Es ist 8.30 Uhr, ein ganz normaler Morgen am Airport Hof. Der Regionalflughafen ist oft schon ins Gerede gekommen, vor zwei Monaten aber ganz besonders. Die Cirrus Airlines - das ist die Fluggesellschaft, die sich erst bereiterklärte, für 2,9 Millionen Euro Subvention aus der Staatskasse den Hofer Flughafen anzufliegen - wollte für dieses Geld plötzlich nicht mehr fliegen. Zu wenig rentabel, erklärte Cirrus.
In der Folge kam es zu Verwerfungen, Kommunalpolitiker fuhren schwere Geschütze auf: Die Gesellschaft habe zu oft Flüge storniert, die Fluggäste seien verunsichert gewesen, also trage Cirrus eine Mitschuld am Niedergang des hoch subventionierten Flughafens. Man suchte ein anderes Unternehmen - erfolglos. Also sattelte die Staatsregierung nochmals 1,3 Millionen Euro drauf. Und deshalb fliegt Cirrus bis 2013 nun wieder nach Hof. Nur: Will da eigentlich jemand mitfliegen?
Ein erstes Indiz bieten möglicherweise die beiden Taxifahrer, die gerade am Flughafen Hof vorfahren. Gleich soll der Frühflug aus Frankfurt landen, einer von genau zwei Flügen pro Tag, da könnte man als Hofer Taxifahrer doch eigentlich ein Geschäft machen. Dann aber nur zwei Taxis? Der Mann im ersten Wagen zieht seine Sonnenbrille über die Nase und verzieht den Mund zu einem Lächeln: "Sie waren noch nie hier, oder?"
Der andere lacht. "Warten Sie ab, wie viele Passagiere aus dem Flugzeug steigen", sagt der erste, "und ich sagen Ihnen voraus: Einen Taschenrechner werden sie beim Zusammenzählen nicht brauchen." Der zweite Fahrer lacht wieder. "Aber richtig rechnen!", sagt der erste: "Drei Mann Besatzung müssen Sie abziehen: Zwei Piloten, eine Stewardess. Hier landet schließlich kein Segelflieger."
Pünktlich um 8.45 Uhr fliegt die Maschine aus Frankfurt ein, eine astreine Landung. Seit der Flughafen vor zwei Jahren für acht Millionen Euro saniert wurde, ist am Airport kurz hinter Hof-Krötenbruck alles tipptopp. Auch der Service scheint auf dem neuesten Stand zu sein: Nachdem die Maschine zum Stehen kommt, ist sie von dienstbaren Geistern bereits umzingelt. Man sieht: Vier Mann in gelben Overalls, einer davon mit Gepäckwagen. Zwei Mann, die offenkundig für die Sicherheit zuständig sind, eine Dame mit Staubsauger, dazu in Sichtweite etliche Beschäftigte, die gespannt aufs Rollfeld blicken.
Wäre diese Szene aus einem Film, müsste man die folgende Rolle mit Maximilian Schell besetzen. Aus dem Flugzeug tritt ein Passagier mit Schlapphut, in Jeans und lässigem Sakko. Der Mann schaut, noch etwas unsicher, in die aufgehende Sonne. Dann steigt er die Treppe hinab, wechselt mit Angestellten des Airports noch ein paar Worte und schlendert dann über das Rollfeld ans Tor, an dem die Taxifahrer warten. Das Lächeln des ersten Fahrers wird jetzt sehr breit, er hebt einen Daumen in die Höhe. Exakt ein Passagier, heißt diese Geste. Ein einziger Passagier.
Was nun folgt, würde aus jedem Drehbuch gestrichen, die Szene ist einfach zu grotesk: Der Mann im Sakko kann noch nicht in den Wagen steigen, der gerade vorfährt, denn der einzige Passagier der Maschine Frankfurt-Hof hat seinen Koffer in Frankfurt nicht mit an Bord nehmen dürfen. Er war zu schwer und musste deshalb beim Einchecken aufgegeben werden - nun ist er verschollen. Der Passagier steht also ohne Gepäck in Hof. Es wird jetzt etwas unangenehm am Abfertigungsschalter, der Passagier findet das "unfassbar", was da mit ihm passiert. Der Flug immerhin, erzählt er später, sei "sehr angenehm" gewesen, die Stewardess habe sich rührend um ihn gekümmert, wie viele Getränke es gab, wisse er gar nicht mehr.
Die besagte Stewardess läuft gerade vorbei, der Passagier ruft: "Ciao und danke Diana", offenbar duzt man sich inzwischen. Diana, erzählt der Passagier, habe ihm an Bord berichtet, jeder Passagier zwischen Hof und Frankfurt werde mit mehr als 200 Euro Steuergeld subventioniert. "Stimmt das?", fragt der Passagier. Das stimmt.
Die beiden Taxifahrer wollen nun weg, keine Gäste heute. Wer sie fragt, ob das die Normalität ist am Hofer Flughafen, sieht wieder dieses Lachen. "Normalität vielleicht nicht", sagt der erste, "aber Realität." Weniger als 15.000 Fluggäste nutzten die Linie im letzten Jahr, 2008 waren es noch 25.000. Die Passagierzahlen, hofft Geschäftsführer Klaus-Jochen Weidner, sollen nun "wieder nach oben gehen", wenn Cirrus jetzt wieder regelmäßig fliege. Ob diese Rechnung aufgeht, scheint indes mehr als fraglich: Denn 2010 flog Cirrus noch dreimal täglich Frankfurt-Hof, hin und zurück. Nach der großen Krise, nachdem der Freistaat eine weitere Million bewilligt hat, fliegt die Linie jetzt nur noch zweimal.
Von Hof nach Frankfurt zum Beispiel bestiegen gestern früh um 6 Uhr genau elf Passagiere die Maschine: Darunter ein Amerikaner aus Wunsiedel, der sich von seiner Frau verabschiedete. Eine Frau aus Hof, die von ihrem Mieter zum Flughafen gebracht wurde. Ein Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes der Maler und Lackierer, der einen Termin in Frankfurt hatte. Und ein Subunternehmer aus Hof auf dem Weg nach Taiwan. Er berichtet, er könnte natürlich auch vom Flughafen Nürnberg aus fliegen, 80 Autominuten entfernt: "Aber dort gibt es keine kostenlosen Parkplätze."
Der Mann, der später als einziger Passagier in Hof landet, ist ebenfalls geschäftlich unterwegs. Er stellt sich zunächst als Sänger vor, später nennt er auch seinen Namen: Rolf Stahlhofen, Mitgründer der Band Söhne Mannheims.