Oberpfalz:Bänker im Porzellanladen

Ehemalige Vorstände der Sparkasse Tirschenreuth stehen wegen Millionen-Verlusten vor Gericht. Ihre "überdurchschnittliche Risikofreude" soll die Bank zu existenzbedrohenden Verlusten geführt haben.

Max Hägler und Klaus Ott

Über 150 Jahre sorgte der Boden mit seiner Porzellanerde im Norden der Oberpfalz für Wohlstand: Porzellan war eines der wichtigsten Güter. Auch in Tirschenreuth entstand eine Manufaktur, 1100 Artikel enthielt der Katalog im Jahr 1900. Doch 80 Jahre später hatten längst Maschinen Einzug gehalten, dazu kam neue Konkurrenz aus aller Welt. In den 1990ern konnte das Handwerk endgültig nicht mehr mithalten auf dem Markt, der Stolz der Menschen, die sich "Porzelliner" nannten, war dahin. Ganz aufgeben wollte man aber nicht. Die Region versuchte es noch einmal mit der Porzellanfabrik Tirschenreuth. Die örtlich zuständige Sparkasse Tirschenreuth schoss Geld zu, doch letztlich ohne Wirkung. Im März 2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, die Firma erlosch, wie so viele in dieser Gegend. Und die Sparkasse verlor ihr Geld, insgesamt mehrere Millionen Euro.

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Den drei Vorständen der Sparkasse Tirschereuth wird "leichtfertige Kreditvergaben" vorgeworfen.

(Foto: Foto: ddp)

Jetzt haben angeblich leichtfertige Kreditvergaben für die Porzellanfabrik und andere oberpfälzer Firmen ein juristisches Nachspiel. Am Freitag verhandelt das Landgericht Regensburg gegen drei frühere Vorstände der Sparkasse Tirschenreuth, die vor fünf Jahren beinahe pleite gegangen wäre, und nur durch eine Stützungseinlage in Höhe von 23 Millionen sowie letztlich eine Fusion mit dem Nachbarinstitut in Weiden gerettet werden konnte. Nach Ansicht der Regensburger Staatsanwaltschaft sind die drei Ex-Finanzmanager für jeweils weit über 100 Darlehen verantwortlich, die nie hätten gewährt werden dürfen, und haben durch diese Untreue Schäden in Millionenhöhe verursacht. Dafür sollen sie zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt werden. Auf jeweils 30 Prozent ihrer Pensionen müssen sie bereits verzichten, um wenigstens einen Teil der Kreditausfälle wiedergutzumachen.

Aber das ist nicht der ganze Aspekt des Falles. Wenn Hans L., Hubert K. und Alfred V. am Freitag vor Gericht stehen, dann geht es auch um politische Fragen, die bis nach München reichen. Wo ist die Grenze von Regionalförderung erreicht? Wie groß ist die Verantwortung der Kommunalpolitiker in Aufsichtsräten? Bürgermeister und Landräte nützen die Sparkassen schließlich oft, um Firmen am Ort zu helfen, und üben entsprechend Druck aus. Außerdem tun sich sogar Parallelen zur Landesbank auf. Denn auch die hat teils auf politischen Druck hin das große Rad gedreht, in Papiere aus Übersee investiert, über die österreichische Hypo Alpe Adria auf den Balkan expandiert und dabei zehn Milliarden Euro verloren, für die Bayerns Steuerzahler aufkommen müssen. Wenn nun bei drei einstigen Sparkassenvorständen aus der Provinz Schäden zwischen vier und acht Millionen Euro mit vielleicht einem Jahr Gefängnis auf Bewährung geahndet werden sollten, um wie vieles höher müssten dann die Strafen für Ex-Vorstände der Landesbank sein? Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt in der Causa Hypo Alpe Adria, das Verfahren wird lange dauern, und am Ende ist mit Anklagen zu rechnen.

Werden Maßstäbe gesetzt?

