Süddeutsche Zeitung

Oberfranken-CSU hofft auf Ex-Minister:Planspiele für Guttenberg-Rückkehr

Erst schaut er im Schloss vorbei, dann lässt er sich in Kulmbach bejubeln - und schließlich liegen sie ihm wieder zu Füßen: In der Oberfranken-CSU wird bereits die Rückkehr von Karl-Theodor zu Guttenberg aus dem US-Exil durchgespielt. Die Parteispitze ist da nicht ganz so euphorisch.

Frank Müller und Olaf Przybilla

Wolfgang Protzner hat bereits eine sehr klare Vorstellung davon, wie die Rückkehr von Karl-Theodor zu Guttenberg dereinst vonstatten gehen wird. Im Juni 2012 wird es soweit sein, vielleicht auch erst im Juli, jedenfalls im Sommer nächsten Jahres.

Guttenberg wird natürlich erst mal in Guttenberg vorbeischauen, im Schloss. Dann aber wird die örtliche CSU bald eine schöne Mehrzweckhalle in Kulmbach anmieten, Guttenberg wird eine Rede halten, am Ende werden alle aufstehen, "und wenn er nur eine Prise Glück hat", sagt Protzner, "bekommt er von uns runde 100 Prozent Zustimmung" - bei der Nominierung.

Dann also wäre Guttenberg wieder CSU-Kandidat, und wer noch wisse, dass bei der letzten Bundestagswahl keinem Direktkandidaten in Deutschland mehr Zustimmung widerfahren sei als eben Guttenberg in Kulmbach, der ahne auch, wie 2013 der Abgeordnete von dort heißen wird: KT zu G.

So weit also Protzner, der emeritierte Geschichts-Professor aus Kulmbach. Nun kann man sagen, dass das wohl nur eine Minderheiten-Meinung aus Franken sein kann, aber da sollte man sich nicht täuschen: Denn es gibt in Kulmbach kaum einen, der die Gliederungen der örtlichen CSU besser kennt als eben Protzner: Er war Bürgermeister in Kulmbach, 18 Jahre lang, er ist dort weiterhin Stadtrat und Kreisrat für die CSU - und er ist ein Vertrauter derer zu Guttenberg.

Ruft man bei Protzner an dieser Tage, kann es passieren, dass man in wichtigen Gesprächen stört: "Ich sitze gerade mit einem Parteifreund im Garten", sagt er, "wir besprechen die Rückkehr von KT."

Ist das Ironie? Nicht wirklich, sagt Protzner. Guttenberg werde 2012 wohl eine "Rede über die Grundsätze deutscher Außenpolitik" halten, die CSU habe bei diesem Thema in den letzten Jahrzehnten ja nie besonders geglänzt. Guttenberg werde also gebraucht in der CSU. Und deshalb: "Hier in Kulmbach bereiten wir uns bereits auf die Jubelveranstaltung vor" - anlässlich der Rückkehr von KT.

Wird Guttenberg wirklich gebraucht in der CSU? In München ist die Euphorie in der Frage noch etwas gebremst. Der Chef der Landtags-CSU, Georg Schmid, sitzt im Bayernzimmer des Maximilianeums, und sein Gesichtsausdruck wechselt gleich mehrmals, wenn er nach Guttenberg gefragt wird.

Belustigt schaut er, ungläubig, nachdenklich und schließlich ernst: "Ich glaube nicht, dass er schnell zurückkehrt." Wenn aber doch, wäre es zum Nutzen oder Schaden der CSU? "Die Frage", sagt Schmid mit feinem Lächeln, "beantworte ich, wenn er da ist."

Offener Jubel ist in der CSU bei den Gedankenspielen um eine schnelle Rückkehr des gefallenen Sohns nicht zu vernehmen. Brüske Ablehnung aber auch nicht. Auch die Stimmungslage von Parteichef Horst Seehofer dürfte in der Frage nicht eindeutig sein. Nach außen hält er sich zurück und plädiert stets stereotyp dafür, "dem Karl-Theodor etwas Zeit zu lassen". Und zwar lieber mehr Zeit als weniger, hören manche da heraus.

Seehofer könnte einerseits ein Wahlkampf-Zugpferd in den beiden zu erwartenden knappen Auseinandersetzungen um Landtag und Bundestag gut gebrauchen. Andererseits hat Seehofer schon gespürt, dass ihm die Anwesenheit von Guttenberg zusetzen kann: Weil bei ihm stets die Perspektive mitschwang, dass er eher früher als später Seehofer an der Parteispitze verdrängen könnte.

Doch man könnte auch noch ein drittes Element bedenken: Käme Guttenberg zurück, würde der Kronprinzen-Wettbewerb wieder heftiger - und damit für Seehofer bequemer. Zuletzt sah man in der Nachfolgedebatte nur noch Markus Söder.

Viel Zeit ist nicht mehr, was eine Bundestagskandidatur betrifft. Im Sommer werden sie aufgestellt - das wäre ein sehr rascher Wiedereinstieg nach nur etwas mehr als einem Jahr. Ein Parteifreund aus Oberfranken fände das nicht glücklich, der Vorgeschichte wegen. Aber er macht auf eine prekäre Situation in Kulmbach aufmerksam: Der dortige Wahlkreis ist in akuter Gefahr.

Eine Kommission hat angeregt, ihn zu streichen, weil Oberfranken für fünf Wahlkreise zu dünn besiedelt ist. Die CSU läuft dagegen Sturm, bis 2013 wird sie den Wahlkreis noch halten können. Aber 2017?

Die demographische Entwicklung in Oberfranken ist dramatisch, vieles spricht dafür, dass dem Bezirk von 2017 an nur noch vier Wahlkreise um die vier Zentren übrigbleiben: Bamberg, Bayreuth, Coburg und Hof. Kulmbach, Stammland Guttenbergs - in dem er nur eine Mehrzweckhalle betreten muss, um gewählt zu werden - wäre dann weg. Für einen, der bis dahin kein Abgeordneter ist, "würde ein Einstieg dann sehr schwierig", sagt der Parteifreund.

Ohnehin ist in der CSU die Erinnerung an den unrühmlichen Abgang ihres früheren Stars noch frisch. Erst im März hatte er seinen Posten als Minister abgegeben, der Doktortitel wurde aberkannt, die Familie siedelte nach Amerika um. Und erst jetzt ist die Affäre für Guttenberg ausgestanden. Die Staatsanwaltschaft Hof hat das Verfahren gegen Guttenberg wegen des Verdachtes auf Verletzung des Urheberrechtes eingestellt - gegen Zahlung einer Geldauflage. 20.000 Euro muss Guttenberg nun an die Deutsche Krebshilfe zahlen.

Will Guttenberg eine neue Doktorarbeit schreiben, wie es gerüchteweise heißt? Ein Vertrauter, der Kontakt zu ihm hat, hält das für "denkbar". Einer, der Guttenberg von Kindesbeinen an kennt, sagt: "Darüber ist nicht entschieden." Die Scharte wäre dann aus der Welt, die politische und auch die familiäre.

Professor Protzner aber hielte dies für einen Fehler. Er hatte Guttenberg schon abgeraten, die erste Arbeit zu schreiben, wegen Zeitmangels. Nun müsste die zweite Doktorarbeit bis 2013 fertig sein - weil Guttenberg sonst erneut ins Dilemma des "Nebenher-Schreibens" geriete. Und überhaupt brauche Guttenberg das nicht: "Für eine Familie mit der Tradition", sagt er, "ist so ein Titel überflüssig."

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SZ vom 23.11.2011/tob
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