Süddeutsche Zeitung

Oberbayern:Streit über Landesgartenschau in Traunstein: Bürger sollen entscheiden

  • Die oberbayerische Kreisstadt Traunstein hat vor einem Jahr den Zuschlag für die Landesgartenschau 2022 erhalten.
  • Nun haben Gegner der Landesgartenschau einen Bürgerentscheid durchgesetzt. Am 10. April wird abgestimmt.
  • Traunstein liefere sich einer intransparenten Organisation aus, sagen Kritiker.

Von Matthias Köpf, Traunstein

Wenn dann alles blüht, wenn sich die neuen Wege sanft durch die eigens angelegten Parks schwingen, wenn die Kinder über den Barfußpfad tappen und wenn sich die Parkplätze mit den Autos Tausender zahlungskräftiger Besucher füllen, dann ist Landesgartenschau. So oder so ähnlich sieht jedenfalls das Standard-Szenario der Gesellschaft zur Förderung der bayerischen Landesgartenschauen aus, auf das sich alle zwei Jahre eine andere Stadt im Freistaat einlässt.

Die oberbayerische Kreisstadt Traunstein hat sich 2013 erstmals für die Landesgartenschau 2022 beworben. Sie hat vor einem Jahr den Zuschlag erhalten, inzwischen die nötige Betreibergesellschaft gegründet und schon die ersten Bürgerwerkstätten hinter sich, um ihr Grobkonzept aus der Bewerbung zu verfeinern. Doch die Bürger reden in Traunstein nun auch auf ganz andere Weise mit. Kritiker haben einen Bürgerentscheid über die Landesgartenschau durchgesetzt, zum ersten Mal überhaupt in Bayern. Abgestimmt wird am 10. April.

Nachdem die Initiative innerhalb weniger Wochen mehr als 2000 Unterschriften gesammelt und damit den Bürgerentscheid erzwungen hatte, gingen auch die Befürworter in die Offensive. Die Mehrheit der Stadträte hatten wenige Monate zuvor noch einen Vorstoß der Grünen abgelehnt, doch am besten die Bürger entscheiden zu lassen. Nun stellt sie der Vorlage der Kritiker doch ein eigenes Ratsbegehren entgegen, das parallel zur Abstimmung steht.

Kritiker wollen gar nicht in allen Punkten widersprechen

In aller Eile fand sich auch ein Verein der Freunde der Landesgartenschau zusammen. Oberbürgermeister Christian Kegel (SPD) sowie allerlei Lokalgrößen und Gewerbetreibende legen sich ins Zeug, darunter die Verlegerfamilie der Lokalzeitung Traunsteiner Tagblatt. Gartenschauen förderten den Tourismus, erhöhten die Lebensqualität, verbesserten das Image und schafften neue Arbeitsplätze, heißt es von dieser Seite.

Die Kritiker wollen da gar nicht in allen Punkten widersprechen. Allerdings fragen sie, ob sich solche Ziele nicht auch mit weniger Geld und Risiko erreichen ließen. Traunstein verfüge gar nicht über eine zusammenhängende Fläche, die sich per Gartenschau sinnvoll entwickeln ließe, und liefere sich außerdem einer intransparenten Organisation aus.

Am faktischen Gartenschau-Monopol der Gesellschaft zur Förderung der bayerischen Landesgartenschauen hat 2014 auch Bayerns Oberster Rechnungshof Kritik geübt. Hinter der als gemeinnützig anerkannten GmbH stehen der Bayerische Gärtnerei-Verband, der Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Bayern und der Bund Deutscher Baumschulen.

Zuschüsse sind an strikte Regeln geknüpft

Wer eine Landesgartenschau ausrichten und dafür Zuschüsse vom Umweltministerium erhalten will, muss eine Betreiber-GmbH mit dieser Gesellschaft gründen, die seit 1980 die Landesgartenschauen organisiert. Die Staatsregierung fördert dauerhafte Investitionen im Rahmen der Gartenschauen mit bis zu 50 Prozent - dies allerdings nur mit maximal 3,6 Millionen Euro.

Außerdem sind die Mittel an strikte Regeln geknüpft. So muss die Stadt Burghausen nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs von Anfang des Jahres für die Gartenschau 2004 einschließlich Zinsen 1,6 Millionen Euro an den Freistaat zurückzahlen, weil sie damals nicht alle Aufträge europaweit ausgeschrieben hat. Insgesamt hat Burghausen 15,5 Millionen Euro in die Veranstaltung gesteckt und bei Weitem nicht die ganze Summe über die 900 000 Tickets und das Sponsoring wieder eingenommen.

Dennoch ist die Zufriedenheit mit der Gartenschau dort nach wie vor groß. Ihr habe man unter anderem die grüne Verbindung zwischen der Neustadt und der Burg zu verdanken, heißt es aus dem Rathaus. Rosenheim, das Traunstein ähnlich nahe liegt wie Burghausen, hat 2010 knapp 20 Millionen Euro für seine von mehr als einer Million Menschen besuchte Gartenschau ausgegeben - ebenfalls deutlich mehr als die Summe der Einnahmen.

Geblieben sind unter anderem ein anhaltendes Plus bei den Übernachtungen, ein Park an der Mangfall mit einem allsommerlichen Festival, einige neu gestaltete Plätze und Stadtviertel sowie anhaltende Begeisterung im Rathaus.

Geforderte Investitionen sind laut Kritikern viel zu groß

In Traunstein versprechen sich die Stadt und die Gartenschaufreunde ähnliche Effekte für die Auen entlang der Traun, für die altstadtnahen Brachflächen beim Bahnhof und für den Karl-Theodor-Platz, der seit Jahrzehnten eine Tiefgarage erhalten soll, um selbst wieder mehr als ein bloßer Parkplatz werden zu können.

Traunstein will sich das alles nach bisherigen Kalkulationen 26 Millionen Euro kosten lassen, dabei mindestens die 9,5 Millionen Euro für den Betrieb der sechsmonatigen Gartenschau wieder einspielen und für die langfristigen Investitionen auch Zuschüsse aus anderen Quellen wie der staatlichen Städtebauförderung auftun.

Solche Geldquellen gäbe es nach Ansicht der Kritiker aber auch ohne Gartenschau. Ihrer Ansicht nach sind die geforderten Investitionen viel zu groß für eine Stadt mit knapp 20 000 Einwohnern und kaum Hotelbetten, die außerdem bei weitem nicht über so potente Gewerbesteuerzahler verfügt wie das ähnlich große Burghausen oder das viel größere Rosenheim.

Großveranstaltungen als Motor für die Stadtentwicklung haben aus dieser Sicht jüngst auch die Hamburger mit ihrer Olympiabewerbung abgelehnt. Prophezeiungen über den Ausgang des eigenen Bürgerentscheids traut sich in Traunstein momentan kaum jemand zu.

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SZ vom 31.03.2016/mkro
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