Oberfranken:Die heile Welt von Schloss Guttenberg

Der oberfränkische CSU-Chef Karl-Theodor zu Guttenberg schreibt einen Gastkommentar - und erntet dafür Befremden in seiner Heimat.

Olaf Przybilla

Der Bürgermeister von Wunsiedel, Karl-Willi Beck, hat in dieser Woche ein strategisches Papier vorgestellt, dessen Titel bereits an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig lässt. Es heißt: "Der Wunsiedler Weg zur Überwindung der demografischen Apokalypse". Wer Beck zuhört, der kann den dramatischen Hilferuf eines oberfränkischen Bürgermeisters hören, der beobachten muss, wie die Bevölkerung seiner Kleinstadt Jahr für Jahr wegzieht - oder wegstirbt.

Im oberfraenkischen Guttenberg ist der Verteidigungsminister unumstritten

Im oberfraenkischen Guttenberg steht der Familiensitz: Schloss Guttenberg.

(Foto: dapd)

Beck ist Mitglied der CSU, er liest morgens eine Zeitung aus Hof, weshalb er einen Beitrag seines oberfränkischen CSU-Bezirksvorsitzenden Karl-Theodor zu Guttenberg nicht mitbekommen hat. Denn der Beitrag ist Anfang der Woche im Nordbayerischen Kurier erschienen, in der Bayreuther Lokalzeitung. Das Phänomen, das sie im oberfränkischen Wunsiedel wie eine "Apokalypse" wahrnehmen, hört sich in Guttenbergs Text ziemlich anders an. Den Titel seines "Gastkommentars" ziert ein Zitat aus der Feder Guttenbergs. Es lautet: "Oberfranken ist für den demografischen Wandel gerüstet." Das erregt nun Widerspruch.

Dass sich Guttenberg in Oberfranken einer extremen Zuneigung erfreut, wird nicht verwundern. Bei seinen Auftritten in der Heimat schlägt ihm üblicherweise ein Maß an Bewunderung entgegen, dass mindestens an einen virtuosen Künstler denken lässt, nicht an einen Politiker. Nun aber sind die Reaktionen ganz andere: Guttenberg speise die Oberfranken "mit abgedroschenen, völlig nichtssagenden Phrasen" ab, ärgert sich eine Leserbrief-Schreiberin.

Auf fast einer halben Zeitungsseite werde nichts gesagt über Leerstände, verfallende Gewerbebetriebe, fehlende Arbeitsplätze in den ländlichen Gebieten, "schönfärberischer geht's nimmer". Ein anderer glaubt "belangloses politisches Geschwafel" zu lesen und moniert: "Schöne Worte wie ,strategische Konzepte, dynamische Mitte und Doppelstrategie' ergeben aneinandergereiht noch lange keinen sinnvollen Kommentar."

Auch auf die Landtagsabgeordnete der Grünen, Ulrike Gote, wirken die beeindruckend mäandernden Sätze, an die man sich aus Guttenbergs Reden gewöhnt hat, in schriftlicher Form plötzlich wie eine "Kabarett-Nummer zur Veralberung von Polit-Sprech". Und der ehemalige SPD-Chef in Bayern, Wolfgang Hoderlein, fühlt sich bei dem Text unweigerlich an Loriot erinnert.

Hoderlein meint Passagen wie diese: "Eine nicht zu vernachlässigende Rolle nimmt in diesem wichtigen, zukunftsbestimmenden Prozess unbestritten die Regionalplanung ein. Geschuldet ist diese herausgestellte Verantwortung dem Umstand, dass das Faktum regionaler Unterschiede und Besonderheiten kaum Lösungen für die gesamtdeutsche Herausforderung erlaubt.

Entsprechend sind also auch kommunale, an die Regionen und ihre Eigenschaften adaptierbare, strategische Konzepte notwendig, um den durch die demografische Entwicklung gestellten Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Oberfranken muss sich im Hinblick auf eine solche vorausschauende und entsprechend erfolgreiche sowie nachhaltige Bewältigung der gestellten Aufgaben nicht vorauseilend abducken."

Guttenbergs Gastkommentar endet mit der Feststellung, Oberfranken sei für die Herausforderungen "gut gerüstet" - auch wenn man "den eingeschlagenen, positiven und bereits erfolgreichen Weg noch lange nicht als beendet bewertet sehen", sondern "diesen entsprechend weiterverfolgen und sich gleichzeitig den nationalen wie europäischen unbequemen Wahrheiten ohne Wahltagsdenken annehmen" müsse.

Gut gerüstet? "Wir sind gar nicht gut gerüstet", sagt CSU-Mann Beck. In den letzten zehn Jahren hat die Stadt 1000 Einwohner verloren, das sind zwölf Prozent. Nach amtlichen Prognosen wird Wunsiedel bis 2028 weitere 1300 Einwohner verlieren. "Wenn wir hier jetzt nicht Alarm schlagen, wenn wir jetzt nichts gegen den Wegzug tun, wenn alles immer so weiterläuft, dann werden die schlimmsten Prognosen eintreffen", befürchtet er. Ulrike Gote, die oberfränkische Abgeordnete, sieht das genauso: "Wenn man Guttenberg liest, glaubt man, er hat noch nie in Oberfranken gelebt", sagt sie.

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