Oberbürgermeisterwahl:Landshuter Lackmustest

In Niederbayerns Hauptstadt Landshut wird sich am Sonntag zeigen, ob erstmals ein Grüner Oberbürgermeister werden kann. Der CSU-Amtsinhaber Hans Rampf will das unbedingt verhindern.

Christian Sebald

So eine Demo haben sie in Landshut noch nicht erlebt. Gut tausend Atomgegner sind durch die mittelalterliche Altstadt gezogen, nun stehen sie vor dem Rathaus. Wo vormittags Bäuerinnen aus der Region Äpfel, Kartoffeln und Gemüse anbieten, rufen die einen: "Abschalten! Abschalten!" Die anderen strecken Transparente in die Höhe oder schwingen Fahnen. Einige machen einen ohrenbetäubenden Krach auf ihren Trommeln.

Landshuter OB-Wahlkampf

Amtsinhaber Hans Rampf von der CSU geht selbstbewusst in die Wahl am Sonntag. Die Stammtische der Stadt bescheinigen ihm gute Arbeit. Andererseits hat auch Bürgermeister Thomas Keyßner (Grüne) viele Anhänger im bürgerlichen Lager. Der Sonntag verspricht spannend zu werden.

(Foto: dpa)

Und oben auf dem Podest wettert der zweite Landshuter Bürgermeister Thomas Keyßner gegen Schwarz-Gelb und die Atomkonzerne. "Der Reaktor Isar 1 ist einer der unsichersten in ganz Deutschland", ruft der Grünen-Politiker. "Er muss abgeschaltet werden."

Es sind spannende Tage in Landshut. Nicht nur, weil hier - 15 Kilometer südlich des ältesten Atommeilers Bayerns - der Widerstand gegen die Berliner Atompolitik von Tag zu Tag anschwillt. Sondern weil diesen Sonntag Oberbürgermeisterwahl ist. Jahrzehntelang war die 63.000-Einwohner-Stadt eine Hochburg der CSU. Ausgerechnet Landshut ist aber nun die Stadt, in der die Grünen zum ersten Mal überhaupt in Bayern den OB stellen könnten. So wie sie das schon in den baden-württembergischen Städten Konstanz, Freiburg und Tübingen tun.

Der Grünen-Mann Keyßner gilt als schärfster Konkurrent des Landshuter CSU-OB Hans Rampf. Nicht nur seine Parteifreunde rechnen fest damit, dass Keyßner Rampf in die Stichwahl zwingt. Auch in der CSU tun das viele. Den anderen vier OB-Kandidaten werden allenfalls Außenseiterchancen eingeräumt.

Natürlich profitiert Keyßner vom wachsenden Widerstand gegen die Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke. Und vom aktuellen Höhenflug der Grünen - landesweit haben sich die Ökos in Meinungsumfragen mit 23 Prozent in der Wählergunst weit vor die SPD auf Rang zwei geschoben. "Der Andrang an den Infoständen ist immens", sagt Keyßner denn auch. "Die Leute sind Schlange gestanden, um unsere Resolution gegen den Reaktor zu unterschreiben." Damit alleine aber könnte der 54-jährige Leiter des Landshuter Integrationsamtes und langjährige Richter am Landessozialgericht niemals gegen Amtsinhaber Rampf punkten.

Den Landshuter Grünen kommt vielmehr zugute, dass sie seit jeher einen entscheidenden Tick bürgerlicher sind als ihre Parteifreunde anderswo. Und beharrlich und zuverlässig - gleich, ob in ihren verkehrspolitischen Vorstellungen oder in der Schulpolitik. Keyßner, der ebenso selbstverständlich feines Tuch und Krawatte trägt wie Jeans und Freizeithemden, gehört seit 1996 dem Stadtrat an und ist kein einziges Mal durch schrille Töne aufgefallen. Das kommt an in einer Verwaltungs- und Schulstadt wie Landshut, mit ihrem starken Bürgertum, das ebenso modern wie ökologisch denkt. Deshalb sind die Grünen 2008 zweitstärkste Kraft im Stadtrat geworden, deshalb ist Keyßner ein allseits respektierter zweiter Bürgermeister.

