Süddeutsche Zeitung

Oberammergau:Das Kreuz mit der Großzügigkeit

Die Rechtslage ist kompliziert: Oberammergau darf mit Passionsspiel-Geld keine Bäume in Mexiko pflanzen. Projekte in der Umgebung wären dagegen unproblematisch.

Von Matthias Köpf, Oberammergau

Ihre alle zehn Jahre aufgeführten Passionsspiele vermarkten die Oberammergauer seit langer Zeit als Weltereignis, und so erwarten sie auch in diesem Jahr wieder etwa eine halbe Million Besucher aus aller Welt. Viele davon werden mit dem Flugzeug aus Übersee anreisen. Unter anderem als Ausgleich für die CO₂-Emissionen hat der Gemeinderat im Herbst eine Zusammenarbeit mit der Organisation "Plant for the Planet" vereinbart. Mit 10 000 Euro sollte der gemeindliche "Eigenbetrieb Kultur" die Organisation beim Aufforsten auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán unterstützen, plus einem weiteren Euro pro verkauftem Passionsbildband, bei einer Startauflage von immerhin 100 000 Stück. Jetzt allerdings hat der Gemeinderat diesen Beschluss wieder rückgängig gemacht. Die Rechtsaufsicht im Garmischer Landratsamt hatte der Gemeinde dringend von dieser Art der Großzügigkeit abgeraten.

Denn Gemeinden dürfen ihr Vermögen, zu dem im konkreten Fall auch die Passionseinnahmen zählen, laut Bayerischer Gemeindeordnung nicht einfach verschenken, schon gar nicht an irgendwen weit außerhalb ihres eigenen Wirkungskreises. Zwar wurde "Plant for the Planet" 2007 vom damals neunjährigen Felix Finkbeiner im nahen Uffing am Staffelsee gegründet, doch die klimafreundliche Baumpflanzorganisation ist längst selbst ein Global Player. Als solche mögen sich auch die Passionsspieler sehen, aber als gemeindlicher Wirkungskreis scheint dem Landratsamt in Garmisch-Partenkirchen der ganze Erdkreis einschließlich Yucatán dann doch zu umfangreich zu sein.

Der Freie-Wähler-Gemeinderat Peter Held hatte schon im Oktober als einziger gegen die Spende gestimmt und dabei auf näherliegende Bedürftigkeiten hingewiesen. Er hat den Beschluss überprüfen lassen und am Ende Recht behalten. Die übrige Kooperation mit "Plant for the Planet", die im Wesentlichen in gegenseitiger Werbung besteht, werde man aber weiterführen, sagt Bürgermeister Arno Nunn.

Nicht mehr rückgängig zu machen ist dagegen die Spende aus der vorherigen Passion: 2010 bedachten die Oberammergauer ein indisches Projekt für Opfer der Tsunami-Katastrophe von 2004. Direkt nach dem verheerenden Tsunami hatten sich auch andere Gemeinden aufgerufen gesehen, für die Region am Indischen Ozean zu spenden. Das für die Kommunalaufsicht zuständige Innenministerium habe damals solche Spenden aber nicht zugelassen, erinnert sich Wilfried Schober vom Bayerischen Gemeindetag. Scheinbar etwas großzügiger zeigte sich das Ministerium laut Schober nach der Flutkatastrophe 2013, als unter anderem im Landkreis Deggendorf ganze Ortschaften unter Wasser standen. Dass in dem Fall Spenden von bayerischen Gemeinden an andere bayerische Gemeinden flossen, könnte die Staatsregierung etwas nachsichtiger gestimmt haben. Nicht vergessen hat man beim Gemeindetag aber, dass der Freistaat dann seine eigenen Hilfen um genau den kommunal gespendeten Betrag gekürzt habe.

Doch dass Gemeinden außerhalb ihrer nähren Umgebung viel Geld spenden, kommt ohnehin nicht allzu oft vor. Häufiger sind Sachspenden, bevorzugt in Form ausgedienter Feuerwehrautos. Dazu hat das Innenministerium 2015 sogar eine eigene Handreichung an die Landratsämter und Bezirksregierungen verschickt. Demnach dürfen Gemeinden Dinge, die sie nicht mehr brauchen, ausnahmsweise unter Wert oder gar gratis abgeben, wenn sie damit eigene Aufgaben erfüllen - und dazu könne auch die Pflege von Auslandsbeziehungen im Rahmen kommunaler Partnerschaften gehören. Und so rückt die angeblich erste Freiwillige Feuerwehr in ganz Kenia schon seit Jahren mit Fahrzeugen aus Affing, Gersthofen und Burtenbach in Schwaben aus. Ein Feuerwehrauto aus Etterzhausen im Landkreis Regensburg ist neuerdings in Moldawien unterwegs, so wie viele andere ehemals bayerische Feuerwehrautos in vielen anderen unbayerischen Ländern.

Eine durchgängige Haltung in derlei Dingen glaubt Wilfried Schober vom Gemeindetag bei den diversen Kommunalaufsehern mittlerweile auch erkannt zu haben: "Am liebsten würden sie gar nicht gefragt werden."

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SZ vom 18.02.2020/vewo
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