Am Mittwoch bekam die BayernLB wieder Besuch von Ermittlern: Diesmal ging es um US-Ramschpapiere, die Mitarbeiter wohl entgegen interner Richtlinien erworben hatten. Der Gesamtschaden der BayernLB dürfte mittlerweile wohl mehr als tausend mal größer sein, als in der Oberpfalz. Ehemalige Manager der BayernLB und deren frühere Kontrolleure aus Edmund Stoibers CSU-Regierung und dem Sparkassenverband dürften daher gespannt nach Regensburg blicken, ebenso wie die Regierung und die Opposition im Landtag. Werden hier Maßstäbe gesetzt, wie Bayerns Justiz mit vermeintlich verantwortungslosen Bankmanagern umgeht und welche Rolle dabei der Einfluss der Politik auf ein öffentliches Kreditinstitut spielt?

"Überdurchschnittliche Risikofreude"

Die Vorwürfe in der Oberpfalz beziehen sich auf die Jahre 2002 bis 2004. In dieser Zeit hätten die Angeklagten bewusst Kredite an regionale Firmen vergeben oder verlängert, obwohl klar gewesen sei, dass die Darlehen ungenügend gesichert waren, so der Vorwurf der Ankläger. "Die Angeschuldigten nahmen es auch zumindest billigend in Kauf, dass die Kreditnehmer die Darlehen nicht in voller Höhe zurückzahlen können", fasst Johann Piendl, Sprecher des Landgerichts Regensburg, den Vorwurf zusammen. Der Staatsanwaltschaft zufolge soll das gesamte Geschäftsgebaren der Angeklagten von einer überdurchschnittlichen Risikofreude bestimmt gewesen sein, was letztlich zu existenzbedrohenden Verlusten geführt habe.

Ein örtlicher Computerhändler bekam solche Kredite, die Porzellanfabrik, und eine kleine Luftfahrtfirma, die noch gar keine Flugzeuge besaß. Aus Sicht der Kommunalpolitiker, die als Verwaltungsräte die Aufsicht in der Sparkasse führten und über jede Aktivität informiert wurden, die 1,5 Millionen Euro Volumen überstieg, war das alles wohl nötig: Bereits in den Jahren zuvor waren Fabriken pleite gegangen. Die "Porzelliner" warnten davor, dass ein ganzer Landstrich "vernichtet" werde und bald nur "noch Rentner da leben". Als die geplatzten Kredite Anfang 2005 aufflogen, erklärte der damalige Verwaltungsratschef und Landrat Karl Haberkorn (Freie Wähler), die Sparkasse habe die lokale Wirtschaft fördern wollen, um die Abwanderung von Firmen zu verhindern: "Wir befinden uns in einer gebeutelten Region."

Es sei nicht auszuschließen, dass die Angeklagten teilweise unter politischen Druck gestanden hätten, pleitegefährdeten Firmen Kredite zu gewähren und so den Verlust von Arbeitsplätzen zu verhindern, steht nach SZ-Informationen sinngemäß in der Anklage. Doch das sei kein Freibrief für riskante Darlehen, so die Staatsanwaltschaft. Der Vorstand als unabhängiges Gremium müsse sich bei Kreditvergaben auch politischem Druck verweigern. Dass ein solcher Druck bestand, wird die Justiz jedoch womöglich strafmildernd berücksichtigen. "Der Verwaltungsrat könnte eine Rolle spielen bei der Strafzumessung", sagt Gerichtssprecher Piendl. Es sei bei Wirtschaftsstrafverfahren üblich zu überprüfen, welche Gremien beteiligt waren und ob sie kriminelles Tun "erleichtert" hätten.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat der Verwaltungsrat der Sparkasse Tirschenreuth, der unter anderem aus Bürgermeistern und lokalen Unternehmern bestand, seine Pflichten fahrlässig, aber gleichwohl gravierend verletzt. Das Gericht hat keine Zeugen geladen und nur einen Verhandlungstag anberaumt. Das Urteil ist wohl schon ausgemacht.

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