Süddeutsche Zeitung

Oberlandesgericht:Verletzte bei Tanzparty - Mann verlangt Schmerzensgeld

  • Beim Tanzen in einem angemieteten Party-Keller stürzt ein Mann und verletzt sich schwer.
  • Nun hat er den Besitzer des Raumes - einen Wirt - verklagt und verlangt 25 000 Euro Schmerzensgeld.
  • Der Fall ist juristisch interessant, weshalb er nun, nach einem Urteil des Landgerichts, in der Berufung vor dem Oberlandesgericht verhandelt wird.

Von Stephan Handel

Für einen Gast dauerte die Geburtstags-Feier nicht allzu lange: Das Abendessen war gerade vorüber, im Party-Keller begann der Tanz. Aber als die Partnerin von Christian W. ins Straucheln kam und er sie auffangen wollte, da geschah das Unglück. W. fiel selbst, er fabrizierte einen "unfreiwilligen Spagat", wie der Richter später sagen wird, und erlitt dabei unter anderem einen Abriss des Oberschenkelmuskels. Für die Verletzung und alle Folgeschäden verlangt er nun Schmerzensgeld vom Wirt des Lokals in der Nähe von Weilheim.

Der Fall ist juristisch interessant, weshalb er nun, nach einem Urteil des Landgerichts, in der Berufung vor dem Oberlandesgericht verhandelt wird. Markus S., der Wirt, hat dem feiernden Geburtstagskind den Partykeller sozusagen blanko vermietet; der Gastgeber brachte seine eigenen Getränke und seinen eigenen DJ mit. Trifft den Wirt dennoch eine "Verkehrssicherungspflicht", wie das juristisch heißt? Der Boden nämlich war nach übereinstimmenden Aussagen rutschig, so, als sei er mit zu viel oder dem falschen Reinigungsmittel gewischt worden.

In dem Verfahren vor dem Landgericht hatte Christian W. ein Schmerzensgeld von 50 000 Euro verlangt. Die erlittenen Verletzungen, fand die damalige Richterin, seien 12 000 Euro wert. Davon bekomme er aber nur die Hälfte, denn zu 50 Prozent treffe ihn eigenes Verschulden: Andere Gäste hätten schon bemerkt, dass der Boden rutschig sei, er, W., hätte also gewarnt sein können, vorsichtiger zu tanzen.

Vor dem Oberlandesgericht machte der Richter gleich klar, dass er die geforderten 50 000 Euro für zu hoch hält: "Wir sind ja hier nicht in Amerika." Und das mit dem eigenen Verschulden müsse sich Christian W. wohl auch gefallen lassen: Schon bei Glatteisunfällen würden pauschal 30 Prozent vom Schmerzensgeld abgezogen, weil man da halt vorsichtig sein müsse. Da konnte der Anwalt des Klägers gleich einhaken: Wenn bei etwas so Alltäglichem wie Glatteis nur 30 Prozent Mitverschulden angenommen werde - warum werde sein Mandant dann mit 50 Prozent belastet, obwohl man bei einer Tanzveranstaltung nicht von Rutschgefahr ausgehen müsse?

Der Anwalt des Beklagten, also des Wirts, sah die Sache naturgemäß völlig anders, nämlich seinen Mandanten überhaupt nicht in der Haftung. Die Verkehrssicherungspflicht würde er dem Richter nicht ausreden können, das hatte er schon gemerkt. Also stützte er sich auf das Verhalten des Klägers: Habe der nicht sein Auto extra zu Hause gelassen? Könne man also nicht davon ausgehen, dass er Alkohol getrunken habe? Und schließlich: Der Versuch, die fallende Tanzpartnerin zu stützen, sei bei aller Höflichkeit eine "Aufopferungshandlung". Dass dabei eine so schwere Verletzung entstanden sei, sei durchaus bedauerlich, aber letztendlich "einfach Pech". Also eben nichts, wofür der Wirt haften müsse.

Zwei Zeugen waren gekommen, der Gastgeber von damals und ein weiterer Gast, die beide jedoch ihren Aussagen vor dem Landgericht kaum etwas hinzufügen konnten - höchstens so viel: Das Geburtstagskind berichtete, dass ihm am Tag vor der Feier, als er mit dem Wirt zusammen den Raum noch mal anschaute, ein klebriger Belag auf dem Boden aufgefallen sei - klebrig, nicht schmierig. Da sei es aber auch eiskalt in dem Partykeller gewesen. Schlüpfrigkeit und Glätte habe der Boden offenbar erst durch die Wärme von Heizung und Feiernden angenommen. Und ja, zu späterer Stunde sei noch eine Frau gestürzt und habe sich das Handgelenk gebrochen.

Es geht also offensichtlich heiß her bei Geburtstagsfeiern in Weilheim und Umgebung - was Christian W., dem Kläger, mittlerweile 58 Jahre alt, allerdings auch nichts mehr hilft: Der Schaden in seinem Bein ist irreparabel, Fußballspielen kann er nicht mehr, Skifahren kann er nicht mehr. Und als er nach eineinhalb Stunden Verhandlung vom Stuhl aufsteht, sagt er, dass er froh ist, nicht mehr sitzen zu müssen. Seine Schmerzensgeld-Forderung hat er in der Sitzung auf 25 000 Euro reduziert, und 30 Prozent wegen eigener Schuld würde er wohl auch akzeptieren. Der Richter will übers Wochenende nachdenken und am Montag seine Entscheidung verkünden. (AZ: 10 O 4347/13)

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SZ vom 21.04.2017/infu
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