Nürnberger Lebkuchen:Schokodusche und Zuckerbad

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Experimente mit neuer Glasur bei Lebkuchen Düll in Nürnberg (Foto: Viola Bernlocher)

Kneten, backen, glasieren: Nürnbergs Lebkuchenfabriken beliefern vor Weihnachten die ganze Welt. Neben überlieferten Hausrezepten setzen sie inzwischen auch auf moderne Kreationen.

Von Viola Bernlocher, Nürnberg

Türglocke und Telefon hören an diesem Morgen im Spätnovember nicht mehr auf zu klingeln. Im Laden der Lebküchnerei und Bäckerei Düll im Nürnberger Nordosten hetzen Christine Düll und ihre Angestellten zwischen den Kunden und dem Lager hin und her. In der Auslage sind die Lebkuchen lose in akkurate Reihen geschichtet, in den Regalen liegen sie in allen Formen, Größen und Farben, abgepackt und mit einer Schleife verziert.

Vor Weihnachten, wenn der Nebel die Stadt in Watte packt, haben die Dülls keine ruhige Minute mehr. Hinter der Jugendstilfassade im Nebenhaus liegt die Backstube. Hier wird Nürnberger Lebkuchen-Tradition mit der Melange der Moderne verbacken. Lebküchner und Bäckermeister Holger Düll arbeitet mit seinem Team von sieben Uhr morgens bis 16 Uhr, dann sind die Trockenräume voll. Gerade wiegt er auf einer alten Hängewaage lose aufgeworfene Haufen Zimt und Hirschhornsalz ab, bevor er alles zu der zähen Nussmasse kippt, die schon in der betagten Rührmaschine klebt.

Diese und die Öfen, das sind die einzigen Maschinen, die bei Dülls in der Backstube stehen, denn sie backen ausschließlich nach alten Rezepten. "Mit modernen, automatischen Maschinen müssten die Zutaten immer die gleiche Konsistenz haben", erklärt Christine Düll. Die Dülls aber setzen ausschließlich auf hochwertige Zutaten - und da seien die Nüsse eben mal frischer, mal trockener.

Wenn der Teig geknetet ist, pult Holger Düll ihn in großen Batzen aus dem Rührtopf und klatscht ihn auf eine Edelstahl-Arbeitsplatte. Hier stehen drei seiner Angestellten, die in maschineller Manier eine Oblate nach der anderen auf den kleinen pilzartigen Lebkuchenstreicher legen, bevor sie eine Portion Teig obenauf platzieren und mit einem Schaber kreisförmig den überschüssigen Teig ab und den Lebkuchen glatt streichen. Bis zu 4000 Lebkuchen schaffen sie an einem Tag.

"Ein Edelstein in der Süßwaren-Landschaft"

Im Nürnberger Südosten steht die große Fabrik von Lebkuchen Schmidt, gerade noch innerhalb der Stadtgrenze, sonst dürften sie ihre Lebkuchen nicht mehr mit dem Zusatz "Nürnberger" versehen. Die Firma ist eigentlich auch ein Familienbetrieb wie die Düllsche Bäckerei, aber die letzte Erbin, Henriette Schmidt-Burkhardt starb im Februar dieses Jahres mit 87 Jahren. Jetzt gehört die Firma der Schmidt-Burkhardt-Stiftung, deren Stiftungsratsvorsitzender der Nürnberger Immobilien-Entwickler Gerd Schmelzer ist.

Lebkuchen kannte er bisher nur vom Kaffeetisch und von seiner Arbeit für die Stiftung. Vorerst führt er die Geschäfte, bis jemand Neues gefunden ist, der übernehmen kann. Schmelzer will nichts überstürzen. "Lebkuchen Schmidt ist ein Edelstein in der Süßwaren-Landschaft", sagt er. Ein Juwel, dem etwas neuer Glanz nicht schaden würde.

