Oberfranken:Wie die Kerwa unter der Linde erhalten blieb

Oberfranken: Fast 300 Jahre tanzen die Platzpaare schon auf der Limmersdorfer Linde, aber nur einmal im Jahr, denn nach der Kirchweih wird die Treppe abmontiert.

Fast 300 Jahre tanzen die Platzpaare schon auf der Limmersdorfer Linde, aber nur einmal im Jahr, denn nach der Kirchweih wird die Treppe abmontiert.

(Foto: Matthias Hoch)
  • Die Limmersdorfer Lindenkirchweih ist seit 2014 immaterielles Kulturerbe.
  • Getanzt wird auf einer echten Tanzlinde, die schon vor Hunderten Jahren gepflanzt wurde - eine von dreien, die es in Bayern noch gibt.
  • Die Traditionsveranstaltung drohte auszusterben - doch inzwischen kümmert sich auch ein Verein darum, dass die Kerwa ausgerichtet wird.

Von Katja Auer, Limmersdorf

Wenn Tobias Hahn seinen Studienkollegen in Bayreuth erzählt, was er da macht, an diesen Tagen um Bartholomä, dann dauert das meistens eine Weile. "Das verstehen viele nicht", sagt er, "dass es eben kein x-beliebiges Dorffest ist." Hahn ist einer von vier Platzburschen in Limmersdorf, ein Plootzbursch, sagen die Einheimischen, und damit Veranstalter der Limmersdorfer Lindenkirchweih.

Die ist seit 2014 immaterielles Kulturerbe, also eines der wichtigsten geistigen Kulturgüter Deutschlands. Es hat damals viele überrascht, dass die Staatsregierung ausgerechnet dieses verhältnismäßig kleine oberfränkische Fest als erstes nominierte - zusammen mit dem Oberammergauer Passionsspiel, das ungleich bekannter ist.

Es ist Kirchweihmontag, Frühschoppen, die Gäste sitzen bei Blaugsudna, im Essigsud gegarten Bratwürsten, drei Stück für 4,20 Euro. Freilich, sagt Hahn, habe man als Jugendlicher nicht immer Lust auf die Kirchweih, "aber wenn man älter wird, dann schätzt man die Tradition". 22 ist er jetzt. In Limmersdorf tanzen sie bald 300 Jahre auf der Linde, das verpflichtet.

Vier ledige junge Männer müssen sich jedes Jahr finden, aus dem Dorf oder zumindest aus dem Kirchensprengel, die traditionell die Kirchweih veranstalten. Dazu holt sich jeder ein ebenfalls unverheiratetes Platzmadla. Aufbau, Ausschank, Musik, alles organisieren die Paare mit der Hilfe von Familie und Freunden.

Als Back-up sozusagen gibt es in Limmersdorf den "Verein zur Erhaltung und Förderung der Limmersdorfer Kirchweihtradition". Als der Ort 1978 nach Thurnau (Landkreis Kulmbach) eingemeindet wurde, waren die Bräuche schon drei Jahre später verschliffen, erzählt Veit Pöhlmann, von dem noch die Rede sein muss. Auf einmal stand statt einer Kapelle ein Kassettenrekorder auf der Linde und die Röcke der Platzmadla wurden immer kürzer. "Wir wollten den Zugriff bekommen und unsere Kirchweih behalten", sagt Pöhlmann, also haben sie am Biertisch den Verein gegründet. Seitdem ist er der Vorsitzende und so etwas wie der ewige Platzbursch. Das mit dem Kulturerbe war seine Idee.

Die Kerwa ist das Typischste an Franken

"Wir sehen uns als Vertreter des Kulturguts fränkische Kerwa", sagt Pöhlmann, weißes Hemd, weißer Pferdeschwanz, letzter Gastwirt im Ort, denn die sei vielleicht das Typischste an Franken. Weil immer noch jedes Dorf seine Kerwa zu seiner Zeit feiere, nicht nur am dritten Sonntag im Oktober, an dem seit 150 Jahren - auf Geheiß der Obrigkeit - vor allem in Südbayern die Allerweltskirchweih begangen wird.

Tobias Hahn hat das Coldplay-T-Shirt gegen das Gewand der Platzburschen getauscht, schwarze Hose, schwarze Weste, weißes Hemd, weiße Schürze, Zylinder. Die Madla tragen schwarze Miederröcke mit Schürzen in Lila oder Türkis und Blumenkränze im Haar. Eine typische Tracht gibt es nicht in der Gegend, also schaffte der Verein ein Gewand für die Kirchweih an. Dabei galt es, den schmalen Grat zwischen Tradition und Nostalgie zu beschreiten.

Ein bisschen nostalgisch darf es schon sein

"Traditionell wäre, das Sonntagskleid anzuziehen, auch wenn es ein weißer Minirock ist", sagt Pöhlmann. "Aber ich gebe zu, dass wir auch ein bisschen nostalgisch sein wollen." Es ist schließlich gar nicht so leicht, eine Kultur mit bäuerlichen Wurzeln zu pflegen, wenn es keinen einzigen Bauern mehr gibt im Dorf.

Die Linde hat den Wandel überdauert, irgendwann nach dem 30-jährigen Krieg wurde sie gepflanzt, seit 1729 wird auf ihr getanzt. Wie ein Nest hängt der Tanzboden im Baum, scheinbar von den Ästen getragen. Allerdings sind es die acht Sandsteinsäulen, die das Podest stützen, es ist die Verbindung, die eine Tanzlinde zur Trägerin der Tradition macht.

Drei echte Tanzlinden gibt es noch in Bayern, alle stehen sie im Landkreis Kulmbach. Keine allerdings so schön mitten im Dorf wie die Limmersdorfer, direkt neben der alten Johanneskirche, die umrahmt wird von Friedhof und Mauer. Die Verbindung ist wichtig, sagt Pöhlmann, das Fest soll keine beliebige Kerwa sein, sondern tatsächlich eine Kirchweih und so gehören das Kirchenkonzert und der Gottesdienst fest zum Programm.

Wie der Umzug. Am Montagnachmittag macht sich die Gesellschaft auf zu den Häusern der Platzburschen, die von ihren Damen abgeholt werden. Mehrere Stunden dauert der Gang durch das Dorf, an jeder Station werden alle Gäste von den Eltern der Burschen bewirtet, tags zuvor will es die Tradition in den Häusern der Madla so. Früher wurde noch in den Hausfluren getanzt, im Ern, dafür sind es längst zu viele Leute geworden. Garageneinfahrten und Gärten werden zur Tanzfläche umfunktioniert, zahllose Kuchen gebacken und Brote belegt. Bier und Schnaps eingeschenkt.

Ein paar Urlauber haben sich unter die Einheimischen gemischt, aber einen Besucherandrang hat die Ernennung zum Kulturerbe nicht ausgelöst. Der Umzug endet wieder an der Linde, mit einer Polka in der Krone. Über die Lizza, die Treppe, geht es hinauf, am Dienstagabend wird sie abmontiert und symbolisch zu Grabe getragen.

Platzbursch Tobias Hahn wird noch ein paar Tage aufräumen, dann kehrt der Alltag zurück. Sein VWL-Studium hat er beendet, ein paar Bewerbungen laufen schon. Zum Arbeiten wird er weggehen müssen aus Limmersdorf, das will er auch. Aber irgendwann, sagt er, könne er sich gut vorstellen, nach Hause zurückzukommen.

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