Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:Stadt Nürnberg verliert Rechtsstreit gegen AfD

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Neutralitätsgebot verletzt? In einem Rechtsstreit mit der Stadt Nürnberg hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nun der AfD recht gegeben. (Foto: Carsten Koall/dpa)

Durch die Mitgliedschaft in der „Allianz gegen Rechtsextremismus“ sieht die AfD das kommunale Neutralitätsgebot verletzt. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Partei jetzt recht gegeben.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

In einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der AfD hat die Stadt Nürnberg eine Niederlage erlitten. Einer am Montag veröffentlichen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) zufolge kann der Nürnberger AfD-Kreisverband verlangen, dass die Stadt aus der „Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg“ austreten soll. Die AfD hatte zunächst im Nürnberger Stadtrat beantragt, dass die Stadt die Allianz verlassen solle, da eine Mitgliedschaft nicht mit dem Neutralitätsgebot zu vereinbaren sei. Dies hatte der Stadtrat mehrheitlich abgelehnt. Daraufhin hatte der AfD-Kreisverband Nürnberg/Schwabach den Rechtsweg beschritten – und hat nun in zweiter Instanz recht bekommen.

Die AfD moniert, die Allianz gegen Rechtsextremismus – ein eingetragener Verein, dem im Norden Bayerns zahlreiche Institutionen und Gebietskörperschaften angehören – beziehe beispielsweise auf ihrer Homepage oder in Pressemitteilungen öffentlich Stellung gegen die AfD. Aus Sicht der Partei müsse sich die Stadt Nürnberg als Mitglied der Allianz diese Äußerungen zurechnen lassen. Daher verstoße die Stadt, laut AfD, durch die Mitgliedschaft gegen ihre Pflicht zur parteipolitischen Neutralität.

Zunächst hatte die AfD Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach eingereicht. Diese wurde indes abgewiesen. Die bayerischen Verwaltungsrichter in München sehen dies jetzt anders und hatten ihre Tendenz, der Klage stattzugeben, bereits in der mündlichen Verhandlung angedeutet. Dort hatte der zuständige Senat in der vergangenen Woche deutlich auf die vom Bundesverfassungsgericht und vom Bundesverwaltungsgericht betonte Pflicht öffentlicher Amtsträger zur „parteipolitischen Neutralität“ hingewiesen. Dieser Pflicht könne sich die Stadt nicht entziehen – auch nicht durch den Zusammenschluss mit anderen Kommunen oder Institutionen, die ähnlicher Auffassung seien.

Eine kommunale Öffentlichkeitsarbeit, die sich explizit gegen eine nicht verbotene Partei wende, verstoße „gegen das im Grundgesetz garantierte Recht der Parteien auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb“. Dies gelte auch dann, wenn eine Stadt als Mitglied und aktiver Unterstützer eines privaten Vereins – wie etwa der „Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg“ – lediglich mittelbar am parteipolitischen Meinungskampf teilnehme. Die Richter sähen die Pflicht, einer auf diese Weise betroffenen Partei wirksamen Rechtsschutz zu gewähren. Dieser sei nur sicherzustellen, wenn man der Partei den von ihr beantragten Anspruch zuerkenne. Sie dürfe also „verlangen“, dass die Stadt aus der Allianz austreten solle.

Die Stadt Nürnberg kann gegen die Entscheidung noch Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegen. In der mündlichen Verhandlung hatten die Richter in München angedeutet, das Verfahren könnte sich freilich – im Lauf einer etwaigen Revision – möglicherweise auch „unstreitig erledigen“. So könne die Stadt den Austritt aus der Allianz gegen Rechtsextremismus gegebenenfalls dann vermeiden, wenn „diese in ihrer künftigen Öffentlichkeitsarbeit auf explizite Äußerungen zur AfD“ verzichte.

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Der Satzungspräambel zufolge versteht sich die Allianz gegen Rechtsextremismus als „unabhängiges und solidarisches Netzwerk“. Es trete „allen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, insbesondere Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit sowie Menschenverachtung und Demokratiefeindlichkeit entschieden“ entgegen. Die Stadt Nürnberg ist Gründungsmitglied der Allianz, der nach eigenen Angaben derzeit „165 Städte, Gemeinden und Landkreise sowie 322 zivilgesellschaftliche Organisationen und Institutionen“ angehören.

Einer Stellungnahme der Stadt Nürnberg zufolge will diese zunächst abwarten, bis eine schriftliche Urteilsbegründung vorliegt. Zwar habe das Gericht – laut vorliegendem Tenor – entschieden, dass die Stadt „aus der Allianz gegen Rechtsextremismus austreten“ müsse. Das Urteil sei aber nicht rechtskräftig, eine Revision ausdrücklich zugelassen worden: „Ein sofortiger Austritt der Stadt Nürnberg aus der Allianz gegen Rechtsextremismus muss daher nicht vollzogen werden.“

Die AfD Nürnberg zeigt sich „zufrieden“ mit dem Urteil. Man wende sich „nicht gegen zivilgesellschaftliches Engagement gegen Extremismus“, sagt Roland Hübscher, AfD-Chef im Stadtrat. Man wehre sich aber dagegen, wenn die Stadt Nürnberg „einen Verein aktiv und offensichtlich“ unterstütze, der in den vergangenen Jahren klar gegen die AfD Position bezogen habe. Dies verstoße gegen das Neutralitätsgebot.

Stephan Doll, Vorsitzender der Allianz, äußert sich dagegen „entsetzt“ über das Urteil. Die Allianz sehe das Engagement für die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Gebot der Stunde. „Gerade die Stadt Nürnberg hat aus ihrer Geschichte gelernt und zeigt als Stadt des Friedens und der Menschenrechte klare Haltung“, sagt Doll. Die Allianz plane, sich auch weiterhin „klar gegen Rechtsextremismus“ zu positionieren. Alles andere sei angesichts der Vereinssatzung „widersinnig“.

Nürnbergs SPD-Chef Nasser Ahmed hält das Urteil für inhaltlich „vollkommen verfehlt“. In einer „wehrhaften Demokratie“ dürfe es „in Fragen von Demokratie und Menschenrechten keine Neutralität“ geben. Die SPD werde sich dafür einsetzen, „dass dieses Urteil nicht das letzte Wort“ sei. Die Stadt müsse „durch alle Instanzen gehen“, fordert er.

Auch der „Demokratiepakt Nürnberg – Zammrüggn“ bedauert den Urteilsspruch. Die Stadt Nürnberg müsse „Position beziehen können gegen Geschichtsvergessenheit und Demokratiefeindlichkeit“, heißt es in einer Erklärung. Für den Fall einer Revision bleibe „zu hoffen, dass das Bundesverwaltungsgericht weitsichtig“ urteile.

Je nachdem, wann die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, will die Verwaltung dem Nürnberger Stadtrat demnächst einen Vorschlag über das weitere Verfahren vorlegen – womöglich noch im Dezember. Sobald das vollständige Urteil eingegangen ist, hat die Stadt vier Wochen Zeit, eine Revision einzulegen. Anschließend bleiben gegebenenfalls weitere vier Wochen, um die Begründung für die Revision einzureichen.

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