Internationaler Menschenrechtspreis:Nürnberg verteidigt sich gegen Kritik der Israelitischen Kultusgemeinde

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Nürnberg – hier die Straße der Menschenrechte – sieht sich als Stadt des Friedens und der Menschenrechte. Die Jury des Nürnberger Menschenrechtspreises steht jetzt in der Kritik. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Eine international besetzte Jury hat der israelisch-palästinensischen Organisation „Parents Circle – Families Forum“ den Nürnberger Menschenrechtspreis zuerkannt. Die Kultusgemeinde hält dies für einen „Irrweg“.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Am Montagvormittag um 11.42 Uhr teilte die Stadt Nürnberg mit, wer 2025 mit dem 16. Internationalen Menschenrechtspreis ausgezeichnet wird. In ihrer Sitzung zwei Tage zuvor habe sich die international besetzte Jury für die israelisch-palästinensische Initiative „Parents Circle – Families Forum“ entschieden, die für „Verständigung, Aussöhnung und konsequente Dialogbereitschaft“ stehe.

Keine sechs Stunden später, am Montagnachmittag um 17.27 Uhr, erklärte sich dazu der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg (IKGN) in einer schriftlichen Stellungnahme: Der Menschenrechtspreis und seine Gremien führten sich mit dieser Entscheidung „selbst ad absurdum“. Die Jury habe sich für eine „umstrittene israelische Kleinorganisation entschieden“, die – so die Kultusgemeinde – „oftmals Betroffene und Opfer von Terrorismus gleichsetzt mit Personen, die im Kampf gegen genau diesen Terrorismus ums Leben kamen“.

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In wohl jeder deutschen Stadt würde solche Kritik wehtun. In Nürnberg freilich dürfte sie besonders schmerzen. Der Satzung zufolge ist der Menschenrechtspreis ein Symbol dafür, dass „in Gegenwart und Zukunft nur noch Signale des Friedens und der Völkerverständigung“ von Nürnberg ausgehen, jener einstigen Stadt der nationalsozialistischen Reichsparteitage und der NS-Rassengesetze. Und nun wirft die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg der Jury jenes Menschenrechtspreises vor, eine von ihr gefasste Entscheidung sei ein Irrweg, eine „weitere Episode antiisraelischer Reflexe“. Viel härter dürfte man Nürnberg kaum treffen können.

Noch am Dienstagvormittag ist die Stadt von sich aus in die Offensive gegangen. Eines ist Stadtsprecher Andreas Franke besonders wichtig: „Die Entscheidung trifft die neunköpfige, internationale Jury.“ Oberbürgermeister Marcus König (CSU) sei Mitglied dieser Jury, aber der Einzige, den die Stadt entsendet. Insgesamt vier Institutionen habe das Menschenrechtsbüro zurate gezogen: „Sowohl die Deutsche Botschaft als auch ein Nahostexperte von der Stiftung Wissenschaft und Politik“ hätten das Forum „ohne jede Bedenken für den Preis empfohlen“, heißt es in einer Stellungnahme der Stadt. Zudem seien zwei weitere Einrichtungen befragt worden: die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Alliance for Middleast Peace.

Alle vier Institutionen hätten das Forum als Preisträgerin empfohlen – drei der vier allerdings darauf hingewiesen, „dass es Protest geben könnte“. Dies habe man in Kauf genommen; müsse nun aber feststellen, dass es in dem Konflikt im Nahen Osten „leider keine Zwischentöne und keine Differenzierung mehr“ gebe. Sämtliche „Vorrecherchen“ der Stadt dagegen hätten die Jury-Einschätzung bestätigt, man könne dem Forum „keine Einseitigkeit vorwerfen“. Bei deren Aktivitäten kämen „immer beide Seiten zu Wort“, es gehe „nicht um politische Positionierungen, sondern das gemeinsame Trauern und den Dialog“. Insgesamt seien für die Jury zwei Aspekte essenziell gewesen: „absolute Gewaltlosigkeit und Opferzentriertheit“. Dies sei bei dem Forum der Fall.

Die Gruppierung werde „von vielen in Israel abgelehnt“

Nach SZ-Informationen soll die Stadt Nürnberg die Kultusgemeinde nach der Jury-Entscheidung über die Gewinner-Organisation in Kenntnis gesetzt haben. Angeblich ohne Reaktion. Stimmt das? Jo-Achim Hamburger, Vorsitzender der IKGN, möchte das nicht kommentieren. Hält es aber auch nicht für den wesentlichen Punkt. Aus seiner Sicht habe sich die Jury für eine „linkslastige Splittergruppierung“ entschieden. Eine, seiner Kenntnis nach, „lächerlich kleine“ Gruppierung, die „von vielen in Israel abgelehnt“ werde. Selbstredend nähmen er und die IKGN sich das Recht heraus, „unterschiedlicher Meinung zu sein als die Jury“.

Die Forderung, eine andere Organisation zu prämieren, verbinde sich damit aber nicht. „Wer wäre ich, wer sind wir, das zu fordern“, sagt Hamburger: „Wenn es so sein soll, soll es so sein.“ Auf die Stadtspitze ziele seine Kritik nicht, auf die Jury schon. Diese habe eine „rein politische Entscheidung“ getroffen, die in das seiner Ansicht nach „naive Klima“ der Republik passe. Zwar erwarte er durchaus „einen Shitstorm“ für solche Aussagen. Das aber, sagt Hamburger, „ist mir wurscht“.

Tatsächlich, erläutert ein Stadtsprecher, gebe es keinerlei Überlegungen, angesichts der Kritik den mit 25 000 Euro dotierten Preis nicht an das ausgewählte Forum zu verleihen. Geschehen soll dies am 21. September 2025 im Nürnberger Opernhaus.

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