Es kann trügerisch sein, sich auf den ersten Eindruck zu verlassen: Die Talhänge am Brauneck sind vor allem an schönen Tagen voller Wintersportler mit Schlitten oder anderen jahreszeittypischen Gerätschaften. Manchmal sind es so viele, als hätten die Lifte offen. Die Anlagen stehen jedoch still, schon seit Saisonbeginn sind sie wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Ob sie in diesem Winter überhaupt wieder laufen dürfen, ist völlig unklar. Dies belastet auch die zahlreichen Betreiber der Skischulen, weil Kosten auflaufen, aber Einnahmen ausbleiben.
Trotzdem fürchtet sich Sepp Wohlmuth, der den Schlepplift am Streidlhang betreibt, ob des Andrangs sogar ein wenig davor, wieder loslegen zu dürfen. "Es warten ja alle darauf, dass der Lift läuft", sagt er. Daher frage er sich, ob sich alle Hygieneauflagen in der Pandemie einhielten ließen, sollte es die Wintersportler in Massen zum Lenggrieser Hausberg ziehen. "Wie können wir das bewerkstelligen", grübelt er. Selbst mit begrenzten Parkplätzen sei er skeptisch, die Wintersportler kanalisieren zu können. Liege im Tal noch Schnee, würde er den Lift am Streidlhang aber sogar noch an Ostern fahren lassen, wenn es in den niedrigeren Skigebieten zur Nebensaison meist deutlich ruhiger als zu Weihnachten oder Fasching ist.

Coronavirus in Bayern:Die unerkannten Mutanten
In Bayern ist die Datenlage sehr verwirrend, es gibt keine zentrale Erfassung. Und das, obwohl Wissenschaftler und Politiker die Mutanten seit Wochen als eine der größten Gefahren für den Sieg über die Pandemie bezeichnen.
Vorerst haben die bayerischen Pandemie-Vorgaben den Lift- und den Skischulbetreibern die Berufsgrundlage entzogen. "Grundsätzlich hängen wir total in der Luft", sagt Martin Gerner von der Skischule HiSki bei den Gilgenhöfen am vorderen Brauneck. "Das ist eine Vollkatastrophe." Die betreffe ihn finanziell als Skischulleiter, ebenso aber auch die Mitarbeiter. 80 Skilehrerinnen und Skilehrer beschäftigt er pro Saison, zehn sind im Verleih von Ski- und Langlaufausrüstung beschäftigt - darunter auch viele Studenten. Ihnen allen fehle nun der Verdienst, sagt Gerner.
Sollte die Wintersaison ganz ausfallen, spricht der Skischulbetreiber von einem "Draufzahlgeschäft ohnegleichen". Allein um den Sammelplatz und die Skikindergartenanlage zu beschneien, habe er 10 000 Euro ausgegeben, für die Ausrüstung zum Ausleihen nochmals 30 000 bis 40 000 Euro. Schon längst gebuchte Kurse habe er absagen, die Gebühren zurückerstatten müssen. Staatliche Hilfsgelder hat er zwar beantragt, bislang sind ihm aber für November nur einmal 5000 Euro ausgezahlt worden. Seitdem habe er nichts mehr gehört, erzählt Gerner. "Es ist existenzgefährdend." Weil auch über den Sommer etwa Mieten für die Skischulgebäude anfallen, fürchtet Gerner, dass die finanziellen Auswirkungen noch manchen Kollegen übel treffen könnten.
Über das neu aufgebaute Online-System können die Kunden der Skischule HiSki immerhin Ausrüstung etwa zum Langlaufen per Click & Collect leihen. Zur vereinbarten Zeit könnten sich die Leute das Bestellte vor dem Skischulgebäude kontaktlos mitnehmen, sagt Gerner. Für einzelne Langläufer biete er sogar einen "Personal Coach" an. Über ein Tool im Ohr könnten beide auch über eine Entfernung von zehn bis 50 Meter kommunizieren und so den nötigen Abstand halten. Reich werde damit aber keiner. Die Stunde koste 45 Euro, zwischen 18 und 20 Euro blieben beim Lehrer übrig.
Ohne staatliche Finanzhilfen wird es für alle schwierig. Martin Schliephake von der Snowboardschule Schneesturm hat allein für 20 neue sogenannte Splitboards - diese lassen sich, um mit Fellen hangaufwärts steigen zu können, zweiteilen und für die Abfahrt wieder zusammensetzen - zum Ausleihen heuer viel Geld investiert. Im Handel koste ein Board zwischen 1000 und 1500 Euro, sagt er. Um die Rechnungen zu begleichen, sei er auf Unterstützungsgelder angewiesen. "Wenn gar nichts geht, wird es dramatisch."
Im Moment geht es darum, die laufenden Kosten möglichst zu begrenzen. Üblicherweise beschäftigt Schliephake pro Saison etwa 25 Lehrer für Kurse, Freeride- oder Lawinencamps auf Stundenbasis. "Die haben im Moment gar nichts." An Einsteiger verleihe er aber auch das eine oder andere Board per Click & Collect . Per E-Mail könnten die Kunden bestellen und das gewünschte Exemplar im Freien zu einer bestimmten Uhrzeit abholen. Über ein Youtube-Video sendet er Anleitungen zum Umbauen eines Split Boards.
Dass die Leute in einem Winter ohne Ski- und Skischulbetrieb die Lust am Sport verlieren, glaubt Ecki Kober nicht. "Das Bedürfnis im Winter in den Bergen zu sein, ist auf so hohem Niveau, das wird nicht abreißen", ist sich der langjährige Skischulleiter am Brauneck sicher. Zwar werde das Skifahren zunehmend kostspieliger, gehe es heuer aber nicht mehr, wollten Viele den Sport im nächsten Jahr nachholen.
Kober bemüht sich, mit den Folgen der Corona-Krise möglichst ruhig umzugehen. Vielen Geschäfts- und Gewerbetreibenden gehe es schließlich nicht anders als den Skischulen, sagt er. Auch wenn die beantragten staatlichen Hilfsgelder nur ein Tropfen auf den heißen Stein seien, werde es seine Skischule auf jeden Fall nächstes Jahr noch geben. "Wir werden überleben."
Vom Geschäft mit dem Schnee leben laut der Homepage der Lenggrieser Tourist-Information sieben Ski-, beziehungsweise Snowboardschulen und ein reiner Skiverleih. Zu den ältesten zählt die Skischule Lenggries mit Ausrüstungsverleih am Draxlhang. Inhaber Thomas Meßmer erinnert sich daran, dass die Geschäfte etwa wegen Schneemangels auch in früheren Wintern nicht immer prächtig liefen. Womöglich ist er deshalb auch relativ gelassen. "Die Jammerei hilft nichts", sagt Meßmer. Dass momentan kein Betrieb möglich sei, hält er für nicht weiter tragisch. In guten Zeiten müsse eine Skischule eben für schlechte auch finanziell vorsorgen, meint er.
Für den Streidlhanglift-Betreiber Sepp Wohlmuth bedeutet das auch, anstehende Investitionen in den kommenden Jahren erst einmal aufzuschieben. Die gegenwärtige Situation belaste ihn, gibt er zu. "Es geht auf die Psyche."