Passionsspiele Oberammergau:Stückl muss sich vor Gemeinderat entschuldigen

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Spielleiter Christian Stückl. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Der Spielleiter der Passionsspiele hatte einen Darsteller spielen lassen, der noch nicht lange genug im Ort lebt. Einer alten Regel nach war das unzulässig. Corona-Ausfälle hin oder her.

Glosse von Matthias Köpf, Oberammergau

Das Wort "Kasperltheater" verbietet sich natürlich völlig im Zusammenhang mit den Passionsspielen in Oberammergau, zumal der Kasperl, der Seppl und das Krokodil gewöhnlich keine Bärte tragen. Nur der Wachtmeister wäre vielleicht ein Kandidat, aber wenn der seit mindestens 20 Jahren in Oberammergau leben würde, dann könnte er dort ja auch gleich den Kaiphas geben. Ohne Bart käme er natürlich höchstens als Römer in Betracht, und ohne die 20 Jahre nicht nicht einmal als das.

Dann dürfte er nur am Einlass stehen oder Sanitätsdienst leisten oder vielleicht den Inspizienten machen, eine Art Bühnenmanager zwischen Kunst und Technik. Bei der laufenden Passion hat Spielleiter Christian Stückl aber so einen Inspizienten zum Römer befördert, und zwar kurzerhand und ohne 20 Jahre Vorlauf. Neulich hat Stückl dafür im Gemeinderat zu Kreuze kriechen und sich entschuldigen müssen.

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Dem Spielleiter ist das exklusive Spielrecht für ewige Oberammergauer sowieso ein Dorn in der Krone. Umso mehr Wert legen Stückls zahlreiche Widersacher auf die 20 Jahre, die ein Zugezogener im Ort verbracht haben muss, um mitspielen zu dürfen. Die heimatfesten Oberammergauer haben diese Regel zur Passion im Jahre des Herrn 1960 eingeführt, damit nicht auf einmal irgendwelche dahervertriebenen Sudentendeutschen neben ihnen auf der Bühne stehen.

Anno 2022 gilt die Regel immer noch, und zwar auch in Notfällen, wie sie die Passion momentan oft zu einer Art Improvisationstheater machen. So sind schon mal vier von zwölf Aposteln ausgefallen. Neulich erwischte die Pandemie dann die Schächer, weshalb kurzfristig zwei Apostel dem Gekreuzigten zur Seite hängen mussten - Kreuzweh inklusive, denn die Kreuze sind zwar maßgefertigt, aber halt für andere. Gemerkt hat das Publikum offenbar nichts, bärtig sind die ja alle.

Den zu kürzlich Zugezogenen hat Stückl vermutlich sowohl in Ermangelung eines Barts als auch mangels Römern zum Römer gemacht. Davon fehlten nämlich plötzlich stolze 28, weil die einen es beruflich doch nicht geschafft haben, die anderen keinen Test machen wollten und die ganz anderen ganz andere Gründe hatten. Vielleicht wirft einer ja viel leichter hin, wenn er sich nicht monatelang einen Bart wachsen lassen musste. Womöglich wäre also das eine zeitgemäße Lösung: Bartpflicht für alle außer für das Krokodil.

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