Süddeutsche Zeitung

Nürnberger Flughafen:"Die Nordanbindung ist tot"

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Der Nürnberger Flughafen liegt nicht nur in einem der größten Gemüseanbaugebiete Bayerns. Ihm fehlt auch eine Anbindung an eine Autobahn. 30 Jahre lang stritten Politiker genau darüber, nun gibt die Stadt die Pläne auf. Der Grund klingt paradox.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Mehr als 30 Jahre tobt die Debatte um die Anbindung des Nürnberger Flughafens an die Autobahn, mehrere Wahlkämpfe befeuerte dieses Thema. Der Flughafen gehört zu den zehn großen in Deutschland, aber er wurde einst primär als Firmenlandeplatz gegründet und liegt an einer städtebaulich kuriosen Stelle: mitten in einem der größten Gemüseanbaugebiete Bayerns.

Dorthin gelangt man im Auto auf kleineren Stadtstraßen, und so lag der Gedanke nahe, den Flughafen im Norden an die A 3 anzubinden, mit einem eigenen Zubringer. Die Nürnberger CSU war immer schon dafür, die SPD mehrheitlich ebenfalls. Immerhin ging die Mär, von Nürnbergs Flughafen aus würden in nicht allzu ferner Zukunft sechs Millionen Gäste abfliegen. Es kam dann aber völlig anders, die Zahlen sanken rapide. Nach 30 Jahren Debatte hat der Stadtrat die Idee von der Anbindung nun still begraben.

Die Entscheidung fiel auf mindestens kuriose Weise. Als Tagesordnungspunkt zwölf kam im Stadtrat das Thema "Nordanbindung" zum Aufruf, eingeordnet hinter Themen wie "Satzung für einen interkulturellen Jugendpreis" und "Verstetigung des kommunalen Bildungsmanagements". Exakt zehn Worte umfasst der Beschluss: "Die Nordanbindung wird von der Stadt Nürnberg nicht weiter verfolgt."

48 von 70 Nürnberger Räten tragen die Entscheidung mit, eine nach all den Jahren verblüffend satte Mehrheit. Achim Mletzko, der Fraktionschef der Nürnberger Grünen, hatte den Antrag eingebracht, er spricht von einer "historischen Entscheidung". Aber er sagt auch, dass ihm überhaupt nicht zum Lachen zumute sei an diesem Tag, "sondern ziemlich zum Weinen".

Alles "gar nicht lustig"

Wer das verstehen will, muss sich in die Niederungen der Nürnberger Stadtpolitik begeben, dorthin wo es kompliziert wird. Denn die Zäsur fiel in die erste richtige Arbeitssitzung des Stadtrats nach der Kommunalwahl. Und sie fiel keine vier Wochen, nachdem die SPD den Grünen per SMS formlos mitgeteilt hatte, dass sie auch künftig eine Kooperation mit der CSU eingehen wird.

Grüne berichten von hochrangigen SPD-Stadtpolitikern, die ihnen kurz nach der Wahl handschriftlich verfasste Jubelbriefe geschickt hatten. Es ging darum, wir arg man sich freue, mit den Grünen eine Mehrheit für ein rot-grünes Bündnis eingehen zu können. Es kam dann aber ganz anders, in Nürnberg regiert auch weiterhin Rot-Schwarz. Die Grünen sind seither nachhaltig verstört.

Und nun? Die erste wegweisende Entscheidung des Rates ist eine, die von der rot-grünen Mehrheit getragen wird. Gegen die Stimmen der CSU, man kann sogar sagen: gegen deren erbitterten Widerstand. Skurril? Absonderlich? Mletzko findet "alles gar nicht lustig", er hätte viel lieber wirklich regiert in Nürnberg. Und nicht nur durch eine Hintertür.

Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) hat für die Anbindung lange gekämpft, zum Teil gegen Widerstand in der eigenen Partei. Inzwischen aber sagt er: "Manchmal muss man seine Meinung auch ändern können." Man sei eben viele Jahre von einem boomenden Flughafen ausgegangen, von einem "Jobmotor" war die Rede. Stattdessen trudelte er in eine schwere Krise, nachdem Air Berlin das Drehkreuz Nürnberg aufgegeben hatte. Nicht etwa sechs, sondern nur noch 3,3 Millionen Gäste nutzten 2013 das Areal im Knoblauchsland. Die Zufahrtsstraßen wurden also nicht voller. Wer braucht da noch eine Schneise durch den Reichswald, samt "Beckstein-Tunnel" unter der Landebahn?

Ein "verheerendes Signal"

Auf den ehemaligen Innenminister geht die Idee mit dem Tunnel zurück, auch sie kann nun ins historische Museum. Sebastian Brehm, der Fraktionschef der CSU, hält das für "eine Katastrophe". Dass der OB demnächst einen Brief aufsetze mit der Mitteilung an Bundesbehörden, dass keine Zuschussmittel mehr vonnöten sind, findet er ein "verheerendes Signal".

Immerhin hätten Gutachter die Anbindung als ein Mittel vorgeschlagen, den Airport aus der Krise zu holen. "Die Nordanbindung ist tot", sagt Brehm, "das ist ein schwerer Verstoß gegen unsere Verantwortung für diese Stadt." Auswirkungen auf das rot-schwarze Bündnis aber gibt es keine. Denn im Kooperationspapier hatten beide Partner festgelegt, in dieser Grundsatzfrage konträrer Meinung sein zu dürfen.

Für Flughafengeschäftsführer Michael Hupe ist das Aus für die Anbindung der nächste Nackenschlag. Auf dem Airport lasten 115 Millionen Euro Schulden, die Zahl der Gäste ging 2013 noch einmal um acht Prozent zurück. Da hätte Hupe positive Nachrichten gut brauchen können. Immerhin: Im Juni zeichnet sich ein "leichtes Passagierwachstum" ab, Hupe hält die schlimmste Talsohle für durchschritten. Und die Hoffnung auf eine bessere Anbindung hat er offenbar auch noch nicht aufgegeben: Die Straßenanbindung des Flughafens werde "dem Bedarf nicht gerecht", sagt er, die Nordanbindung bleibe für ihn deshalb "weiterhin die Vorzugsvariante".

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Quelle:
SZ vom 27.06.2014
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