Hetze gegen Nürnberger Christkind:"Es tut mir leid für die Menschen, die mit dieser Sicht durch die Welt gehen"

Benigna Munsi wurde zum Nürnberger Christkind gekürt - und von der AfD auf Facebook rassistisch beleidigt.

Die 17-jährige Benigna Munsi ist stolz, als Christkind auserkoren worden zu sein. Mit Oberbürgermeister Ulrich Maly tritt sie vor die Presse.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Benigna Munsi wurde zum Nürnberger Christkind gekürt - und von der AfD auf Facebook rassistisch beleidigt, weil sie nicht dem Klischee eines typischen Rauschgoldengels entspricht. Nun hat sie sich zu den Anfeindungen geäußert.

Von Katja Auer, Nürnberg

Benigna Munsi ist sehr gelassen. Das ist erwähnenswert, schließlich ist die 17-Jährige vor wenigen Tagen nicht nur zum Nürnberger Christkind gewählt worden, was an sich schon aufregend genug wäre, sondern hat seitdem auch erlebt, wie unterschiedlich die Reaktionen darauf ausfallen können. Speziell ein rassistischer Kommentar im Internet vom AfD-Kreisverband München-Land löste eine Woge der Empörung und der Solidarität aus. Benigna Munsis Vater stammt aus Indien, die Hetze zielte auf ihr Aussehen ab.

"Mir geht's gut", sagt sie am Sonntag in Nürnberg, zusammen mit Oberbürgermeister Ulrich Maly und ihren Eltern gibt sie eine Pressekonferenz. Die Stadt hat eingeladen, das Medieninteresse war in den vergangenen Tagen einfach zu groß. Noch mehr Journalisten hätten sich damals nur für Eisbärbaby Flocke interessiert, sagt Maly. Also ein öffentlicher Auftritt, auch wenn es eigentlich nur um "ein paar bescheuerte Reaktionen" geht. Aber vielleicht sei die Zeit vorbei, dass man solche hässlichen Kommentare unkommentiert vorbeiziehen lassen könnte, sagt Maly. Die AfD löschte den Post nach einer Weile, die Kreisvorsitzende entschuldigte sich.

Eigentlich, sagt Benigna Munsi, sei sie nicht besonders überrascht gewesen von der rassistischen Reaktion, damit habe sie gerechnet. Zu Herzen nimmt sie sich diese aber offenbar nicht, "die Freude ist nicht weniger geworden", sagt sie. Und dass sie sehr überrascht sei von den vielen positiven Rückmeldungen. "Honeystorm, Candystorm, Lovestorm", all die Begriffe habe sie in den vergangenen Tagen erst gelernt. Über die hetzerischen Zeilen macht sie sich keine großen Gedanken. "Es tut mir leid für die Menschen, die mit dieser Sicht durch die Welt gehen", sagt sie.

Die junge Frau wirkt aufgeräumt, sie lacht in die Runde, es ist gut nachvollziehbar, warum sich die 13-köpfige Jury am vergangenen Mittwoch für die 17-Jährige entschieden hat.

Die Eltern sitzen neben ihr, Teresia-Benedicta Kleiner-Munsi hatte befürchtet, dass solche Reaktionen auf ihre Tochter zukommen könnten, sagt sie. Als die Kinder noch klein waren, habe sie öfter Sätze gehört, "die nicht so schön waren". Ernst nehmen dürfe man das nicht. "Unsere Kinder sind darauf vorbereitet", sagt sie. Kausik Munsi dagegen fällt keine schlechte Erfahrung ein. Seit er zum Studium nach Deutschland kam, sei er stets mit offenen Armen empfangen worden. "Ich habe meine beste Zeit hier erlebt." Er hat seit vielen Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit, "ich fühle mich total deutsch". Die Solidarität mit seiner Tochter habe ihm eine Gänsehaut verursacht.

Das sieht auch Ulrich Maly positiv, dass viele Menschen im Internet Haltung gezeigt hätten. "Vielleicht ist es auch normal und wir haben es vergessen." Nun hoffe er, dass sich die Aufregung legt und das Christkind zum Kerngeschäft zurückkehren könne: Der Christkindlesmarkt steht bevor, am 29. November wird ihn Benigna Munsi mit dem Prolog von der Empore der Frauenkirche eröffnen.

Die Maße für ihren Ornat wurden schon genommen, am Donnerstag soll sie ihn zum ersten Mal anprobieren. "Ich wollte Christkind werden, seit ich nicht mehr an das Christkind glaube", sagt sie. Sie kann sich an die Faszination als Dreijährige erinnern, als sie selbst im Sternenhaus dem Christkind zuhörte und auf einmal alle ganz leise waren. Und an die Freude der Altenheimbewohner, die sie beim Besuch eines Christkinds beobachtete, als sie mit 13 Jahren einen Adventsnachmittag mit dem Chor ihrer Kirchengemeinde begleitete. Zum weiß-goldenen Kleid wird Benigna Munsi - wie alle Christkinder - eine blonde Perücke tragen. Dabei soll es bleiben.

"Ich würde an der Figur nicht rummäkeln wollen", sagt OB Maly, zu fest ist das Christkind in Nürnberg verankert. Seit 1969 wird es gewählt, vorher waren es Schauspielerinnen. Eine junge Frau soll es sein, wohnhaft in Nürnberg, mindestens 1,60 Meter groß und schwindelfrei. Außerdem herzlich, offen und belastbar. Von Haarfarbe und Stammbaum steht da nichts.

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