Oberfranken:Ehrung für eine Antisemitin

Ihrer oberfränkischen Heimat war Kuni Tremel-Eggert tief verbunden. Doch die im Örtchen Burgkunstadt hoch geehrte Schriftstellerin war tief verwurzelt im Antisemitismus. Eine Vergangenheit, die vor Ort gerne ausblendet wird.

Marius Meyer

Zu ihrer oberfränkischen Heimat hatte die Schriftstellerin Kuni Tremel-Eggert zeitlebens ein enges Verhältnis. Die meisten ihrer Werke handeln von der Kleinstadt im Landkreis Lichtenfels, die sie 1917 Richtung München verließ. Dennoch wollte sie in Burgkunstadt beerdigt werden, wo sie den Status einer "Heimatdichterin" hat, weil sie in ihren frühen Büchern das ländliche Leben - vor allem das von Burgkunstadt - mit Einfühlungsvermögen, Lebensklugheit und Humor beschrieben hat, wie ihr Kritiker bescheinigen.

Vor kurzem stand Tremel-Eggerts 50. Todestag an. Für Bürgermeister Heinz Petterich Grund, die Verstorbene mit einer Kranzniederlegung zu ehren. Und dass, obwohl Tremel-Eggert wegen antisemitischer Hetze nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Schreibverbot belegt worden war. Denn ihre Werke zeugen noch von einem anderem Geist: Im letzten Kapitel ihres Romans "Barb. Der Roman einer deutschen Frau" von 1933 feiert sie die anbrechende "neue Zeit" und meint damit den Nationalsozialismus.

Noch weiter ging sie in ihrem 1938 erschienenen Roman "Freund Sansibar", der ihr größter wirtschaftlicher Erfolg werden sollte. Er erreichte, mit starker Unterstützung durch den Zentralverlag der NSDAP, eine Auflage von rund einer Million Exemplare. In dem Buch vergleicht sie das Judentum mit "einer Eiterbeule im Volkskörper, aus der quillt alles Unglück, alles Elend, aller Jammer, Not und Krieg".

Bei der Lektüre dieses Romans, in dem über der Romanfigur "Schlächters-Ignaz" alle antisemititschen Klischees ausgeschüttet werden, packte Heimatforscher Josef Motschmann das "blanke Entsetzen". Motschmann: "Sie hat wie viele andere eine Saat ausgestreut, die schließlich die Verbrechen der Nazis ermöglicht hat." Deswegen sprach er sich öffentlich gegen eine abermalige Ehrung der Dichterin aus.

Seit 1958 trägt eine Straße in Burgkunstadt ihren Namen, Gedenkveranstaltungen gab es auch zu anderen Jubiläen, so zu ihrem 100. Geburtstag im Jahr 1989.

Sein Appell verhallte ungehört. Zum diesjährigen Todestag wurde eine Austellung über das Leben der Schriftstellerin zusammengestellt, in der ihre nationalsozialistische Vergangenheit aber nicht thematisiert wurde.

"Die Ehrung gilt nur den frühen Werken"

Bei einer Festveranstaltung rezitierten Schüler aus dem Ort Gedichte Tremel-Eggerts, Studiendirektor Richard Kehling hielt die Festrede, in der er laut eines anwesenden Reporters "nur am Rand, aber mit deutlichen Worten" auf die braune Epoche der Geehrten einging. Bürgermeister Heinz Petterich (Freie Wähler) betonte, "wir stehen zu unserer Heimatdichterin", und legte einen Kranz an ihrem Grab nieder.

Bürgermeister und Festredner distanzierten sich nur von der zweiten Schaffensphase Tremel-Eggerts. Die Ehrung gelte nur den frühen Werken. In denen habe sie, so schreibt Petterich in einer Stellungnahme, das Burgkunstadter Dasein im 19. Jahrhundert derart zutreffend beschrieben, "das ihr Frühwerk für uns von unschätzbaren Wert bleibt."

Doch ein wichtiges Element Burgkunstadts fehlt laut Motschmann in diesen Büchern: die Juden. Bis zur großen Auswanderungswelle in der Mitte des 19. Jahrhunderts lebten rund 420 Juden in dem Ort - von insgesamt 1200 Bürgern. Als Tremel-Eggert dort aufwuchs, waren immer noch viele der Persönlichkeiten der Stadt jüdisch. Zum Beispiel gründete ein Jude eine Schuhfabrik. Die erste von mehreren in dem Städtchen.

Zwei Häuser neben dem Elternhaus der Schriftstellerin wohnte der Rabbiner. Juden waren ihre Nachbarn, aber in den Büchern, für die sie von der Stadt geehrt wurde, kommen sie nicht vor.

1942 wurden fast alle Burgkunstädter Juden in ein Vernichtungslager abtransportiert und ermordet. Nach dem Krieg lebte nur noch eine Jüdin in der Stadt.

Für Bürgermeister Petterich scheint das Problem weniger in der Vergangenheit der Autorin als vielmehr in einer Sensationslust von Journalisten zu liegen, die er gegenüber sueddeutsche.de als "Schmierfinken" bezeichnete. Zuvor hatten lokale Zeitungen, die Bild-Zeitung und der Bayerische Rundfunk über die Gedenkfeier und den Streit darum berichtet.

Heimatforscher Motschmann sagte im Gespräch mit sueddeutsche.de, er hoffe, dass die jetzt begonnene Diskussion dazu beiträgt, dass sich Burgkunstadt kritisch mit seiner Heimatdichterin auseinandersetzt - und, dass die Kuni-Tremel-Eggert-Straße umbenannt wird.

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