Die Landshuter CSU hingegen hat sich komplett zerstritten. Der Ausgangspunkt war ausgerechnet Rampfs erste OB-Kandidatur. Der Unternehmer und Betreiber von etlichen Burgerrestaurants war ein kommunalpolitischer Spätstarter. Aber die Landshuter schätzten Rampf sofort, als er wie sein heutiger Herausforderer Keyßner 1996 in den Stadtrat einzog. In der CSU indes kam Rampf weniger gut an. Sie wollte ihn partout nicht als OB-Kandidaten haben - damals im Jahr 2004, als es darum ging, wer auf den überaus populären Josef Deimer folgen sollte, der mit 35 Amtsjahren Deutschlands dienstältester OB war und aus Altersgründen nicht mehr antreten durfte.Also gründete sich eine Wählergruppierung.

Sie sammelte 8000 Unterschriften für Rampf und rief den CSU-Mann zu ihrem OB-Kandidaten aus. Gleich im ersten Wahlgang deklassierte Rampf den offiziellen CSU-Bewerber mit 50,89 gegen 14,84 Prozent. Die CSU versank daraufhin in massiven Flügelkämpfen, weshalb sie bei der Kommunalwahl 2008 auch noch ihre angestammte absolute Mehrheit verlor.

Ein Spiel mit Nähe und Distanz

Das Chaos in seiner Partei hat Rampf bislang nicht geschadet. Im Gegenteil. In seiner leutseligen Art kommt der 61-Jährige gut an, bei Vereinsleuten wie bei konservativen Frauenverbänden oder beim Mittelstand. "Die Leute fühlen sich gut aufgehoben bei ihm", hört man dieser Tage allenthalben. Selbst an den für gewöhnlich überaus skeptischen Stammtischen gibt es kaum Kritik. "Was wollt's denn, er macht's doch gar nicht so schlecht", heißt es meist, wenn die Rede auf den OB kommt. Und bei einer repräsentativen Umfrage, welche die Lokalzeitung unlängst vom Allensbach-Institut hat anfertigen lassen, erklärten immerhin 45 Prozent der Befragten Rampf zu ihrem neuerlichen Wunsch-OB.

Die Beliebtheit von Rampf hat gewiss auch damit zu tun, dass er nach wie vor Distanz zu seiner CSU hält - obwohl er offiziell längst wieder in den Schoß der Partei zurückgekehrt ist. "Das ist ein überaus geschickter Schachzug", sagt ein einflussreicher CSU-Oberer, "einerseits bewahrt er so den Stadtverband vor dem völligen Niedergang. Andererseits wird er nicht so sehr mit der CSU identifiziert, dass es ihm im OB-Wahlkampf schadet."

Für Rampf spricht auch, dass Landshut alles in allem gut da steht. Nicht nur, dass die Stadt mit der mittelalterlichen Altstadt samt der übermächtigen St.Martins-Kirche und der Burg Trausnitz oben auf dem Isar-Hochufer zu den stimmungsvollsten Kommunen Bayerns zählt. Den meisten Landshutern geht es finanziell deutlich besser als der Bevölkerung in vielen anderen Regionen. Auch die Wirtschaft, gleich ob es nun Konzerne wie BMW oder die vielen Mittelständler sind, ist gut durch die Wirtschaftskrise gekommen. Die Arbeitslosenquote beträgt nur 5,2 Prozent, sie ist damit sogar geringer als in München.

In Sachen Kinderkrippen und Schulen hinkt die Stadt freilich weit hinterher. Der Grüne Keyßner wirft Rampf sogar einen "Modernisierungsstau von wenigstens 150 Millionen Euro" vor. Auch beim Verkehr tritt die Stadt auf der Stelle. Gleich drei Bundesstraßen durchschneiden Landshut - Abhilfe ist nicht in Sicht. Und was die Verschuldung anbelangt, hält Landshut seit Jahren den Negativrekord in Bayern: Satte 3357Euro beträgt sie pro Kopf der Bevölkerung. Wenig verwunderlich, dass Rampf in seinem Wahlkampf stets als sein Hauptverdienst anführt, er habe "30 Millionen getilgt".

Bleibt die politische Großwetterlage. Zwar glaubt Rampf, "dass der Atomstreit und das Stimmungshoch für die Grünen keinesfalls die OB-Wahl beeinflussen". Denn da, so sein Credo, "geht es nicht um große Politik, da geht es um Personen". Doch auch im Atomstreit hat Rampf vorgesorgt. Zwar hat der OB gezögert, bis er sich der Resolution gegen den Reaktor Isar 1 angeschlossen hat, mit der die Landshuter CSU deutschlandweit Aufsehen erregt hat.

Dafür betont Rampf nun um so häufiger, dass schon sein Amtsvorgänger Deimer entschiedener Gegner des Uraltreaktors war. Hans Rampf hat sich fest vorgenommen, die OB-Wahl im ersten Anlauf zu gewinnen.

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