zeit vergeht, die Themen aber bleiben. Etwa, dass der Dialekt bereits vor hundert Jahren ein Thema war und auch das Leiden der Natur, zum Beispiel das Fischsterben in den Flüssen.

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