Oberfranken:Flüchtlinge statt Neonazis

Im idyllischen Oberfranken zeigt das Schicksal seine ironische Seite: Vor sechs Jahren wollte die NPD einen alten Gasthof zum "Siedlungsprojekt für nationale Familien" machen. Jetzt ziehen dort Asylbewerber ein.

Kolumne von Katja Auer

Das Schicksal hat einen Sinn für Ironie, zweifellos. Wie sonst hätte ein Gangsterboss wie Al Capone morden, erpressen und viel Geld mit Prostitution und Alkoholschmuggel verdienen können - und schließlich wegen Steuerhinterziehung verurteilt werden, weil ihm sonst nichts nachzuweisen war. Nun gibt es Verbrecher dieses Schlages nicht auffallend viele in der ländlichen Idylle Oberfrankens, aber genau dort hat das Schicksal, oder wer auch immer es gewesen sein mag, jetzt auch mal seine ironische Seite gezeigt.

Da steht in Warmensteinach im Landkreis Bayreuth der Gasthof Puchtler, der es zu zweifelhafter überregionaler Bekanntheit gebracht hat, als ihn vor sechs Jahren der inzwischen gestorbene NPD-Vize Jürgen Rieger kaufen und in ein Neonazi-Zentrum verwandeln wollte. Die ungeheuere Summe von 1,84 Millionen Euro soll er für das alte Wirtshaus geboten haben. Die Warmensteinacher demonstrierten und der Gemeinde blieb nichts anderes übrig, als das Anwesen - für deutlich weniger, aber immer noch viel Geld - selbst zu kaufen, um die Rechten aus dem Dorf zu halten.

Seitdem steht der Gasthof leer, Gespräche mit Investoren scheiterten. Bis jetzt. Denn von November an sollen Asylbewerber in das Puchtler-Anwesen ziehen. 50 Menschen, so hat es der Gemeinderat beschlossen. Da hätte man gerne mal die Gesichter von denen gesehen, die aus Warmensteinach ein "Siedlungsprojekt für nationale Familien" machen wollten.

Anderswo haben Neonazis auch schon versucht, sich einzunisten, und sind weiter gekommen als in Warmensteinach. In Oberprex zum Beispiel im Landkreis Hof. Da hatte sich Tony Gentsch in einem ehemaligen Gasthof eingerichtet und regelmäßig eine braune Bande um sich geschart. Weil er aber ein führendes Mitglied des Freien Netzes Süd war und das Innenministerium genau dieses kürzlich verboten hat, wurde auch das Grundstück konfisziert. Das steht nun leer und vielleicht kommt ja auch jemand auf die Idee, dort Asylbewerber unterzubringen, schließlich fehlen bayernweit immer noch Häuser und Wohnungen für Flüchtlinge. Dann würde das Haus wenigstens sinnvoll genutzt. Und das Schicksal könnte noch mal ein bisschen zwinkern.

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