Von dem Teller, der vor ihm auf dem langen Konferenztisch steht, greift sich Schmelzer einen Lebkuchen und beißt beherzt hinein, der Klassiker mit dunkler Schokolade: "Die sind total okay", kommentiert er mit fränkischem Understatement. Das aber hat die Firma gar nicht nötig. "Wicklein", die eine Lebkuchen-Marke, die zu Schmidt gehört, findet sich vor Weihnachten in jedem Discounter-Regal, für die andere, die "Schmidt-Lebkuchen", die die Firma exklusiv selbst vertreibt, hat Schmidt in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz 130 Läden, die in der Saison Lebkuchen und Plätzchen verkaufen. Der zweite Vertriebs-Kanal für "Schmidt-Lebkuchen" ist der Versand über den Online-Shop und vor allem den Katalog. Vor dem Nikolaustag gehen 90 000 Pakete in die Post.

Fünf Konditoren tüfteln an Innovationen

Schmelzer denkt über neue Produkte nach. Bisher haben sich die Innovationen auf ein jährlich neues Blechdosensortiment und den Lebkuchen des Jahres beschränkt, dieses Jahr die Bratapfelelise. Fünf Konditoren tüfteln jetzt in der Innovationsabteilung. Ein neues Ganzjahressortiment für Wicklein wird im Februar auf der Kölner Süßwarenmesse präsentiert.

270 Mitarbeiter Stammbelegschaft hat Lebkuchen Schmidt. In der Saison sind es fast 800. Auch bei Dülls in der kleinen Bäckerei arbeiten viele Saisonkräfte, 20 Mitarbeiter haben sie das Jahr über, 45 in der Saison. Die Saisonarbeiter kommen schon seit Jahren zu den Dülls und wissen, wo sie anpacken müssen. Das ist wichtig, damit die fünf anderen Läden in Nürnberg ihre Lieferungen bekommen und die vielen Pakete rechtzeitig versandt werden. "Morgens bekommen meine Mitarbeiterin und ich manchmal einen hysterischen Anfall, wenn wir sehen, dass schon wieder etwas raus muss, das noch gar nicht gebacken ist", sagt Christine Düll. Sie lacht.

Elisenlebkuchen-Rezept vom Großvater

Denn neben hoher Qualität ist auch Individualität eines der Erfolgsrezepte, um neben großen Fabriken wie Lebkuchen Schmidt als kleine Bäckerei zu bestehen. "Vor kurzem haben wir für eine Hochzeit kleine Lebkuchenherzen als Tischkarten gebacken", erzählt sie. Seit 1934 gibt es die Bäckerei Düll, Holger und Christine Düll führen sie in der dritten Generation. Von Großvater und Vater ist das Elisenlebkuchen-Rezept überliefert. Aber trotz traditioneller Rezepturen setzen sie moderne, zeitgemäße Akzente.

Lebkuchen aus Nürnberg
:So schmeckt Weihnachten

Klassisch dunkel, mit weißer Schokolade oder rosafarben mit einem Hauch Erdbeere: Mehr als eine Million Lebkuchen werden täglich in Nürnberg produziert. Ein Blick hinter die Kulissen.

Für die sorgt Konditor Klaus Ohr, wenn er die nackten Elisen mit Schokolade überzieht. Vor ihm steht eine große Metallschüssel mit zähflüssiger Schokolade, seine weiße Schürze ist braun gesprenkelt, am Mundwinkel klebt etwas Schokolade. Auf der Masse in der Schüssel liegen die Lebkuchen, flink greift er sich einen und taucht ihn weiter ein, so dass der überall gut benetzt ist. Echte belgische Schokolade, 70 Prozent Kakao-Anteil, muss es sein. Man schmecke den Unterschied, betont Christine Düll. Natürlich gibt es auch andere Glasuren, schlichte weiße Schokolade, eine orangene Schokolade, eine rosafarbene, die einen Hauch Erdbeere enthält. Oder die eigens hergestellte Punsch-Glasur, rot wie das Herzblut, dass die Dülls in ihre Lebkuchen fließen lassen.

Die Dülls wie auch Lebkuchen Schmidt schicken ihre Waren um den ganzen Globus. Nach Amerika, Malaysia, Chile, Shanghai, Australien. Bei den Lebkuchen gilt eben noch, was zu Reichsstadt-Zeiten galt: Nürnberger Tand geht durch alle Land..

© SZ vom 06.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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